Gruppenzwang (Hobby? Barfuß! 2)
Da fällt mir eine Geschichte aus Saint-Exupérys Buch "Der Kleine Prinz" ein: Ein türkischer Astronom hatte einen Asteroiden entdeckt und darüber auf einem Kongress berichtet, aber die anderen Astronomen nahmen ihn und seine Entdeckung nicht ernst, weil er traditionelle türkische Tracht trug. Erst als er dieselben Erkenntnisse ein paar Jahre später erneut in europäischer Kleidung präsentierte, glaubte man ihm.
Kleidung ist ein bedeutendes soziales Signal. Menschen taxieren sich gegenseitig aufgrund ihrer Kleidung: Was ist das für einer? Ist er höherrangig oder niederrangig? Freund oder Feind? In unserem Kulturkreis gehören Schuhe zwingend dazu, damit man "richtig, vollständig" angezogen ist. Das ist eine willkürliche, ungeschriebene Regel. In der Freizeit "darf" man schon mal ohne Schuhe gehen, aber je offizieller der Anlass, desto zwingender werden Schuhe erwartet. Will man von den anderen voll akzeptiert und für voll genommen werden, muss man Schuhe tragen. Tut man es nicht, gilt man (mehr oder weniger) als "out", als "komisch", als Außenseiter oder als "Verrückter".
Bis Mitte des letzten Jahrhunderts galt auch die ungeschriebene Regel, dass ein Mann nicht ohne Hut auf die Straße geht. Tat ein Mann es trotzdem, fragten die anderen sich oder ihn, ob er noch ganz richtig im Kopf sei.
Nicht nur für Schuhe, sondern fürs gesamte Outfit gilt: Um akzeptiert zu werden, muss man sein Outfit dem Outfit der Anderen weitgehend anpassen. Kleine Abweichungen werden toleriert und als persönliche Note sogar geschätzt. Auch ein Barfußläufer wird in der Regel von den meisten Leuten leidlich akzeptiert - vorausgesetzt, dass sein restliches Outfit einigermaßen "stimmt".