Begegnung mit meiner Schwester (Hobby? Barfuß! 2)
Hi Anarchius!
Hallo Markus,
Ich hatte als Kind ein sehr konservatives Umfeld, wo genau darauf geachtet wurde, "was die Leute sagen". Da kam mir aber schon zeitig die Galle hoch und ich habe mich dem sehr schnell (schon im Kindergarten) entgegen gestellt, was mich im Laufe der vielen folgenden Jahre einige Sympathien gekostet hat. Ich hätte mich auch anpassen können, dann hätte ich jetzt zwar jede Menge "Freunde", aber ich wäre nicht mehr "ich". Im nachhinein finde ich mein Verhalten völlig richtig. Als Naturwissenschaftler, wenn auch jetzt in anderer beruflicher Aktivität, sehe ich das menschliche Verhalten sehr nüchtern. In den Industrienationen eine nicht mehr das eigene Verhalten reflektierende Masse mit dem Streben nach immer mehr Wachstum = Anpassung, Reichtum und Bequemlichkeit. Ich mag mich dem nicht einordnen, das Leben hätte für mich dann keine Qualität mehr. Lieber entwickle ich eigene Interessen, probiere einfach aus und bin so ENDLICH... auch beim Barfußlaufen gelandet. Und ich weiss: Das bleibt! Es freut mich immer sehr, wenn ich durch den Verzicht auf Etwas, positiven Nutzen ziehen kann, aber es sollte schon im Einklang mit der Natur sein. Zum Beispiel auch der Verzicht auf den Fernseher und schon füllt sich das Bücherregal. Deine Schwester wird sicher sehr viel mehr darauf achten, "nicht aus der Rolle zu fallen", sonst hätte sie so nicht reagiert. Eigentlich sollte man mit geschickter Argumentation Leute überzeugen können. Ich weiß leider aus eigener Erfahrung, daß das eine sehr unrealistische Einschätzung ist.
Da haben wir ja beide eine ähnliche Entwicklung mitgemacht, denn auch ich hatte als Kind ein sehr konservatives Umfeld (meine Eltern sowie meine Schwester sind immer noch sehr konservativ), dessen Ansichten ich schon als Kind kritisch hinterfragt habe, und bis heute bin ich Autoritäten gegenüber sehr skeptisch: wenn ich sie aus echter Überzeugung anerkennen kann (was bei religiösen Autoritäten, freilich nur solchen meiner eigenen Religion, der Fall ist), kann ich ihnen bedingungslos folgen, weil ich sie als glaubwürdig befunden habe und ihnen daher vertraue, während ich alle anderen sehr skeptisch hinterfrage, weil ich da meist Machtstreben und Beherrschungstendenzen, welche mir widerstreben, spüre.
Daß ich nicht mehr "ich selbst" wäre, wenn ich mich einfach den (oft unausgesprochenen, aber gleichwohl deutlich spürbaren) Erwartungen meiner Mitmenschen anpaßte, habe ich auch immer so empfunden, denn was macht das eigene Selbst aus, wenn nicht die Unterscheidung? Zum Barfußlaufen bin ich freilich nicht deswegen gekommen, denn ich weiß ja oder konnte mir zumindest denken, daß dies kein "Alleinstellungsmerkmal" ist (so gibt es etwa Heiligenviten, in denen erwähnt wird, daß der betreffende Heilige stets barfuß lief, wie z. B. in der ersten Hälfte des 20. Jh. der hl. Johannes von Shanghai). Ich laufe vielmehr deshalb barfuß, weil ich es seit jeher als sehr angenehm empfinde und dank des Forums auch weiß, daß ich damit keinem abartigen Gelüsten fröne (so ganz ohne jede Rükkendekkung komme ich eben doch nicht aus). Wie Du bin auch ich dafür, der Natur nach Möglichkeit ihren Lauf zu lassen. Mein Bücherregal füllt sich freilich auch, obwohl ich einen Fernseher besitze (ich schaue mir nur Nachrichtensendungen, Auslandsreportagen oder solche über soziale Themen, politische Sendungen sowie eine ganz bestimmte Endlosserie an). Für eine gute Argumentation bin ich immer offen, habe aber wie Du zuhauf die Erfahrung gemacht, daß das bein den meiste Zeitgenossen leider nicht der Fall ist und nur relativ wenige Menschen bereit sind, ihr eigenes Weltbild zu hinterfragen.
Krankenschwestern sensu stricto..., kenne ich persönlich keine, hatte aber einmalig einige Tage mit zweien oberflächlich zu tun. Erster Tag OP im Krankenhaus, am zweiten Tag rupft mir der Stationsarzt den Verband runter, damit Luft dran kommt und die Wunde schneller heilt. Ich lag dann also vier Tage in meinem Einzimmer-Luxusdomizil, ohne Klamotten, weitestgehend ohne Kontakt zur Außenwelt und die Schwestern kamen mehrfach mit der Frage "Wollen Sie sich nicht was anziehen? Sollen wir Ihnen was von uns geben?" Ich hatte kein Interesse zu diskutieren, da der Ausgang der OP durchaus über Leben und Tod hätte entscheiden können und ich mich erstmal wieder psychisch festigen wollte. Ich hatte den Eindruck, sie waren froh, als ich weg war, obwohl ich als Patient völlig pflegeleicht war, immer freundlich, brav alles aufgegessen habe und keinerlei Wünsche hatte. Ich bin dann, noch beschuht, im Schneematsch zu meinem Auto gehumpelt, nach Hause gefahren und fühle mich mittlerweile fitter denn je. Mit meiner Partnerin geht das zum Glück alles sehr gut klar. Da ist zwar ab und zu eine gewisse Aufregung, wenn ich wieder etwas Neues in unser Leben einbringe, aber das wird dann schnell zur positiv gelebten Normalität, wenn die Idee gut war.
Viele Grüße,
A.
Liest sich ja so, als wärest Du während deines gesamten Krankenhausaufenthaltes aus Überzeugung durchgängig nackt gewesen...
Nun würde mich noch interessieren, wo und wie Du lebst und wie alt Du bist.
Barfüßige Spätsommergrüße,
Markus U.