Frag mal Lorenz (Hobby? Barfuß! 2)

Descalzar, Tuesday, 21.11.2006, 13:43 (vor 6515 Tagen) @ Alan Turing

Hi Alan,

Ich auch. Es war (und ist noch) eine Denkweise, die in meinem Elternhaus ganz, ganz weit oben angesiedelt ist. "Was mögen nur die Nachbarn denken?" - "Kind, überleg dir das gut, ob dir das nicht mal schadet..." usw., bis zum Erbrechen.
Und aus genau diesem Grund begebe ich mich nicht mehr in solche Anhängigkeiten (jedenfalls nicht da, wo ich ihnen entkommen kann).

Siehst Du ? Und daran arbeite ich auch. Doch was einaml in einem drinsteckt kann man nicht mit Gewalt wieder herausbekommen.
Meine Freundin, erzählte mir einmal, daß spanische Pferdezüchter gern ihren Junghengsten mit Schlägen ihren angeborenen Willen brechen, um sie schneller reitbar zu machen und sie dadurch besser und schneller verkaufen zu können.
Ähnlich sah ich meine Kindheit. Zwar nicht durch physische, sondern eher durch psychische Gewalt. Dadurch wurde ich praktisch zu einem Roboter, der seelenlos funktionierte. Durch das Barfußlaufen habe ich begonnen, mein eigenes ICH zu entdecken und bin jeden Tag aufs neue überrascht, was in mir schlummert. Manchmal macht es mir sogar Angst, in welcher Geschwindigkeit ich zu einem gänzlich anderen Menschen werde.
unter mir ist jetzt ein junges Paar eingezogen. Mit dem Onkel des Mannes war ich vor 20 Jahren in einer Clique. Wenn ich diesen Menschen jetzt wiedertreffe, würde er mich nicht wiedererkennen.

Wenn ich, um bei deinem Beispiel zu bleiben, in den SATURN gehe, um eine CD zu kaufen (was ich durchaus öfter tue, dann gehe ich dahhin, UM die CD zu kaufen. Das bestimmt mein Handeln und meine Gedanken - und nicht, wer wohl wie auf meine Füße guckt.

Ist bei mir auch so. In meiner Kleinstadt kennt man mich eben nur noch barfuß und das ist für die Leute inzwischen ziemlich "normal" geworden.

Mensch, Descalzar, hunderte von Leuten sind in dem Laden, alle haben Schuhe an. Und kein einziger von denen verfängt sich in dem Gedanken, was die anderen wohl über seine Schuhe denken könnten.

Das glaube ich nicht.Es gibt sicherlich unter den hunderten von Leuten Dutzende, die, wenn sie n bißchen schief angeschaut werden, denken "Hab ich irgendwo nen Fleck ? sitzt meine Frisur richtig ? usw,usw"

Wenn ich, wie gesagt, in die U-Bahn steige, dann schaue ich mir natürlich die anderen Leute an. Und da gibt es viel zu sehen und auch zu schmunzeln. Aber ich werde eben auch hier den Teufel tun und meine Gedanken nur darum kreisen lassen, was die denn wohl zu meinen nackten Füßen meinen - so sie sie denn bemerken.

So schätze dich glücklich.Denn ich und bestimmt auch viele hier in dem Forum denken anders. Und wie gesat, kann man nicht einfach einen Schalter umlegen und ie Gedanken sind weg. Dann könnten alle Psychiater gleich zum Oberkellner umschulen. (Was sowieso die meisten besser machen würden)

Du meinst offenbar, deine Beobachtung der "Gucker" und deren Interpretation sei eine Bereicherung deiner Erfahrung und somit wert, es zu notieren und anderen mitzugeben.

Ne, ne, ich betreibe doch kein Forschungsprojekt in dem ich die Hauptrolle spiele.

Für mich (!) wäre es einer Verarmung, weil eben diese Konzentration auf die Füße mich an anderem hindert.
Ich nehme am gesellschaftlichen Leben teil wie jeder andere auch - nur eben ohne Schuhe. Punkt.

Wenn alle in deinr glücklichen Lage wären, könnte man das Forum hier schließen.

Wie gesagt schreibe ich meine Erfahrungsberichte,um auch die Menschen hier im Forum ein wenig zu unterhalten. Denn, wenn dieses Forum keinen Unterhaltungswert mehr hat, sondern nur noch dazu dient, politische Meinungen zu äußern oder sich über anderen Kram aufzuregen, wird kaum noch jemand darauf zurückgreifen.
Das ist schön. Und es ist ja keineswegs so, daß es nichts zu erleben und zu berichten gibt, was einem als Barfüßer widerfährt.
Ich werde ja auch immer wieder mal angesprochen, und dann entziehe ich mich dem auch nicht. Da gibt es immer wieder berichtenswerte Erlebnisse - wie z.B. die Martinsumzüge mit den Kindern, für die ich durchaus ein kleines "Sensatiönchen" war - und ein Thema, mit dem sich dann die Eltern auseinandersetzen mußten. Damit wurde ich aber direkt konfrontiert und habe es hier berichtet.
Vor einem Vierteljahr hatte ich eine Operation am rechten Fuß, und letzte Woche noch mal. Auch dort was ich "die Sensation", und bei allen Ärzten und Schwestern gab es nur noch dieses Thema. Noch auf dem OP-Tisch fragte mich die Anästhesistin, ob sie sich mal meine Fußsohlen genauer betrachten dürfe, weil sie es sich so gar nicht vorstellen konnte.
Ja sicher, das sind dann durchaus bemerkenswerte (und merkenswerte) Situationen.

So empfindet jeder seine Sensationen als einzigartig.Auslegungssache.

Aber mein Einkauf beim Aldi, mein sonntäglicher Gottesdienstbesuch, meine Bahn- oder Busfahrt, mein Schaufensterbummel - mit Schuhen nie und nimmer erwähnenswert. Warum also barfuß?

Na dann ist das Erlebnis auf dem OP-Tischoder der Martinsumzug auch nicht erwähnenswert. Wieder ne Auslegungssache. Villeicht haben etliche hier im Forum eben dieses erlebt und fanden es nicht erwähnenswert. So ist jeder sein eigener Held.

Ich laufe barfuß für mich, weil es mir eine neue Sinnlichkeit eröffnet. Ich nehme die Welt anders wahr, wenn ich sie ständig spüre, was mir nur möglich ist, wenn ich kein Leder und keinen Gummi zwischen ihr und mir habe.
Und auch davon, Descalzar, kann man anderen berichten. Da gibt es unendlich viel, was dir und mir und anderen eröffnet wird, wovon Schuhträger nicht einen Hauch von Ahnung haben.
Frag mal Lorenz...

Siehst Du. Und für mich ist es normal durch Gras, Brennesseln,über Stock und Stein, durchs Watt, am Strand, auf Asphalt und Parkett zu laufen. Deshalb rede ich hier in diesem Forum nicht davon.
Und ohne Lorenz zu nahe treten zu wollen, muß ich sagen, daß ich mich schon als Kleinkind an die verschiedensten Untergründe gewöhnt habe und inzwischen barfuß über Stock und Stein laufe, ohne in einem Barfußpark oder im Kindergarten darauf hingewiesen worden zu sein.
Dadurch möchte ich jetzt nicht Lorenz kritisieren, sondern die Eltern, die ihre Kinder diesbezüglich verarmen lassen.
Es ist schade, daß manche Menschen immer Anleitungen für ihr tun brauchen.

Schöne Grüße,

descalzar


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