Kommunale BF-Verbote: Leichter verhängbar als man glaubt (Hobby? Barfuß! 2)

Jay, Stammposter, Friday, 02.02.2007, 03:22 (vor 6507 Tagen) @ Puma

Hi Michael, hi Puma, hi allgemein,
vor allem M. a. Z.´s Replik war sozusagen Gedankenübertragung. Mit

Hoffentlich leitet niemand den Link über das Barfußverbot in Monaco an die Zofinger Polizei (oder die Stadtverwaltung) weiter. Diese könnten auf dumme Gedanken kommen und ein Barfußverbot im gesamten Stadtgebiet verhängen. Wie hoch mögen wohl die Bußen sein?

sollte allen hiesigen Usern bewußt werden, wie dünn der Firnis von Bürgerrechten & Freiheiten in Wirklichkeit ist, auf dem wir barfüßig wandeln. An meinem Wohnsitz Freising ist nach der Verkehrs-zu-Tode-Beruhigung der Innenstadt mit Ausgestaltung a 'la Schickimicki ca. um 1985 folgendes passiert (sorry, off-topic, aber zur Verdeutlichung der Problematik in Zusammenhang mit Barfuß unerläßlich):
Eine "Satzung" sollte erlassen werden (dieses phonetisch clever abgewandelte Tarnwort soll verschleiern, was es ist: ein Gesetz), nach der u. a.
xdas Betreten des Innenstadtbereiches (genau spezifiziert duch abgrenzende Sraßennamen) mit offenen Bierdosen (-flaschen wurden nicht erwähnt), aus denen getrunken wird, untersagt ist; ferner
xfällt eine Eiswaffel auf das noble Pflaster herunter, hat der "Betroffene" die Spuren aus eigener Initiative angemessen zu beseitigen oder beseitigen zu lassen. (Erläuterung: Die "Freisinger" haben eine Eigenart, nämlich sommers immensen Speiseeiskonsum. Die Riesen-Diele "GARDA" im Zentrum war eine Institution, auch heute gibt es ungewöhnlich viele Klein-"Kioske").
Die städtischen Falschpark-Ahndungs-Hilfssheriffs sollten mit der Erfassung von Verstößen gegen diese Satzung beauftragt sein. Selbstverständlich sollten alle Fälle als Ordnungswidrigkeiten voll
bußgeld-'bewehrt' sein.
Hierauf ging dann immerhin in der Lokalpresse ein Zoff mit Leserbriefen los ("Wo sind wir denn?", "Kommt jetzt 1933 wieder?" waren noch die harmlosesten), daß es bloß so krachte und "die" (Freisings Obrigkeit, der Stadtrat oder wie das heißt) das bleiben ließen. Jedoch: das Bewußtsein läßt seit Ende der 70er immer mehr nach, wenn es um die schleichende Wandlung zum autoritären Obrigkeitsstaat geht.
In Österreichs Klagenfurt hingegen kam sie durch, die verblüffend detaillierte ANSTANDSVERORDNUNG (so heißt sie). In ihr ist es z. B. verboten, sich mit dem Allerwertesten woanders auf eine Bank zu setzen als auf die hierfür vorgesehene Sitzfläche.
Man sieht nun, daß die Feature Barfuß genau in diese Kategorie fällt. Es braucht nur ein Gemeindehäuptlingsgremium anti-BF-psychopathische Stimmungen zu bekommen, und das BF-Verbot (eingebaut z. B. in "Satzung zur Bewahrung des historischen Ortsbildes von XY", schließlich darf ja auch die Sixtinische Kapelle nicht durch Bikinis verunstaltet werden) ist da.
Dazu ist es nur ein kleiner Schritt.
Dagegen kann man natürlich klagen, aber das wird u. U. komplex. Sind die gegnerischen Anwälte gut, könnten sie z. B. die zerpflückende Frage stellen, ob das "Recht auf Freiheit, in der entwickelten europäischen Zivilisations-Öffentlichkeit barfuß zu sein" überhaupt in den Katalog grundlegender Menschenrechte gehört. Sie könnten auch versuchen, die Sache in die Dimension des Skurrilen zu verschieben, etwa dergestalt, wie wenn jemand ein Recht auf "Sich mit dem Po auf die Lehnen-Oberkante einer Klagenfurter Parkbank und mit den Füßen auf die Sitzfläche setzen" einklagen wollte, um auf diese Tour schlimmstenfalls das BVerwG dazu zu kriegen, die Klage als "unbegründet" abzuweisen. Vor allem bei amerikanischen Anwälten (die nur Geld bekommen, wenn sie den Prozeß gewinnen) kenne ich solche Techniken, die - als prozessuales Überraschungsei zum richtigen Zeitpunkt eingebracht - "Euer Ehren" die Spucke wegbleiben lassen.
@ Puma: Deswegen gehe ich mit der These nicht konform, ein kommunales BF-Öffentlichkeitsverbot pauschal & mühelos mit der Europäischen Menschenrechtskonvention niederschlagen zu können und teile die gleiche Besorgnis wie Michael aus Zofingen.
Sehr überrascht haben mich deine Erfahrungen in Singapur - auch ich halte die These, daß aufgrund des extremen Seltenheitswertes von BF der Sache niemand Beachtung schenkte, für tatsächlich zutreffend.
Den ganzen gerade vergangenen Tag grübelte ich im Hinterkopf darüber nach, was man macht, wenn man sich in Stadt/Landkreis, in dem man sich häufig aufhalten muß oder will, tatsächlich nicht mehr in der Öffentlichkeit BF zeigen darf. Ich bin taktisch & strategisch bereits für mich festgelegt, möchte aber mit dieser Replik nicht noch länger werden, da das Thema noch nicht akutell ist (und hoffentlich auch z. B. in D nie aktuell werden wird) und ich nach einem schwierigen Arbeitstag ins Bett falle.
Zum 1. Mal von mir: Optimistische BF-Grüße, Jay

PS: Was sind Tevas?


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