ekelhaft / Positiv denken und handeln (Hobby? Barfuß! 2)

beate, Sunday, 22.07.2001, 16:00 (vor 8464 Tagen) @ Rainer (BTreff)

Hallo,
Ihr Beitrag ist für mich (Dipl.Pädagoge) hochinteressant und in diesem Forum ein absolutes Novum. Grund: er wirft einmal ein Schlaglicht auf das "Hobby Barfuß" aus Sicht einer Mutter.
Dass Sie so offen hier Ihre Meinung und Sorge mitteilen, kann ich nur begrüßen. Das verdient eine angemessene Antwort.
Zunächst eines:
Ihre Tochter ist 17 Jahre. Sie hat die Pubertät damit praktisch "abgeschlossen" und beginnt, biologisch, psychisch und als "Staatsbürger" über sich und ihren Körper selbst zu entscheiden. Es gibt andere Jugendliche, die sich so z.B. im Sport, Hobby, Politik, Verein usw. emanzipieren. Es gibt aber - und nicht gerade wenige - Jugendliche, die ihr Bedürfnis nach Selbstbestimmung durch Drogen, Alkoholkonsum, Prostitution, Gewalt und "Herumhägen" zum Ausdruck bringen. Dass dies ein großes Problem ist, zeigt sich nicht nur bei einem Blick in die Zeitungen, sondern auch bei einem Rundgang durch jede deutsche Stadt. Ganz ohne Ironie wären Sie eigentlich zu beglückwünschen, eine Tochter zu haben, die ihr "Selbstbestimmungs-Potential" "nur" durch Barfußlaufen umsetzt.
Zu Ihren Einwänden:
Zitat: "Ständig werde ich von irgendwelchen Leuten (Lehrer, Nachbarn, Bekannte) angesprochen, ob ich das nicht ekelhaft finde, ob ich da nicht eingreifen müßte..."
Nachdem Sie selbst als Jugendliche Barfußlaufen in der armen Nachkriegszeit als "Strafe" empfunden haben, scheinen mir die Bedenken Ihrer Umgebung nur Spiegelbild ihrer eigenen Jugenderfahrung zu sein. Der Pessimist neigt dazu, aus seiner Umgebung immer das heraus zu hören, das ihn bestätigt. Nehmen wir die Sache aus Sicht der Tochter: sie hat nicht nur den Mut zu einem Alltag mit nackten Füßen. Sie gibt auch nach außen zu erkennen, dass sie es wie ein "Fakir" beherrscht, trotz einer Blöße offenbar unbeirrt durchs Leben zu gehen. Die Umgebung reagiert wie auf einen Fakir im Zirkus: Staunen, Speksis, ein gewisses Schaudern, und dennoch Neid, dass der Fakir über eine atemberaubende Fähigkeit verfügt, die uns abhanden kam.
Besinnen Sie sich auf das Wesentliche:
Mit dem 17. Lebensjahr Ihrer Tochter geht die Zeit der Kinderaufzucht zuende. Sie sind am Ende eines gemeinsamen Weges, an dem weit größere Gefahren drohen als die Barfüßigkeit Ihrer Tochter. Seien Sie für die Tochter die ruhende Eiche im Sturm des Lebens. Lassen Sie nicht zu, dass diese letzte gemeinsame Zeit durch diesen Konflikt bestimmt wird. Wenn schon die Tochter - Ihrer Meinung nach - nicht ablassen will von ihrem "Hobby", so seien Sie diejenige, für die Blut dicker als Wasser ist.
Zitat: "Die Schulleitung tut nichts dagegen, und beruft sich darauf, daß ... nur die Regeln allgemeiner Sittlichkeit bewahrt werden müßten...."
Sie schreiben nichts, überhaupt nichts über den Charakter Ihrer Tochter. Ist sie hübsch, gutmütig, sportlich, voller Energie ("kein Weichei")...? Ist Ihre Tochter gut in der Schule? Wie stehen die Freunde zu dem "Hobby"? ...
Hat sich Ihr Blickwinkel auf das "Geschehen" unterhalb der Hosenbeine reduziert? Ihre Tochter versteht es indessen, den Spaß am Körper auszuleben und obendrein ihre Umgebung auf die Probe zu stellen mit der Frage: Worauf kommt es an, auf die Füße oder den Menschen, zu dem sie gehören?
"Erst die Maus, und dann die Mäuseordnung. Erst der Mensch, und dann die Menschenordnung. - (Karl Zuckmayer aus: Der Hauptmann von Köpenick). - Hut ab vor der Schulleitung: übersetzt sagt sie das Gleiche wie Zuckmayer!
Es mag sein, dass Ihre Tochter ihr "Hobby Barfuß" sehr extrem betreibt. Bald kommt der Berufsweg und sie wird sehen, wann es sinnvoll ist, ihr "Hobby" zu den Belangen der Grundexistenz in sinnvollen Bezug zu setzen. Diskutieren Sie doch gemeinsam hier im Forum.
Zum Beispiel über die Frage, inwieweit das "Hobby Barfuß" nützlich für Persönlichkeit und berufliche Zukunft sein kann. Das wäre überhaupt mal ein tolles Thema für dieses Forum.
Für heute alles Gute,
Ihr / Eucher Rainer (btreff)

Sehr geehrter Herr Diplom-Pädagoge!

Daß es viel Schlimmeres als Barfußlaufen gibt, das bezweifle ich nicht. Aber ob eine junge Frau drogenabhängig oder kriminell wird (was meine Tochter Gott sei dank nicht ist!) oder andererseits barfuß läuft - das sind doch Dinge, die nichts miteinander zu tun haben.
Auch daß Barfußlaufen sich mit den"Belangen der Grundexistenz" in Verbindung setzen läßt, wage ich (Hausfrau ohne Pädagogikstudium) zu bezweifeln. Wird meine Tochter durch ihr "Fakir-Sein" denn auf die Dauer etwas anderes ernten als Lächerlichkeit?
Abgesehen von ihrer Marote ist mit meiner Tochter soweit ich (wieder ohne Pädogikstudium) sehe, alles in Ordnung. Von einem Hobby kann man m.E. aber nicht mehr sprechen, da man das ja nur in der Freizeit betreiebn würde. Meine Frage bleibt: Was spräche gegen Barfußlaufen bei allen passenden Gelegenheiten (Wohnung, Garten, Schwimmbad) und Sandalen auf öffentlichen Straßen? Wäre das der Selbstfindung so sehr abträglich?


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