Anspannung und Dehnung (Hobby? Barfuß! 2)

Michael K. (BO), Stammposter, Tuesday, 27.03.2007, 16:37 (vor 6453 Tagen) @ bix

Mir fehlt hier auch: Humor, Lockerheit, Witz und Spritzigkeit. Ich hab dauernd das Gefühl, wenn ich nicht dauernd dazuschreibe "meine persönliche Meinung" oder zahlose Smilies setze, dann begehe ich nen schweren Fehler...

Das geht mir überhaupt im Leben ständig so. Früher bin ich daran zutiefst verzeifelt, inzwischen tröste ich mich mit der Einsicht, dass Ernsthaftigkeit bloß eine Spielart von Humor darstellt, also einen großen und zeitlich begrenzten kosmischen Scherz. Und liefere meine lockeren Sprüche im Zweifelsfall "deadpan" ab, also ohne eine Miene zu verziehen. Wer will, kann lachen, wer nicht, kann es ignorieren.

Darüber hinaus möchte ich es lernen, mögliche unwirsche Reaktionen nicht auf meine Person zu beziehen. Darum geht es: Die Furcht vor unlockeren Reaktionen der anderen zu verlieren. Selbst wenn sie einem Haus und das letzte Hemd nehmen können. Oder das Leben.

Aber der Aufruf zur Lockerheit verhallt leider immer wieder im Nirgendwo...

Ein Aufruf zu Lockerheit hat auch etwas davon, nicht an den rosa Elefanten oder die Gelbheit der Bananen zu denken, wenn man dazu aufgefordert wird. Für mich stellt Lockerheit das Gegenteil von Anspannung dar, und nur Anspannung lässt sich bewusst und rasch herbeiführen.

Der Zusammenhang zwischen Anspannung und Dehnung lässt sich etwa bei wirbellosen Tieren gut beobachten: Eine Schnecke zieht sich fix in sich zusammen, wenn man sie berührt und sie auf diese Weise einem möglicherwiese bedrohlichen Reiz aussetzt. Dann dehnt sie sich laaaangsam und vorsichtig wieder aus.

Als Wirbeltiere können wir uns nicht ebenso zusammenziehen, aber wir können die Muskeln anspannen, den Rücken verkrümmen, die Zähne zusammenbeißen, uns in Schuhen, hinter Mauern, Regeln, Computern und Waffen verstecken. Dieses Zusammenziehmuster erkenne ich überall im Alltag wieder, und bezweifle deshalb, dass sich die TeilnehmerInnen dieses Forums als Ganzes aus ihrem Alltag und so von der Gesellschaft abkoppeln können. Körper und Seele lassen sich nicht trennen, und eine seelisch hoch belastende Kultur findet ihren Weg selbstverständlich in die Körper hinein.

Wenn Du oder Descalzar aufgrund der Lebensumstände und des Charakters hier und jetzt mit Freuden leben könnt, empfinde ich das als vorbildlich und echte Inspiration, aber nicht per Appell auf alle hier zu übertragen. Sicher ließe sich eine Kultur der Lockerheit bewusst gestalten, aber nicht virtuell, nicht, ohne dass man sich auch körperlich verändert. Sonst erreicht man bloß eine weitere opportunistische Rückgratverkrümmung, bis man am Ende als Schlange über dem Boden kriecht und Äpfel verkauft.

Viele Grüße,
Michael


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