Jedes Ding hat (mindestens) zwei Seiten (Hobby? Barfuß! 2)

Michael aus Zofingen @, Stammposter, Wednesday, 28.09.2005, 08:00 (vor 6935 Tagen) @ Markus U.

Hallo Markus,

Du läufst ja schon seit etlichen Jahren barfuß, und soweit ich richtig orientiert bin, wohnt Deine Schwester nicht hunderte von Kilometern von Dir entfernt. Daher überrascht mich, daß Du ihr erst jetzt zufällig einmal barfuß begegnetest.

Wie ich in diesem Forum mitbekommen habe, sind meistens Familienangehörige diejenigen, sie am meisten Probleme damit haben, wenn es barfuß unterwegs ist. Überrascht das?

Wildfremde Menschen, zu denen man keinerlei Beziehungen hat, weder als Verwandter, als Arbeitskollege, Kunde usw. können einen meiden, ohne daß es stört.

Und bei Verwandten? Da muß man unterscheiden: Ist man von denen abhängig? Eltern fühlen sich in der Familienhierarchie höher als ihre Kinder. Anfangs sind die Kinder wirklich von den Eltern abhängig, bis zum 18. Lebensjahr sogar per Gesetz. Und danach? Wohnt man als Student noch bei den Eltern und zwar mietfrei oder bei zumindest reduzierter Miete? Und wenn man außerhalb studiert: Bekommt man noch einen Scheck von den Eltern? Wäscht die Mutter nicht ab und zu die dreckige Wäsche? Irgendwie haben die Eltern doch was für die Kinder getan, und in irgendeiner Form ist man auch moralisch verpflichtet, den Eltern zu helfen, wenn sie im Alter nicht mehr weiterkommen, in welcher Form auch immer. Man kann an dieser Stelle nicht pauschal sagen, inwieweit man sich bezüglich Barfußlaufen an die Eltern anpassen muß. Das muß jeder selber entscheiden. Ich würde keinen als "Muttersöhnchen" beschimpfen, nur weil er bei gemeinsamen Unternehmungen mit den Eltern ausnahmsweise Schuhe trägt (egal ob unter Zwang oder aus Angst, was die Leute darüber denken). Ich würde aber auch niemandem einen Vorwurf machen, wenn er auf seine Barfüßigkeit besteht und es zum Bruch in der Familie. Solange man selber nicht die Verhältnisse in der anderen Familie kennt, sollte man sich raushalten.

Bei Geschwistern sieht es meist anders aus. In den seltensten Fällen (jedoch nicht immer) ist man von denen nicht finanziell abhängig, andererseits fühlt man sich auch nicht für die verantwortlich. Bei denen ist es also egal, was die von einem denken, wenn man barfuß läuft. Was anderes ist es, wenn man von Geschwistern Geld geliehen hat und die Gefahr besteht, daß das Geld vorzeitig zurückgefordert wird (oder in Zukunft man nichts mehr leihen kann). Oder wenn man den Geschwistern selber Geld gegeben hat, wird die Gefahr größer, daß sie irgendwelche Ausreden erfinden, warum sie das Geld nicht mehr zurückbezahlen können, wenn man barfuß läuft. Aufgrund der wenigen Angaben, die Du über Deine Schwester gemacht hast, gehe ich davon aus, daß sie dazu neigt, das Geld mit vollen Händen auszugeben und deshalb für Dich keines mehr übrig hätte, wenn Du es benötigst. Andererseits glaube ich aber auch nicht, daß Du das Geld, was Du wegen Barfußlaufen an Schuhen und Socken eingespart hast, leihweise an Deine Schwester gegeben hast. Ich habe keine Schwester, sondern nur einen Bruder, zu dem ich aber kaum noch Kontakt habe, aber nicht wegen barfuß. Wir sind einfach auseinander gegangen, ohne Streit, ohne alles. Hat sich einfach so ergeben.

In anderen Beiträgen fiel das Wort "peinlich" öfters. Eigentlich darf ja nur das peinlich sein, wenn man dabei erwischt wird, was verboten ist. Aber in der Praxis kann ALLES peinlich sein. Barfußlaufen ist zweifellos nicht verboten, wieso ist es denn anderen peinlich? Bricht DENEN denn ein Zacken aus der Krone? Doch höchstens dann, wenn sie selber keine weiße Weste haben oder ein schlechtes Gewissen. Oder wenn sie ihrerseits von Leuten abhängig sind, für die letzteres gilt. Ein Motorradfahrer, der über 0,5 Promille hat, hätte "gute" Gründe sich zu weigern, einen Barfüßer auf dem Sozius mitzunehmen. Durch die Barfüßigkeit des Beifahrers fällt man der Polizei mehr auf, die Wahrscheinlichkeit, daß der Fahrer (auch wenn er Schuhe trägt) ins Röhrchen pusten muß, wird größer, und schon ist der Lappen weg. Einem nüchternen Motorradfahrer bräuchte es nicht peinlich sein, ihn könnte man nämlich nicht belangen. (Ich würde es allerdings verstehen, wenn ein Motorradfahrer aus Sicherheitsgründen nur beschuhte Beifahrer mitnimmt, barfuß auf dem Motorrad ist auch als Beifahrer nicht ganz ungefährlich).

Manchmal können aber auch Leute, die nichts gegen Barfußlaufen haben, in peinliche Situationen geraten, etwa dann, wenn ein Mensch mit einem Vorgesetzten oder Kunden geschäftlich unterwegs ist. Wenn dann zufällig ein barfüßiger Bekannter des Menschen der Gruppe begegnet und einfach nur "Guten Tag" sagt, kann dieses dazu führen, daß ein Geschäft nicht zustande kommt oder eine Gehaltserhöhung ausbleibt. Oder zumindest glaubt man daß die barfüßige Begegnung der Grund war, beweisen kann man es nicht.

Ein "echter Spießer" zeichnet sich wohl dadurch aus, daß ihm ALLES peinlich ist, speziell auf Fotografien fürs Familienalbum: Die Familie in bestem Zeug im eigenen Garten: Und wehe, man sieht darauf den barfüßigen Nachbarn, zu allem Übel auch noch in kurzen Hosen, beim Rasenmähen! Oder das Unkraut im eigenen oder Nachbars Garten! Oder irgendwo abblätternde Farbe. Oder die schiefsitzende Krawatte des Schwiegersohnes.
Foto einer Hochzeitsgesellschaft vor dem Portal der Kirche. Aber wieso sieht man auf dem Foto auch einen Barfüßer mit Hund? Oder den Penner am Eingang? Oder die Straßenbahn im Hintergrund? Diese "Schönheitsfehler" bleiben für alle Ewigkeit auf Celluloid gebannt.

PEINLICH! OBERPEINLICH! MEGAPEINLICH!

Vielleicht erleben wir es ja auch noch, daß der Schuh eine ähnliche "Karriere" macht wie bisher der Hut. Früher war es ja auch peinlich, wenn man sich ohne Hut in die Öffentlichkeit wagte. Und heute? Zumindest als Autofahrer wird man mit Hut verspottet.

Mit nichtspöttischen Grüßen

Michael aus Zofingen


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