Frag mal Lorenz (Hobby? Barfuß! 2)

Alan Turing, Tuesday, 21.11.2006, 09:37 (vor 6581 Tagen) @ Descalzar

wenn ich meinen Erfahrungsbericht schreibe, dannnur, um anderen, die sich mit dem "Problem" "was denken andere von mir" am meisten auseinandersetzen, zu helfen.

Das ist fein

Ich bin ein Mensch, der schon immer sehr genau seine Umgebung beobachtet hat.

Das bin ich auch. Ich fahre gern U-Bahn. Da kann man unendlich viele Leute mit ihren Eigenheiten und Schrullen beobachten.
Ich wandere gern durch die Natur. Und ich lerne dabei täglich neue Dinge kennen - ja, ich trainiere das in letzter Zeit geradezu, weil ich es allzu lange vernachlässigt habe.

Ich wurde mit dem Spruch "was sollen andere von Dir denken" erzogen.

Ich auch. Es war (und ist noch) eine Denkweise, die in meinem Elternhaus ganz, ganz weit oben angesiedelt ist. "Was mögen nur die Nachbarn denken?" - "Kind, überleg dir das gut, ob dir das nicht mal schadet..." usw., bis zum Erbrechen.
Und aus genau diesem Grund begebe ich mich nicht mehr in solche Anhängigkeiten (jedenfalls nicht da, wo ich ihnen entkommen kann).

Wenn ich, um bei deinem Beispiel zu bleiben, in den SATURN gehe, um eine CD zu kaufen (was ich durchaus öfter tue, dann gehe ich dahhin, UM die CD zu kaufen. Das bestimmt mein Handeln und meine Gedanken - und nicht, wer wohl wie auf meine Füße guckt.
Mensch, Descalzar, hunderte von Leuten sind in dem Laden, alle haben Schuhe an. Und kein einziger von denen verfängt sich in dem Gedanken, was die anderen wohl über seine Schuhe denken könnten.
Und genau so bewege ich mich dort. Nur eben ohne Schuhe.
Auch unter den beschuhten gibt es Menschen wie dich und mich, die ihre Umwelt genau beobachten. Aber sie werden den Teufel tun und dies auf ihre Füße konzentrieren. Warum also sollte ausgerechnet ich das tun?

Wenn ich, wie gesagt, in die U-Bahn steige, dann schaue ich mir natürlich die anderen Leute an. Und da gibt es viel zu sehen und auch zu schmunzeln. Aber ich werde eben auch hier den Teufel tun und meine Gedanken nur darum kreisen lassen, was die denn wohl zu meinen nackten Füßen meinen - so sie sie denn bemerken.

Du meinst offenbar, deine Beobachtung der "Gucker" und deren Interpretation sei eine Bereicherung deiner Erfahrung und somit wert, es zu notieren und anderen mitzugeben.
Für mich (!) wäre es einer Verarmung, weil eben diese Konzentration auf die Füße mich an anderem hindert.
Ich nehme am gesellschaftlichen Leben teil wie jeder andere auch - nur eben ohne Schuhe. Punkt.

Wie gesagt schreibe ich meine Erfahrungsberichte,um auch die Menschen hier im Forum ein wenig zu unterhalten. Denn, wenn dieses Forum keinen Unterhaltungswert mehr hat, sondern nur noch dazu dient, politische Meinungen zu äußern oder sich über anderen Kram aufzuregen, wird kaum noch jemand darauf zurückgreifen.

Das ist schön. Und es ist ja keineswegs so, daß es nichts zu erleben und zu berichten gibt, was einem als Barfüßer widerfährt.
Ich werde ja auch immer wieder mal angesprochen, und dann entziehe ich mich dem auch nicht. Da gibt es immer wieder berichtenswerte Erlebnisse - wie z.B. die Martinsumzüge mit den Kindern, für die ich durchaus ein kleines "Sensatiönchen" war - und ein Thema, mit dem sich dann die Eltern auseinandersetzen mußten. Damit wurde ich aber direkt konfrontiert und habe es hier berichtet.

Vor einem Vierteljahr hatte ich eine Operation am rechten Fuß, und letzte Woche noch mal. Auch dort was ich "die Sensation", und bei allen Ärzten und Schwestern gab es nur noch dieses Thema. Noch auf dem OP-Tisch fragte mich die Anästhesistin, ob sie sich mal meine Fußsohlen genauer betrachten dürfe, weil sie es sich so gar nicht vorstellen konnte.
Ja sicher, das sind dann durchaus bemerkenswerte (und merkenswerte) Situationen.
Aber mein Einkauf beim Aldi, mein sonntäglicher Gottesdienstbesuch, meine Bahn- oder Busfahrt, mein Schaufensterbummel - mit Schuhen nie und nimmer erwähnenswert. Warum also barfuß?

Das, was ich für meine Person nicht nachvollziehen kann, ist eben, daß einen die "Besonderheit" des Barfußlaufens buchstäblich auf Schritt und Tritt begleitet und zum eigenen Thema wird.
Ich laufe doch nicht (wie ich bei manchen hier den Eindruck habe) für die anderen Leute barfuß, um für sie den Narren zu spielen und mich an ihrem "blöden Glotzen" (Zitat) zu ergötzen.
Ich laufe barfuß für mich, weil es mir eine neue Sinnlichkeit eröffnet. Ich nehme die Welt anders wahr, wenn ich sie ständig spüre, was mir nur möglich ist, wenn ich kein Leder und keinen Gummi zwischen ihr und mir habe.
Und auch davon, Descalzar, kann man anderen berichten. Da gibt es unendlich viel, was dir und mir und anderen eröffnet wird, wovon Schuhträger nicht einen Hauch von Ahnung haben.

Frag mal Lorenz...

Mit freundlichen Füßen

Alan


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