Als ob der Blinde von der Farbe schreibt (Hobby? Barfuß! 2)

Markus U., Stammposter, Saturday, 02.06.2007, 20:02 (vor 6386 Tagen) @ Hans-Martin

Hi Hans- Martin!

Als ich Anfang der 80er Jahre auf meiner Wahlstation als Rechtsreferendar bei einem Rechtsanwalt tätig war, wurde ich darauf hingewiesen, dass es bei der anwaltlichen Tätigkeit auf die genaue Ermittlung des Sachverhalts ankommt. In der späteren Praxis habe ich erfahren, wie leicht die schlampige Feststellung von Details durch Gerichte zu Fehlurteilen führen kann.

Das ist leider wahr. Vor allem die Beweisaufnahme wird oft oberflächlich durchgeführt, wichtige Zeugen nicht gehört (insbesondere im Zivilrecht, wenn für einen überarbeiteten Richter "alles klar" erscheint, obwohl das bei genauerer Betrachtung nicht der Fall ist). Insbesondere betrachte ich die Gefahr, daß ein (stets fett beschuhter) Richter die angebliche Unmöglichkeit, daß barfuß sicher Auto fahren könne, ohne nähere Prüfung als "gerichtsbekannte Tatsache" hinstellen könnte, keinesfalls als gebannt, und Artikel wie der hier zur Debatte stehende aus der "Motorwelt" können da beträchtlichen Schaden anrichten. Hier muß der Anwalt "auf Zack" sein und dem Gericht sofort die Urteile der Oberlandesgerichte Celle (hier ist nur das Aktenzeichen angegeben => Urteil bei der Pressestelle anfordern) und Bamberg (ist in der Fachzeitschrift DAR [Deutsches Autorecht] veröffentlicht) zukommen lassen.

Eine strafrechtliche Verurteilung wegen Fahrlässigkeit würde bedingen, dass man die im Verkehr übliche Sorgfalt verletzt hat. Da es keinerlei Rechtsvorschrift gibt, die das Verwenden von Schuhen (im nichtberuflichen Bereich) vorschreibt, fällt der Vorwurf einer solchen Pflichtverletzung im voraus weg.
Um einen strafrechtlichen Ansatz zu bieten, müßte ein Unfallverursacher schon erklären, dass es zum Unfall gekommen sei, weil er vom Bremspedal abgerutscht wäre und dies aus dem Grund, weil er barfuß gefahren sei - absurd!
Wie ich schon früher im Forum geschrieben habe, halte ich solche Überlegungen für eine Folge der Annahme, dass barfuß laufen etwas Verbotenes sei. Es gibt zahlreiche Schilderungen des Verhaltens sogenannter Sicherheitskräfte, bei der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel etc.

Wer barfuß läuft (oder Auto fährt) und glaubt, sich allein dadurch ordnungswidrig zu verhalten oder strafbar zu machen, begeht ein sogenanntes "Wahndelikt", und das ist nicht strafbar. Allerdings wurde ich auch schon einmal in der Münchener U- Bahn von einer "wohlmeinenden" Person ermahnt: "Lassen's Eahna nur net von der Polizei derwischen, mit Eahna nackerten Fiaß (Lassen Sie sich mit Ihren nackten Füßen nur nicht von der Polizei erwischen)."

Wären die Leute vom ADAC zu einer wertfreien Analyse in der Lage, würden sie schnell erkennen, dass das "sozialadäquate" Fahren eines PKW mit hochhackigen Schuhen zu Risiken führt. Freilich gilt sogenanntes sozialadäquates Verhalten strafrechtlich als Rechtfertigungsgrund; ein solcher Rechtfertigungsgrund schließt die Rechtswidrigkeit aus.

Hierbei handelt es sich um eine Mindermeinung; die herrschende Meinung nimmt an, daß "sozial adäquates Verhalten" bereits die Tatbestandsmäßigkeit entfallen läßt.

Für Manfred (Ten):
Sozial adäquates Verhalten ist ein Verhalten, das von der Öffentlichkeit allgemein gebilligt wird. Vorliegend ist gemeint:
Die Öffentlichkeit billigt allgemein, daß Frauen hochhakkige Schuhe tragen, und sie billigt, daß Frauen Auto fahren, also billigt sie auch, daß Frauen mit hochhakkigen Schuhen Auto fahren, so daß sich folglich Frauen, die mit hochhhakkigen Schuhen Auto fahren, sozial adäquat verhalten.

Dass versucht wird, Vorurteile durch scheinbar sachliche Argumentation zu kaschieren, findet man freilich auch in anderen Bereichen unserer ach so aufgeklärten Gesellschaft.

Auch das ist leider wahr. In der Psychologie nennt man das "Rationalisierung".

Barfüßige Sommergrüße,
Markus U.


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