Das Imperium schlägt zurück (Hobby? Barfuß! 2)

Jay @, Stammposter, Tuesday, 10.04.2007, 05:27 (vor 6440 Tagen)

[Verwendete Abkürzung: BSV = Bayerische Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten & Seen]
Vorwort: Jeder Satz im folgenden Beitrag ist ernstgemeint und kein Flachs, Ulk, etc., was bei mir manchmal nicht leicht trennbar ist.

Hi!
Gestellt ist die Aufgabe, die Wahrscheinlichkeit einer Rücknahme des BF-Verbots auf ein Maximum zu bringen. Man kann davon ausgehen, daß in den Gehirnen der Typen, die sich dazu berufen fühlen, in puncto Besucher-Outfit-Spezifikationen das Sagen zu haben, gegenwärtig ungefähr folgende 2 Pychoflairs vorhanden sind:

1. Es ist unsere Pflicht, dafür zu sorgen, daß dem von uns bewahrten Kulturgut, ihren Kunstschätzen bei der Besichtigung ein gewisser Rahmen des Respekt-Zollens entgegengebracht wird. Dies schließt auch die Besucher selbst mit ein. Unwürdiges Verhalten, das auch in unangemessener Kleidung seinen Ausdruck findet, stellt eine Mißachtenskundgebung dar, deren schlimmste Auswüchse unterbunden werden müssen, da insbesondere die heutige jüngere Generation nicht mehr weiß, wie man sich zum Anlaß eines Schloßbesuches kleidet. Unseres Erachtens sind Bikinis bei Damen sowie der barfüßige Betritt der Räumlichkeiten als besondere Extreme hiervon aufzufassen. Letzteres scheint in letzterer Zeit besonders auffällig geworden zu sein, sodaß zumindest hiergegen eingeschritten werden mußte.
2. Es haben sich bereits Besucher genau deswegen beschwert, die sich in ihrem ästhetischen Gesamtempfinden beim Erlebnis "Schloßbesuch" gestört fühlten. Auf sie muß Rücksicht genommen werden. Wir gehen davon aus, daß das Gros der Besucher ein Bewußtsein für den Punkt 1 hat; insbesondere gehen wir davon aus, eine politische Mehrheit breiter Bevölkerungsschichten hinter unserer Entscheidung für ein Barfußverbot zu haben.

Salopp ausgedrückt, SO sind "die" wohl 'drauf (sieht es jemand anders?). Soll die Wahrscheinlichkeit, daß dieses BF-Verbot jemals wieder zurückgenommen wird, ungleich 0 sein, gibt es meines Erachtens nur einen einzigen Problemlösungsansatz:
Bezüglich des letzten Satzes in Punkt 2 und insbesondere des Satzteiles hinter dem Strichpunkt muß nicht nur VERUNSICHERUNG geschaffen werden, diese Psychofeatures (oder das, was sich "Bewußtsein", besser gesagt, GLAUBE an folgende Feature: Breite Bevölkerungsschichten finden [Barfuß] gesellschaftlich "ungehörig", insbesondere beim Schloßbesuch) müssen ZERSTÖRT werden.
Dies ist jedoch nur künstlich möglich.
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Gesellschaftliche Prozesse u. "Strömungen" werden in den USA seit langem und auch in D seit geraumer Zeit vor allem von der ultrakonservativen Rechten gesteuert & beinflußt, zum einen, weil diese ein besonderes Bewußtsein in Sachen Machterlangung & -erhalt hat und ferner spezifische Kapitalstärke für "Insitute", Stiftungen (mit oft sogar recht kryptisch formulierten Zielsetzungen), "Denkfabriken" etc. vorhanden ist. So mag z. B. aufgefallen sein (zumindest Markus U. & Descalzar bestägten das besonders ausführlich & ausdrücklich), daß binnen weniger Jahre BF bei Oberschülern Mega-Out geworden sei, während gleichzeitig Schickimickiklamotten & -accessoires ("LaKotz"-Hemden etc.) Mega-In geworden seien (in gleicher Weise habe ich das auch bei Freunden meiner Schwester gesehen, die an der gleichen Schule 6 Jahre nach mir abiturierte). Wer glaubt, daß an Modeströmungen, Trends etc. etwa nicht massiv herumgeschraubt wird (wobei zur Erlangung des Ziels auch schräge Touren recht sind), irrt. Unvermeidbarerweise muß ich zur Entwicklung der folgenden Überlegungen etwas off-topic werden.
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Im Oktober 1982 war die Kohl-Regierung wörtlich mit dem Ziel einer "geistig-moralischen Erneuerung der Bundesrepublik" angetreten. Da die Wahlversprechen "Reduzierung der Steuer- & Abgabenlast/Vorschriften- & Bürokratieabbau" apriori unhaltbar waren, sorgte man sich darum, die Union könne bereits wieder nach 4 Jahren die Macht verlieren und suchte nach Mitteln, periphere Bedingungen günstig zu gestalten. Das hieß: Bei breiten Bevölkerungsschichten sollte der Eindruck entstehen, daß bei "breiten Bevölkerungsschichten" der "Wertewandel" (für den die neue Regierung stand) bereits stattgefunden hätte, getreu dem Prinzip, daß gar nicht so wenige einem virtuellem Leithammel folgten, der bestimmte, was jetzt 'grade trendy ist. In der Regel ist der Leithammel die Presse, die über die Volksmeinung informiert. Die fuhr damals noch nicht so recht auf den Karren ab, und so beauftragte man Mitte 1985 via Konrad-Adenauer-Stiftung** an Unis (sogar an der bekannt linken Bremer) großangelegte Studien "Wir rechnen mit folgendem Ergebnis & können dann noch Folgeaufträge erteilen" (sprich es fließt Geld) und insbesondere das Institut für Demoskopie in Allensbach** (welches übrigens niemand kontrollieren kann). So verkündete kurz darauf Frau Elisabeth Noelle-Neumann (unter einer Art Ausrufung der konservativen Revolution) unter anderem:
"Ordentlich anziehen, Anpassung, Seriosität, Leistung, Konsum & Karriere, das kommt wieder!"
(Nebenkommentar: Wie wenn LEISTUNG untrennbar mit [Ordentlich angezogen Sein & Anpassung] verbunden wäre!)
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Was das für Jeans-, T-Shirt- & evtl. BFige Arbeitsplätze bald bedeuten sollte, braucht nicht weiter ausgeführt zu werden. 1985 - 1988 war ich fast durchgehend in den USA. Kollegen von mir wunderten sich über subtile Kampagnen: "Colleagues are telling you..." (was wohl? Kommt als Yuppies!). Man wunderte sich: Welches Kollegen-Rindvieh setzt denn sowas in die Welt? Jetzt kann ich wegen diesem Rotz täglich 1/4 Stunde früher aufstehen, mich rasieren & Krawatte binden...
Schräge Touren, hinter denen natürlich wer ganz anders stand. Konservative US-Arbeitgeberverbände hatten das Yuppie-Klischee geschaffen, weil ihnen das Erscheinungsbild ihrer Mitarbeiter, das in immer höhere betriebliche Hierarchie-Ebenen hineinragte, nicht paßte...auch in D hatte sich das Establishment über mangelnden "Ernst" beim geheiligten Ritual "Arbeit" geärgert - nunmehr ward endlich die Strategie gefunden, um zurückzuschlagen (samt inzwischen erkämpftem Rechtsanspruch, daß der Mitarbeiter im Arbeitsalltag genauso auszusehen hat wie auf dem Foto in den Bewerbungsunterlagen).

Sorry, aber wenn überhaupt eine Chance bestehen soll, daß das BF-Verbot der BSV zurückgenommen wird, sehe ich nur die Alternative, sich - schon wegen Waffengleichheit - ebenfalls ein wenig schräger Touren zu bedienen oder die Sache bleiben zu lassen. Vorgeschlagen wird folgendes Aktionskonzept:
Es bricht jetzt die Jahreszeit an, in der Besucher schon mal mit 'allgemeinen Erwartungen' der Portiers in Konflikt kommen können. Der eine oder andere von "uns" (wäre selbst bereit dazu und Leo vermutlich auch) macht einen apriori erfolglosen BFigen Entree´versuch an einem dieser Schlösser (zweckmäßigerweise Termin an Ort & Umgebung noch anderweitig nutzen). Darauf setzt eine Brieflawine an das betreffende Schloß oder an die BSV ein, die 2 Aspekten genügen muß:
x TARNUNG: Der Empfänger darf nicht wissen, daß hier in Wirklichkeit Barfuß-Begeisterte schreiben, sondern muß den Eindruck erhalten, dies seien 'Gutbürgerliche', die noch genug Bewußtsein um [Liberale Werte, Selbstbestimmungsrecht des eigenen Aussehens etc.] haben, Zeugen des Vorgangs wurden und sich über derlei Vorschriften an Erwachsene empören;
x BREITBANDIGKEIT/VIELSCHICHTIGKEIT: Eine spezifische Unschärfe, angefangen mit der Betreffzeile "Besucher-Kleiderordnung an Schloß XX" und endend damit, daß man sich nur undeutlich erinnert "war, soweit ich mich erinnere, eine Besucherin in bikinihaftem Obergewand oder irgendwas, was am Outfit nicht paßte" bietet den passenden Rahmen für den Schußsatz a 'la "ich muß auf das Schärfste protestieren, daß in einem Land freiheitlich-demokratischer westlicher Lebensart solche Zustände Einzug halten, wie sie vor rd. 70 Jahren in D typisch waren".

Alle Briefe müssen stark unterschiedichen Stil haben, Name & Absenderlocation (ggf. mit Rückruftel.nr., dann kann man ggf. schimpfen wie ein Rohrspatz) müssen wg. evtl. Rückpost stimmen. Sicher kann man auch Freunde für eine solche Action "anhauen", stets wird damit gedroht, die Presse zu informieren, was dann, sollte die BSV nicht einlenken, auch in gleicher Weise geschieht (dann kommt es ggf. zu einer Leserbrief-Schlammschlacht, die man, sofern man gemeinsam fleißig ist, locker überstimmt). Nur ab und zu wird BF konkret überhaupt erwähnt, es geht mehr um "Kleiderordnungen". Der "Betroffene" schreibt "höflicherweise" nicht selbst, sondern Bürgerprotest erregt sich für ihn: "Da ist der Mann Hunderte von Kilometern gefahren, um sich Schloß Linderhof anzusehen, hatte einen schweren Sonnenbrand an den Füßen, sodaß er absolut keine Schuhe tragen konnte - ist das ein Grund, den Zutritt zu verwehren? Ich muß sagen, mich haben offene Herren-Stachelborstenbeine, bedingt durch kurze Hosen, mehr gestört, da hier ein bedeutend größerer Teil der Körperoberfläche entblößt ist..."
Auch situative Varianz ist wichtig. Da ist z. B. der Vater, der sich erregt, daß das für die/den kleine(n) Tochter/Sohn ärztlicherseits dringend empfohlene BF-Laufen blockiert wird...
Natürlich sind auch permutierte Schlußsätze zweckmäßig wie "...sind schließlich von Steuergeldern finanziert [Anmerkung.: stimmt nur zum Teil]...werde Bekanntenkreis empfehlen, Ihre Locations samt Restaurants nicht mehr aufzusuchen...werde nicht mehr CSU wählen..."

Kurz, es geht darum, in die Gehirne der BSV-Admin einzuschreiben, daß das BF-Verbot, eingebettet in den weiteren Rahmen "Kleiderordnung" auf massiven Bürgerprotest stößt.

Ich glaube, das Prinzip ist klargeworden. Wer sich daran stößt, daß dies eine "gesteuerte" Aktion ist, muß daran erinnert werden, daß es auf den großen Anti-Atom-Demos in Brokdorf etc. auch immer dieselben paar Tausend waren, die quer durch D mal dahin, mal dorthin reisten.

Weitere Details werden am besten in einem Gesprächsforum auf dem Streetlife-Festival in München besprochen (kann mich auch gerne jeder anmailen & bin bereit, Musterbriefe zu entwerfen). Praktisch an dem Konzept sollte auch sein, daß nur 1x Aufwand entsteht. Man hat seinen Brief im PC und wandelt ihn, sollte irgendwo anders wieder ein BF-Verbot kommen, "adressatenmäßig" und situativ etwas um. Das kostet nur ein paar Minuten Arbeit & Porto (lediglich, wenn zu erwarten ist, daß der Adressat etwas mit jemand zu tun hat, der schon mal angeschrieben wurde, muß man variieren).

Sorry für diesen langen, abartigen, Beitrag. Ich sehe nur nach bestem Wissen & Gewissen (wenn es darum geht, das Ziel zu erreichen) keine Alternative, als entweder nichts zu tun (kann evtl. in Sachen BSV auch am klügsten sein) oder, wenn eine Chance auf Erfolg bestehen soll, sich gewisser Mittel zu bedienen, die für andere (die "uns" z. B. das schöne Yuppie-Klischee beschert haben mit seiner bekannten Folgen für BF am Arbeitsplatz) Voraussetzung zum Erfolg waren.

Strategische BF-Grüße, Jay (kann evtl. erst in einigen Tagen antworten)
--
*) Der gestrichelt eingerückte Absatz ist eine komprimierte Zusammenfassung folgender Quelle: Matthias Horx, Die wilden Achtziger - Eine Zeitgeist-Reise durch die Bundesrepublik, Goldmann Verlag Okt. 1989, ISBN 3-442-09469-0, S. 109 - 116.
**) Über politische Neutralität oder Couleur von Konrad-Adenauer-Stiftung sowie Allensbach informiere man sich am besten breitbandig im Web, z. B. unter wikipedia.


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