Einige ethisch - philosophische Betrachtungen (of topic) (Hobby? Barfuß! 2)

Eugen, Stammposter, Tuesday, 02.01.2007, 16:59 (vor 6538 Tagen) @ Jay

Hallo Jay,

wenn mir jemand vor zwei Jahren gesagt hätte, dass ich in diesem hobby-barfuß Forum zur Weihnachtszeit einmal das technische Design einer Kernwaffe ansatzweise geschildert bekomme, so hätte ich diesen für verrückt erklärt -- wenn mir dann noch jemand prophezeit hätte, dass derjenige dieses Waffendesign (speziell Sprengstofflinsen) irgendwann einmal dazu benutzen will, seine eigene "Gehirnschale" zu zertrümmern, so hätte ich ihn für psychisch krank erklärt!! Und wenn dann noch derjenige mit dieser "frohen" Botschaften seinen Abschied aus diesem Forum verkündet, so hätte ich am Zeitgeist gezweifelt oder mir gedacht: JA, so ist heute der Zeitgeist. Oder gibt es bei einigen männlichen Teilnehmern des Forums ein Zusammenhang zwischen Barfußlaufen und psychischen Problemen???

Aber jetzt ist tatsächlich alles so eingetreten. Mit einer Ausnahme: Du, guter Jay, hast dich 7 Tage nach dem groß angekündigten Abschied wieder zurückgemeldet!! DAS FINDE ICH GUT! SEHR GUT! Ich habe es auch nicht anders erwartet.

Von Mann zu Mann: Von einem 48 -jährigen Mann kann man verlangen, dass er a) zum Arzt geht, wenn mit der Niere oder Prostata was nicht stimmt, b) eventuell auch psychologische Hilfe in Anspruch nimmt, wenn er Angst vor der Zukunft (speziell dem Zustande des Todes) hat. Im Leben ist nur das JETZT wichtig, nicht das, was WAR oder das, was noch KOMMT. Was den Selbstmord betrifft (wer hatte nicht schon solche Gedanken, aus welchem Grund auch immer): Es macht keinen Sinn. Eine speziell christliche Interpretation hast du ja schon hier geschildert bekommen: Im Jenseits werden Selbstmörder vor das Gericht gestellt! Diese Vorstellung ist natürlich TYPISCH menschlich (eingeschränkte Weltanschauung der Advokaten) und nur dazu dar, dem Menschen ANGST zu machen (Angstreligion).

Als christlich geprägter Student hat mich bei einem heftigen Liebeskummer folgender Gedanke vom Selbstmord abgehalten: Nehmen wir an, ich begehe Selbstmord und komme sofort vor das himmliche Menschheitsgericht. Hier werde ich zu irgendwelchen Qualen (ekligen Krankheiten oder noch heftigerem Liebeskummer) verurteilt. Gleich dachte ich mir: Dann begehe ich im Jenseits halt wieder Selbstmord! Doch dann komme ich im Jenseits zweiter Ordnung WIEDER vor ein Menschheitsgericht. Dort werde ich zu noch schmerzlicheren Strafen verurteilt. Also begehe ich wieder Selbstmord ... und so geht es fort...bis in alle Ewigkeit.

Eine unendliche Geschichte beginnt, die mich später gleich an den tollen Film "Groundhog day" (Und täglich grüßt das Murmeltier) von 1993 erinnert hat. Auch hier macht der Hauptdarsteller immer wieder Selbstmord, aber er wacht immer wieder auf (das Leben ist ein Traum in einem Traum...) bis er die Liebe hat...

Man soll keine Angst vorm Leben haben. Das Leben kann so schön sein.

Die beste Lebensphilosophie hat für mich übrigens der Mathematiker und Philosoph Bertrand Russell formuliert. Sie war eigentlich auch für mich schon immer verbindlich.

Russell schreibt:

DREI einfache, doch übermächtige Leidenschaften (!!) haben mein Leben bestimmt:

a) Das Verlangen nach Liebe,
b) der Drang nach Erkenntnis,
c) ein unerträgliches Mitgefühl für die Leiden der Menschheit (Theodizee - Problem)

Gleich heftigen Sturmwinden haben mich diese Leidenschaften bald hier - , bald dorthin geweht in einem launenhaften Zickzackkurs über ein Weltmeer von Qual hinweg bis zum letzten Rand der Verzweiflung.

Nach Liebe trachte ich, einmal, weil sie Verzückung erzeugt, eine Verzückung so gewaltig, dass ich oft mein ganzes, mir noch bevorstehendes Leben hingegeben haben würde für ein paar Stunden dieses Überschwanges. Zum anderen habe ich nach Liebe getrachtet, weil sie von der Einsamkeit erlöst, jener entsetzlichen Einsamkeit, in der ein einzelnes erschauerndes Bewußtsein über den Saum der Welt hinabblickt in den kalten, leblosen, unauslotbaren Abgrund. Und löetztens habe ich nach Liebe getrachtet, weil ich in der liebenden Vereinigung in mystisch verkleinerten Abbild die Vorahnung des Himmels erschaute, wie er in den Vorstellungen der Heiligen und Dichter lebt.

Mit gleicher Leidenschaft habe ich nach Erkenntnis gestrebt. Ich wollte das Herz der Menschen ergründen. Ich wollte begreifen, warum die Sterne scheinen. Ich habe die Kraft zu erfassen gesucht, durch die nach den Pythagoräern die Zahl den Strom des Seins beherrscht.

Liebe und Erkenntnis, soweit sie erreichbar waren, führten empor in himmliche Höhen. Doch stets brachte mich das Mitleid wieder zur Erde zurück. Widerhall von Schmerzensgeschrei erfüllt mein Herz: verhungernde Kinder, gefolterte Opfer von Unterdrückern, hilflose alte Menschen, ihren Kindern zur verhaßten bürde geworden -- die ganze Welt der Verlassenheit, der Armut, des Leids, all das macht ein honvolles Zerrbild aus dem, was Menschenleben eigentlich sein soll.

So weit die Worte von Bertrand Russell.

Für diese drei Leidenschaften lohnt es sich zu leben. Zu LEBEN!

Ich hoffe, ich konnte mit meinen Betrachtungen und Gedanken dir etwas Lebensmut geben. Man hat keine Freude am Barfußlaufen oder am "naturistischen" Lebensgefühl, wenn es keine Harmonie zwischen Kopf und Körper (Geist und Materie) gibt.

In diesem Sinne wünscht ein gutes neues Jahr 2007

Eugen


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