Genau das passiert, was Du immer prophezeit hast (Hobby? Barfuß! 2)

Oliver S. @, Monday, 23.04.2007, 14:18 (vor 6361 Tagen) @ Markus U.

Hallo Markus U.,

Deine Zusammenfassung des Urteils für Nichtjuristen ist hervorragend gelungen :-)

Die Konsequenzen sehe ich aber positiver als Du wohl derzeit:

1. So wie Du es immer - auch als Antwort auf Postings von mir - prophezeit hast, hat hier ein OLG seine eigenen Vorstellungen zugunsten des geltenden Rechts hintangestellt. Wie Du meinen bisherigen Postings entnehmen konntest, halte ich derartiges jedenfalls im "Bagatellbereich" (wo nach meiner Beobachtung in inzwischen 12 Jahren Berufserfahrung schnelle Verfahrenserledigung nach dem "Schweinehundprinzip" regelmäßig vor juristischer Sorgfalt geht) für längst nicht so selbstverständlich wie Du wohl, weshalb ich mich wirklich darüber freue. Den Weg hat bereits der Amtsrichter geebnet, der zwar verurteilt, aber immerhin die Rechtsbeschwerde zugelassen hat. Und das OLG hat sich dann zu einer intensiven Befassung mit der Sache aufgerafft und es nicht bei dem unseligen Standardsatz "Die Rechtsbeschwerde (wahlweise Revision) wird aus den zutreffenden Gründen des erstinstanzlichen Urteils verworfen", mit dem mindestens 9 von 10 Revisionsverfahren enden, belassen.

2. Immerhin gibt es nun ein aktuelles OLG-Urteil, das ausdrücklich feststellt, dass Barfuss-Autofahren - jedenfalls, wenn keine Belästigung oder Gefährdung anderer Verkehrsteilnhemr davon ausgeht (was denklogisch nicht möglich ist) und kein Berufskraftfahrer bei der Berufsausübung betroffen ist - nicht ordnungswidrig ist. Das kann jetzt bei etwaigen Einsprüchen gegen entsprechende Bußgeldbescheide zitiert werden, womit die Sache dann wirklich erledigt sein dürfte. Denn jetzt ist es einfacher für die Verwaltungsbehörden bzw. Bußgeldrichter, entsprechende Verfahren mit Verweis auf dieses OLG-Urteil einzustellen, als ausführlich begründen zu müssen, warum dieses Urteil falsch sein soll (was ja auch bei korrekter juristischer Methodik nicht möglich ist).

3. Die Gefahr, dass der Verordnungsgeber nun schnellstens die StVO nachbessert, sehe ich nicht. Hier würde entsprechender Handlungsdruck wohl nur entstehen, wenn entweder plötzlich sehr viele Autofahrer barfuss führen (was dann aber auch ein Verbot politisch schwieriger durchsetzbar machen würde) oder aber barfüssiges Autofahren als Ursache für diverse schwere Unfälle ausgemacht würde. Beides erscheint mir derzeit extrem unwahrscheinlich.

Barfüssiges Leben ist meines Erachtens derzeit einfach zu unbedeutend, als dass sich auf politischer Ebene irgendjemand damit beschäftigen würde - positiv oder negativ. Sobald sich das ändern würde, Barfuss sein in verschiedenen Lebensbereichen also ein ernsthaftes gesellschaftliches und kontrovers diskutiertes Thema wäre und echter Regelungsbedarf außerhalb von Hausordnungen gesehen würde, hätten wir im Grunde schon sehr viel erreicht (und mehr, als m.E. realistischerweise möglich ist).

@Manfred: Ich denke allerdings, dass in der StVO nicht deshalb ein Barfuss-Verbot fehlt, weil der frühere Gesetzgeber der Meinung war, dass das ungefährlich ist, sondern nur deshalb, weil überhaupt niemand auf die Idee gekommen ist, dass jemand ohne Schuhe Auto fahren könnte. Wer sich früher ein Auto leisten konnte, konnte sich auch Schuhe leisten, und dass jemand, des sich Schuhe leisten kann, die freiwillig nicht trägt, dürfte in einer Gesellschaft, in der viele einfach aus wirtschaftlicher Not barfuss gehen, schlechthin unvorstellbar sein. Deshalb nehmen ja auch heute, wie hier gelegentlich berichtet, die Einheimischen z.B in fernöstlichen Ländern, wo zumindest die Landbevölkerung noch häufig barfuss geht, es mit blankem Unverständnis auf, wenn der reiche europäische Tourist das auch tut.

Wenn wir tatsächlich barfuss als positiven Lebensstil etablieren, aus der "Schmuddelecke" herauskommen und das Image von Sonderlingen loswerden wollen (weswegen auch das OLG Bamberg seine Auffassung, dass barfüssiges Autofahren gefährlich sei, ja nicht mit harten Fakten begründet, im Hintergrund der Argumentation steht mehr, dass Barfuss Igitigitt, verrückt und deswegen natürlich auch gefährlich ist, ohne dass man das empirisch untersuchen muss) dürfen wir uns auch Marketing in eigener Sache nicht so grundsätzlich verschließen wie hier unlängst in einem Thread (m.E. weit über die Auseinandersetzung mit der in der Tat völlig verfehlten Wortwahl und des zumindest mißverständlichen Anliegens des Initiators hinausgehend) geschehen. Und wir sollten uns über jeden barfüssigen Promi freuen, weil er (selbst dann, wenn er nach welchen Definitionen auch immer kein echter Barfüssler sein mag) durch einen solchen Auftritt Werbung fürs Barfusslaufen macht (dass er sicher in erster Linie Werbung für sich selbst machen will, sollte uns nicht stören, weil das uns in keiner Weise schadet, sondern nur nutzt).

Jetzt aber genug mit meinem "Rundumschlag" zu den Themen der letzten Wochen, geniessen wir lieber das schöne Barfusswetter (bei aller berechtigter Sorge über den Klimawandel, den wir durch Miesepetrigkeit und Selbstkasteiung aber sicher nicht aufhalten - Rundumschlag endgültig Ende :-)).

Liebe Grüße an alle
Oliver S.


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