Genau das passiert, was Du immer prophezeit hast (Hobby? Barfuß! 2)

Oliver S., Wednesday, 25.04.2007, 15:23 (vor 6359 Tagen) @ Markus U.

Hallo,

Von einem Rechtsstaat muß man das auch unbedingt erwarten und sogar verlangen können.

Volle Zustimmung, nur wissen wir beide, dass die Realität eine andere ist. Im Hinblick auf die aberwitzige Arbeitsbelastung von Amtsrichtern ist das sogar zu einem gewissen Grad verständlich. Trotzdem habe ich persönlich z.B. Strafverteidigung aus Frustration darüber, was "Unschuldsvermutung" in der amtsgerichtlichen Wirklichkeit bedeutet, schon vor Jahren aufgegeben.

Ein nahezu zwingender Grund, sich eingehend mit der Angelegenheit zu befassen, war durchaus vorhanden: Es ging um die Rechtsfortbildung durch sog. Richterrecht. Daß es hierzu bis auf zwei alte, zu dem vorliegenden Falle (ganz abgesehen von der Binsenweisheit, daß jeder Rechtsfall ohnehin einzigartig ist) nicht passende Urteile aus dem Jahre 1957 (auf welche sich der ADAC in seiner kruden Stellungnahme berief) keine Entscheidungen gibt, zeigt sich schon daran, daß man im Stichwortregister bei Hentschel (für Nichtjuristen: ein bekannter Verkehrsrechtskommentar und gewissermaßen das "Standardwerk" der einschlägigen Kommentarliteratur) weder unter "barfuß" noch unter "Schuhwerk" fündig wird und die Kommentierung von § 23 StVO auch ansonsten nichts zu dem uns hier interessierenden Thema hergibt.

Was auch ein Beleg dafür sein kann, wie wenig Praxisrelevanz das Thema Barfuss-Autofahren tatsächlich hat und das Amtsgericht dazu hätte veranlassen können, das als Exotenfall abzutun ohne grundsätzlichen Klärungsbedarf.

Zunächst ist wohl zu erwarten, daß das Urteil in einer Fachzeitschrift (vermutlich NJW [Neue Juristische Wochenschrift], DAR [Deutsches Auto- Recht] oder MDR [Monatsschrift für Deutsches Recht]) veröffentlicht werden wird und von da aus als Fundstelle auch in die Kommentarliteratur eingehen wird. Das erleichtert zwar zunächst für den Fachmann die Rechtsfindung ungemein; zugleich ist aber zu befürchten, daß einflußreiche Herren sich der Meinung der mit dem vorliegenden Falle befaßten Gerichte, nämlich daß das Autofahren ohne Schuhe äußerst unverantwortlich sei und über die bloße Betriebsgefahr hinausgehende Gefährdungen hervorbringe, anschließen und ebenso wie die besagten Gerichte hier zusätzlichen Regelungsbedarf sehen, was auf eine entsprechende Gesetzesänderung (analog zu der Versicherungsvorschrift für Berufskraftfahrer) hinausläuft. Hier sehe ich genau die Gefahren, auf die schon Jay mit Recht hingewiesen hat, denn der Zeitgeist ist leider so, daß alles auf immer stärkere Kontrollen (im Namen einer übermäßig betonten und gepriesenen "Sicherheit") und damit einhergehende Entliberalisierung der Gesellschaft hinausläuft. Ich aber bin für Freiheit (nicht nur der Füße), und hinsichtlich der Sicherheit würde ich anders als die derzeit Regierenden den Focus lieber auf soziale Absicherung legen, welche leider sträflich vernachlässigt wird. Verkehrte Welt!

Jetzt lass mal die Kirche im Dorf :-)
Es werden wöchentlich Dutzende von Urteilen veröffentlicht, die Politik kann gar nicht auf alles reagieren. Und Interessen einflussreicher Lobby-Gruppen sind hier ja nicht berührt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Schuhhersteller durch ein solches Urteil ihren Umsatz ernsthaft in Gefahr sehen oder die Automobilindustrie hinsichtlich barfussfreundlicher Pedale Auflagen, die mindestens so "unzumutbar" wie die zur CO2-Reduktion sind (Ironiemodus Ende), auf sich zukommen sieht und auf eine Gesetzesänderung drängen werden. Dafür ist Barfusslaufen noch zu selten.

Regelungsbedarf geht im Zweifel zulasten der Freiheit.

Das ist aber auch eine zutiefst pessimistische Einstellung zum Rechtsstaat, der schließlich gerade kein Regulierungsstaat ist, die zu Deinem andererseits immer geäußerten Vertrauen in die Gerichte gar nicht passt...

Dieser Argumentation kann ich nicht allzu viel abgewinnen, weil ich in erster Linie für mich selbst barfuß laufe (also nicht, um andere damit zu erfreuen oder zu ärgern) und von Hause aus jedem Personenkult abhold bin. Die wirksamste Art, den "Prominenten" das Wasser abzugraben, ist betontes Desinteresse (egal, ob die betreffende Person barfuß ist).

Um für uns selber barfusslaufen zu können (und nicht z.B. von einer verknöcherten BSV oder auch regulierungswütigen Politikern daran gehindert werden zu können), ist m.E. erforderlich, dass Barfusslaufen positiv, zumindest aber nicht negativ wahrgenommen wird. Es geht um ein Image, nicht darum, dass es plötzlich alle machen sollen. Die OLG-Richter z.B. hätten vielleicht anders formuliert, wenn sie Barfüssigkeit nicht negativ verknüpft hätten. Da aber nunmal mit Barfuss kein Geld zu verdienen ist und deswegen keine Wirtschaftsbranche Image-Werbung für barfüssiges Leben betreiben wird, müssen zwangsläufig wir das tun. Und viele hier im Forum tun genau das, indem sie Homepages erstellen und pflegen, dieses Forum samt Best-Off und Pressespiegel administrieren, Barfussevents organisieren und in den Medien auftreten. Und barfüssige Promis sind nunmal kostenlose Werbeträger. Es geht nicht darum, wie Du zu Personenkult stehst, sondern wie die öffentliche Wahrnehmung ist. Und niemand verlangt von Dir, dass Du eine Shakira-CD kaufst oder ein Konzert von ihr besuchst, nur weil sie barfuss auftritt.

Mir liegen vielmehr die Menschen, mit denen ich persönlich zu tun habe und die in meinem Leben vorkommen, am Herzen.

Und das sind ja wohl auch inzwischen einige nette Bekannte aus dem Forum, die so wie Du einfach nur für sich Barfusslaufen wollen und von einem positiveren Image profitieren würden.

P.S.: Zum Teufel mit Schuhen und Sokken! Ich hasse sie!

Ich auch! Wird nur leider noch eine ganze Weile dauern, bis ich heute aus ihnen rauskomme :(

Liebe Grüße
Oliver S.


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