Genau das passiert, was Du immer prophezeit hast (Hobby? Barfuß! 2)
Hi Oliver S.!
Hallo Markus U.,
Deine Zusammenfassung des Urteils für Nichtjuristen ist hervorragend gelungen
Danke für das Lob Da die meisten Nutzer dieses Forums keine Juristen sind, war das wohl auch nötig.
Die Konsequenzen sehe ich aber positiver als Du wohl derzeit:
1. So wie Du es immer - auch als Antwort auf Postings von mir - prophezeit hast, hat hier ein OLG seine eigenen Vorstellungen zugunsten des geltenden Rechts hintangestellt.
Von einem Rechtsstaat muß man das auch unbedingt erwarten und sogar verlangen können.
Wie Du meinen bisherigen Postings entnehmen konntest, halte ich derartiges jedenfalls im "Bagatellbereich" (wo nach meiner Beobachtung in inzwischen 12 Jahren Berufserfahrung schnelle Verfahrenserledigung nach dem "Schweinehundprinzip" regelmäßig vor juristischer Sorgfalt geht) für längst nicht so selbstverständlich wie Du wohl, weshalb ich mich wirklich darüber freue. Den Weg hat bereits der Amtsrichter geebnet, der zwar verurteilt, aber immerhin die Rechtsbeschwerde zugelassen hat. Und das OLG hat sich dann zu einer intensiven Befassung mit der Sache aufgerafft und es nicht bei dem unseligen Standardsatz "Die Rechtsbeschwerde (wahlweise Revision) wird aus den zutreffenden Gründen des erstinstanzlichen Urteils verworfen", mit dem mindestens 9 von 10 Revisionsverfahren enden, belassen.
Ein nahezu zwingender Grund, sich eingehend mit der Angelegenheit zu befassen, war durchaus vorhanden: Es ging um die Rechtsfortbildung durch sog. Richterrecht. Daß es hierzu bis auf zwei alte, zu dem vorliegenden Falle (ganz abgesehen von der Binsenweisheit, daß jeder Rechtsfall ohnehin einzigartig ist) nicht passende Urteile aus dem Jahre 1957 (auf welche sich der ADAC in seiner kruden Stellungnahme berief) keine Entscheidungen gibt, zeigt sich schon daran, daß man im Stichwortregister bei Hentschel (für Nichtjuristen: ein bekannter Verkehrsrechtskommentar und gewissermaßen das "Standardwerk" der einschlägigen Kommentarliteratur) weder unter "barfuß" noch unter "Schuhwerk" fündig wird und die Kommentierung von § 23 StVO auch ansonsten nichts zu dem uns hier interessierenden Thema hergibt.
2. Immerhin gibt es nun ein aktuelles OLG-Urteil, das ausdrücklich feststellt, dass Barfuss-Autofahren - jedenfalls, wenn keine Belästigung oder Gefährdung anderer Verkehrsteilnhemr davon ausgeht (was denklogisch nicht möglich ist) und kein Berufskraftfahrer bei der Berufsausübung betroffen ist - nicht ordnungswidrig ist. Das kann jetzt bei etwaigen Einsprüchen gegen entsprechende Bußgeldbescheide zitiert werden, womit die Sache dann wirklich erledigt sein dürfte. Denn jetzt ist es einfacher für die Verwaltungsbehörden bzw. Bußgeldrichter, entsprechende Verfahren mit Verweis auf dieses OLG-Urteil einzustellen, als ausführlich begründen zu müssen, warum dieses Urteil falsch sein soll (was ja auch bei korrekter juristischer Methodik nicht möglich ist).
3. Die Gefahr, dass der Verordnungsgeber nun schnellstens die StVO nachbessert, sehe ich nicht. Hier würde entsprechender Handlungsdruck wohl nur entstehen, wenn entweder plötzlich sehr viele Autofahrer barfuss führen (was dann aber auch ein Verbot politisch schwieriger durchsetzbar machen würde) oder aber barfüssiges Autofahren als Ursache für diverse schwere Unfälle ausgemacht würde. Beides erscheint mir derzeit extrem unwahrscheinlich.
In dieser Hinsicht teile ich Deinen Optimismus nicht. Zunächst ist wohl zu erwarten, daß das Urteil in einer Fachzeitschrift (vermutlich NJW [Neue Juristische Wochenschrift], DAR [Deutsches Auto- Recht] oder MDR [Monatsschrift für Deutsches Recht]) veröffentlicht werden wird und von da aus als Fundstelle auch in die Kommentarliteratur eingehen wird. Das erleichtert zwar zunächst für den Fachmann die Rechtsfindung ungemein; zugleich ist aber zu befürchten, daß einflußreiche Herren sich der Meinung der mit dem vorliegenden Falle befaßten Gerichte, nämlich daß das Autofahren ohne Schuhe äußerst unverantwortlich sei und über die bloße Betriebsgefahr hinausgehende Gefährdungen hervorbringe, anschließen und ebenso wie die besagten Gerichte hier zusätzlichen Regelungsbedarf sehen, was auf eine entsprechende Gesetzesänderung (analog zu der Versicherungsvorschrift für Berufskraftfahrer) hinausläuft. Hier sehe ich genau die Gefahren, auf die schon Jay mit Recht hingewiesen hat, denn der Zeitgeist ist leider so, daß alles auf immer stärkere Kontrollen (im Namen einer übermäßig betonten und gepriesenen "Sicherheit") und damit einhergehende Entliberalisierung der Gesellschaft hinausläuft. Ich aber bin für Freiheit (nicht nur der Füße), und hinsichtlich der Sicherheit würde ich anders als die derzeit Regierenden den Focus lieber auf soziale Absicherung legen, welche leider sträflich vernachlässigt wird. Verkehrte Welt!
Barfüssiges Leben ist meines Erachtens derzeit einfach zu unbedeutend, als dass sich auf politischer Ebene irgendjemand damit beschäftigen würde - positiv oder negativ. Sobald sich das ändern würde, Barfuss sein in verschiedenen Lebensbereichen also ein ernsthaftes gesellschaftliches und kontrovers diskutiertes Thema wäre und echter Regelungsbedarf außerhalb von Hausordnungen gesehen würde, hätten wir im Grunde schon sehr viel erreicht (und mehr, als m.E. realistischerweise möglich ist).
Ich bezweifele sehr stark, daß das wünschenswert ist. Regelungsbedarf geht im Zweifel zulasten der Freiheit.
Wenn wir tatsächlich barfuss als positiven Lebensstil etablieren, aus der "Schmuddelecke" herauskommen und das Image von Sonderlingen loswerden wollen (weswegen auch das OLG Bamberg seine Auffassung, dass barfüssiges Autofahren gefährlich sei, ja nicht mit harten Fakten begründet, im Hintergrund der Argumentation steht mehr, dass Barfuss Igitigitt, verrückt und deswegen natürlich auch gefährlich ist, ohne dass man das empirisch untersuchen muss) dürfen wir uns auch Marketing in eigener Sache nicht so grundsätzlich verschließen wie hier unlängst in einem Thread (m.E. weit über die Auseinandersetzung mit der in der Tat völlig verfehlten Wortwahl und des zumindest mißverständlichen Anliegens des Initiators hinausgehend) geschehen. Und wir sollten uns über jeden barfüssigen Promi freuen, weil er (selbst dann, wenn er nach welchen Definitionen auch immer kein echter Barfüssler sein mag) durch einen solchen Auftritt Werbung fürs Barfusslaufen macht (dass er sicher in erster Linie Werbung für sich selbst machen will, sollte uns nicht stören, weil das uns in keiner Weise schadet, sondern nur nutzt).
Dieser Argumentation kann ich nicht allzu viel abgewinnen, weil ich in erster Linie für mich selbst barfuß laufe (also nicht, um andere damit zu erfreuen oder zu ärgern) und von Hause aus jedem Personenkult abhold bin. Die wirksamste Art, den "Prominenten" das Wasser abzugraben, ist betontes Desinteresse (egal, ob die betreffende Person barfuß ist). Mir liegen vielmehr die Menschen, mit denen ich persönlich zu tun habe und die in meinem Leben vorkommen, am Herzen.
Barfüßige Sommergrüße,
Markus U.
P.S.: Zum Teufel mit Schuhen und Sokken! Ich hasse sie!