Wo bleibt die Selbstverständlichkeit? (Hobby? Barfuß! 2)

Michael aus Zofingen, Stammposter, Tuesday, 21.11.2006, 15:26 (vor 6580 Tagen) @ Tiziana

Hallo Tiziana,
barfußlaufen und Toleranz sind zwei Paar Schuhe. Du hast recht, daß es nicht nur intolerante Schuhträger, sondern auch intolerante Barfüßer gibt. Und es gibt tolerante Barfüßer und tolerante Schuhträger. Wenn man selber barfuß läuft, kann man intolerante Reaktionen sofort erkennen. Aber keine intolerante Reaktion bedeutet noch lange nicht, daß der Mensch tolerant ist. Es gibt sicher auch Leute, die grundsätzlich Schuhe tragen und nichts gegen barfuß haben, jedoch bei Leuten mit anderer Hautfarbe oder anderer Religion extrem intolerant sind.

Der Restaurantbesitzer im Tessin, der, wie Du schriebst, keine Italiener in seinem Haus haben wollte, hätte vielleicht nichts gegen Barfüßer gehabt, aber das Schild, das in Deutschlands finsterster Zeit massenweise zu lesen war, wenn auch nicht gegen Italiener, sondern gegen Juden, spricht von Intoleranz sondergleichen. War das Schild "Italiener unerwünscht" auf italienisch? Oder auf deutsch? Dann war es vielleicht ein im Tessin hängengebliebener Deutschschweizer oder Deutscher, der das ganze "nur" als Scherz sah.
Was "Zeitverschwendung" ist und was nicht, ist auch rein SUBJEKTIV. Dieses Wort wird häufig dann ge- oder mißbraucht, wenn man die Tätigkeit eines anderen kritisiert. Für den einen Menschen wäre es "Zeitverschwendung", in eine Oper zu gehen, für den anderen der Besuch eines Fußballspiels. Ich habe nichts dagegen, wenn ein Fußballfan für Opern kein Interesse zeigt und deswegen nicht dorthin geht. Aber deswegen hat er noch lange nicht das Recht, einem Opernfan vorzuwerfen, er würde mit dem Opernbesuch Zeit verschwenden. Und das Umgekehrte gilt natürlich auch. Schließlich entsteht dem Fußballfan kein Schaden, wenn der Opernfan in die Oper geht, und umgekehrt.
Grundsätzlich hat keiner das Recht, über die Zeit eines anderen zu verfügen, soweit keine Gesetze mißachtet werden und abgeschlossenen Verträge eingehalten werden. Wenn also jemand barfuß läuft, und der Barfüßer diskutiert gerne mit anderen darüber, weil es etwa wie etwa für Descalzar "eine Bereicherung für's Leben" ist, dann ist es ok. Wenn man das barfuß Erlebte lieber "für sich behält", dann ist es auch gut. Und wenn man in dem "Gegenüber" einen unverbesserlichen Barfußhasser zu sehen glaubt, der es nicht wert ist, daß man für ihn Zeit aufwendet, dann ist es auch gut. Wenn jemand eine "süßsaures Gesicht" aufsetzt, wenn er als Barfüßer nicht belästigt werden will, dann ist es auch einzig und allein sein Entscheid. Kein Verständnis habe ich dagegen für Leute, die einen anderen, egal ob wegen barfuß oder sonstwas, gegen den Willen am Fortkommen hindern (solange ich nichts verbotenes getan habe), z.B. die Polizei rufen, die mich dann stundenlang schikaniert. Gegenüber solchen Spießern bin auch ich extrem intolerant.

Schöne Grüße

Michael aus Zofingen


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