Verkehrte Welt (Hobby? Barfuß! 2)

Michael aus Zofingen @, Stammposter, Tuesday, 25.10.2005, 10:43 (vor 6910 Tagen) @ Andi35

Hallo Andi!

Michael:
Wenn Du mich schon in einem Thread erwähnst, der sich allmählich schon ziemlich weit vom barfüßigen Tanken entfernt hat, so möchte ich auch hier Stellung nehmen.

Andi:

Oh doch, für mich ist das schon etwas intimes, wenn sich mir eine Frau z.B. völlig nackt zeigt, nicht aber, wenn sie bloß barfuß ist!
Ich denke, der sexuelle Aspekt ist in der Regel immer vorhanden. Wenn auch nicht in Form von Tätigkeit, so aber zumindest in Form sexueller Hintergedanken, die wir in so einer Situation nicht verleugnen können.

Anarchius:

Nö, gar nicht. Wäre es wirklich so, wäre mir jeder Aufenthalt auf einem FKK-Gelände viel zu anstrengend. Da laufen und liegen bei schönem Wetter konzentriert viele Nackte herum, die mich nicht die Spur irgendwie "intim" oder "sexuell" berühren.

Andi:
Gut, ich muss natürlich zugeben, dass das "Neuland" für mich ist, da ich in dieser Beziehung doch noch eher konservativ erzogen worden bin, was ich aber im Übrigen doch "gesittet", wohlbemerkt in Anführungszeichen, finde!
Auf einem FKK-Gelände, denn in >dem< Zusammenhang erwähntest Du es ja, ist es ja meiner Meinung nach auch völlig in Ordnung, denn da gehört es ja auch hin! ;-)
Dort bewegt sich Jeder so und Jeder, der diesen Ort aufsucht, weiß genau, was ihn erwartet, tut es also bewusst und kann sich demnach dadurch nicht belästigt fühlen.

Michael:
In Deutschland und in der Schweiz gibt es einen Unterschied zwischen "nur barfuß" und "barfuß bis zum Hals". Und das ist das Gesetz. Ich bin längst nicht mit allen Gesetzen einverstanden. Entweder ich halte sie ein (und das ist meistens der Fall) oder ich mißachte sie (das ist eher die Ausnahme), aber dann rechne ich damit, daß man mich belangt, wenn man mich erwischt. Da "barfuß bis zum Hals" keinen übermäßig hohen Stellenwert hat und mir die Kombination barfuß und kurze Hose reicht, habe ich mich noch nicht näher mit der Sache beschäftigt. Daß ich kein FKK-Gelände (ebenso eine gebührenpflichtige "Textilbadeanstalt"), liegt eigentlich nur am Geld.

Anarchius:
Ich habe aber dieses Jahr mal darauf geachtet, wie so das Verhältnis der Nackten zu barfuß ist. Da kam wirklich sehr selten jemand ohne Fußverpackung angelaufen und selbst auf dem Gelände hatte viele Sandalen und Schuhe an, wenn sie herumliefen.
Andi:
Ja, das schilderte schon mal jemand hier im Forum, es ging auch genau darum und ich schrieb, dass ich das auch nicht verstehen kann und es läuft auch genau auf das hinaus, was ich auch damals als Antwort darauf schrieb:
der Nacktheit gegenüber sind inzwischen sehr viele Leute sehr aufgeschlossen, aber wenn man mal jemand barfuß sieht, dann schüttelt man nicht selten den Kopf. Michael aus Zofingen (An dieser Stelle einen schönen Gruß) nennt das ganz recht "die verkehrte Welt"!
Ob er natürlich bei genau diesem Thema auch so denkt, kann ich nicht sagen.

Michael:
Es stimmt. Sogar von mehreren Forumsteilnehmern wurde berichtet, daß man auf dem FKK-Gelände häufiger Leute mit Sandalen (und/oder gar mit Hut) antrifft. Wenn denen die Sonne oder der Boden zu heiß ist, sollen sie das doch tun. Daß aber FKK-ler über diejenigen lästern, die barfuß laufen, geht zu weit. Ich war noch nie im Englischen Garten in München, aber irgendwo glaube ich gelesen zu haben, daß es dort Leute gibt, die sich von der dortigen Mehrheit an Hochsommertagen dadurch unterscheiden, daß sie nicht barfuß bis zum Hals sind, sondern als einzige Kleidungsstücke Schuhe und Socken tragen.

Andi:

Darum denke ich, dass so etwas einfach in die "vier Wände" oder einen dafür vorgesehenen Bereich gehört, wo jeder Bürger, der einen solchen Bereich betritt, weiß, was auf ihn zukommt, was ihn erwartet und nur dort ist es meiner Meinung nach angebracht, auch wenn es sicher, da hast Du Recht, natürlich ist.

Anarchius:

Da bin ich gegenteiliger Meinung. Es ist ja nichts, was die "Textilen" bedroht und mit Nackten wird man ja wenigstens über die Medien ständig konfrontiert.

Andi:
Ja, wie wahr und das ist ja auch schlimm genug, wenn diese "aufgedonnerten" Zeitschriften an Tankstellen und in Geschäften herum stehen! Dort wird die Nacktheit doch sowieso nur als "Lustmaterial" verkauft, ebenso in der Bildzeitung, in der auf dem Titelblatt auch immer eine "Barbüsige" abgebildet ist!
Für mich hat das nichts mehr mit "zurück zur Natur und der Natürlichkeit" zu tun, sondern mit dem allmählichen Aussterben des gesunden und natürlichen Schamgefühls.
"Bedrohen" tut es die Textilien natürlich in keiner Weise, da man ja beim Verlassen eines Parks etc., diese wieder anzieht, aber wenn das so weiter geht: wie lange noch?

Michael:
Gerade hier kann man keine scharfe Grenze setzen. Eine muslimische Frau fühlt sich bereits "nackt", wenn sie ohne Kopftuch herumlaufen muß, in streng muslimischen Staaten besteht für eine Europäerin ohne Kopftuch und für einen Europäer in kurzen Hosen die Gefahr, auf der Stelle eingesperrt zu werden, auch bei Temperaturen über 30°C. Würde man Markus U. mit vorgehaltener Pistole zwingen, in kurzen Hosen, mit fetten Schuhen und noch dazu mit WEISSEN Socken in seiner Orthodoxen Kirche die Messe zu lesen, dann würde er sich mit Händen und Füßen wehren, weil es ihm total gegen den Strich wäre. Manch einer läuft zwar im Sommer gerne barfuß, würde es aber im Winter nicht tun und empfindet es als "Schande", wenn andere es tun. Dann gibt es Leute, die häufig an "nicht-kirchlichen Orten" barfuß laufen, aber andere heftig kritisieren, wenn sie es wagen, barfuß oder in kurzen Hosen einen Dom zu besichtigen und so tun, als ob gerade sie genau die Grenze wissen, was anständig ist und was nicht. Bei Dir scheint die Grenze zwischen anständig und unanständig dort zu liegen, wo barfuß aufhört und nackt beginnt. Bei Anarchius liegt sie wieder wo anders. Wo liegt die "richtige" Grenze? Bei Anarchius? Bei Dir? Bei einem "Barfuß-in-Kirchen-nein-danke-Menschen"? Bei Markus U.? Bei einer Kopftuchfrau? Meine persönliche Meinung ist, daß es gar keine richtige Grenze gibt, sondern nur eine persönliche. Und die liegt bei jedem woanders. Und solange man niemanden öffentlich diffamiert, nur weil er seine Grenze woanders legt als man selber, ist das gut so. Beispielsweise würde ich nicht die Polizei rufen, wenn ein anderer barfuß bis zum Hals die Straßenbahn benutzt oder eine Kirche besichtig. Es ist seine Sache, und mich geht das gar nichts an. Es soll mich aber nicht zwingen, es ihm gleich zu tun.

Anarchius:

Der hirnlose Massenkonsum der Gesellschaft scheint mir sowieso ein gravierendes Problem zu sein. Es ist ja erziehungstechnisch bequem, anstatt Fähigkeiten und Werte zu vermitteln, den Kindern Fernseher, Handy und Playstation hinzustellen, dann beschäftigen die sich schon.

Andi:
Ja, da hast Du leider Recht, so ist es, genau so!
Natürlich quängeln sicher auch nicht wenige Kinder um Bestimmtes zu bekommen, auch ohne, dass die Eltern ihnen so etwas vorsetzen!
Allein schon, weil vielleicht ein Mitschüler auch Dies und/oder Das hat.
Das ist eben das Umfeldproblem, dem leider auch gute und gewissenhafte Eltern ausgesetzt sind, doch das Dulden dieses Konsums rührt ja auch wiederum daher, weil zu viele Eltern einfach zu Vieles zu locker angehen und der "Teufelskreislauf" dreht sich immer weiter nach unten!

Michael:
Früher gaben sich Eltern/Verwandte häufig noch die Mühe, Geschenke für Kinder selber zu basteln (und zwar aus dem "Nichts", keine vorgefertigten Bausätze), heute ist dafür nicht die Zeit ("dank" Fernsehen usw.), es fehlt die Fähigkeit und die Kinder wissen es nicht (mehr) zu schätzen. Heute sind diejenigen Verwandten die liebsten, deren Geschenk den höchsten Katalogpreis hat, z.B. die teuersten Schuhe. Dinge, die nichts kosten, etwa das Barfußlaufen, haben keinen Stellenwert mehr. Zwar keimt bei vielen Kleinkindern noch der Drang zum Barfußlaufen, aber dieser wird von den "bösen" Eltern häufig unterdrückt, und wenn es nur aus übertriebener Vorsicht ist.

Anarchius:
Prügelstrafen waren früher doch, je weiter man zurückgeht, umso verbreiteter. Die Mutter meiner Partnerin, sie wird in Kürze 80, hat mir mal erzählt, wie das in Ihrer Kindheit ablief, da war das noch sehr viel strenger,
Andi:
Ja, das stimmt, da gab es ja auch noch in der Schule vom Lehrer Prügel, doch heute ist es leider sehr oft umgekehrt!
Ein Zeitalter, indem die Kinder mit Schlagringen, Messern und gar Pistolen in die Schule gehen, wo leben wir denn eigentlich?
Beides sind Extreme, die ich nicht für gut heiße, aber irgendwo in der Mitte hätte es sich einpendeln müssen!
Wenn ich die Schüler heute so sehe, muss ich sagen, dann müsste ein solcher Respekt und die Achtung vor Erwachsenen aber wieder mit einer gewissen Härte durchgesetzt werden!
Ich bin gewiss nicht für eine Prügelstrafe, weder bei der Erziehung, noch in der Schule, aber als ich schrieb, eine "harte Hand" würde manchmal nicht schaden, bezog ich das auf ein gesundes Mittelmaß, obgleich da jeder andere Maßstäbe setzt.
Fakt ist aber auch, das genau >Die<, bei denen es noch strenger zuging, nicht auf der Straße herum geblärrt und Glas etc. herum geschmissen haben!

Michael:
Ich bin auch noch mit Prügeln groß geworden. War das gut so? Teils, teils. Zwar zerschmeiße ich kein Glas, laufe nicht mit Messer und Pistole herum, sondern bemühe mich, anderen Leuten und der Umwelt möglichst keinen Schaden zuzufügen: Ich verfalle also nicht dem Massenkonsum, mache nicht jede Mode mit, rauche nicht, laufe barfuß, drehe die Heizung nicht unnötig auf, benutze umweltfreundliche Verkehrsmittel. Trotzdem (oder gerade deswegen?) bin ich zum in Polizeikreisen meistgehaßten Bürger der Stadt Zofingen geworden.

Das ist halt die "verkehrte Welt"!

Viele Grüße,
Michael aus Zofingen


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