Kommentar vom Anwalt (Hobby? Barfuß! 2)

Markus U., Stammposter, Thursday, 21.12.2006, 22:03 (vor 6535 Tagen) @ Jay

Hi Manfred,Michael und Jay!

Hi Michael,
du brauchst jetzt auf jeden Fall kompetente anwaltliche Hilfe von jemand, der Bescheid weiß, wenn eine 'Fa.' (hier Krankentransport) in F Ansprüche gegen einen CH-Staatsbürger per nationalem Zwangsvollstreckungsrecht (ich habe keine Ahnung, wie die Verhältnisse in CH liegen) durchzusetzen versucht.


Nur kann es ihm dann passieren dass die Anwaltskosten ein Vielfaches der geforderten Summe betragen...


Das habe ich nicht in dieser Form gemeint, vielmehr müßte man sich zur Klärung der Frage, ob man die Rechnung bedenkenlos dem Müll überantworten kann oder evtl. mit Trouble gerechnet muß, ggf. Rechtsberatung bei einem Anwalt (kostet moderat, ist aber natürlich finanziell unerwünscht) einholen.

Der "Streitwert" ist ja vorliegend sehr gering und lohnt den Aufwand eigentlich nicht. Ich rate Michael daher, die Rechnung drei Jahre lang aufzubewahren und ansonsten zu ignorieren. Notfalls kann man sich darauf berufen, daß sie nicht zugegangen sei (in diesem Falle wäre die "Gläubigerin" beweispflichtig).

Es gibt nunmehr 2 Möglichkeiten:
a) Zwischen F und CH besteht kein entsprechendes Abkommen bezüglich der Vollstreckbarkeit von Forderungen. Dann kannst du alles Papier sofort in den Müll werfen, dich aber nicht mehr nach F hineinwagen (sofortige Festnahme wg. Betrug, du stehst auf der Fahndungsliste, die jedes Gendarmeriefahrzeug bei Routinekontrollen per Datenfunk abruft);


Betrug ??? Er hat doch niemanden BETROGEN !

Und da es sich um eine privatrechtliche Forderung handelt wird er sich auch kaum auf einer "Fahndungsliste" zur Festnahme wiederfinden.

Ich kann natürlich hier nur deutsches Recht (das vorliegend keine Anwendung findet) wiedergeben, aber Betrug setzt eine Täuschung im Rechtsverkehr voraus, und eine solche kann ich nicht erkennen.
Michael hat nicht einmal einen besonderen Grund, französischen Boden zu meiden, denn er hat weder eine Ordnungswidrigkeit noch eine Straftat begangen und ist daher in Frankreich auch nicht zur Fahndung ausgeschrieben.

Es ist bei uns eine manchmal beliebte Sache, nicht per gerichtlichem Mahnverfahren/Zwangsvollstreckungsverfahren eintreibbare Forderungen, Schuldner im Ausland & gibt keinen Offenbarungseid ab, die Sache als 'Betrug' zur Anzeige zu bringen.

Hier handelt es sich um einen anderen Tatbestand, nämlich den sogenannten "Eingehungsbetrug", indem jemand einen Vertrag abschließt, aber von vornherein den Vorsatz hat, seine vertraglichen Pflichten nicht zu erfüllen. Michael's Fall liegt aber ganz anders.

Auch Schwarzfahren im öffentl. Pers. Nahverkehr wird so gehandhabt, kurz, wo gezahlt werden müßte, aber aufgrund seltsamer Umstände nicht gezahlt wird.

Schwarzfahrwen ist eine Straftat, nämlich ein Unterfall des Erschleichens von Leistungen (§ 265a StGB). Diese Vorschrift (bzw. eine vergleichbare nach französischem Recht, das hier maßgeblich sein dürfte) ist jedoch auch nicht anwendbar, da Michael sich keine Leistung erschlichen hat; diese ist ihm vielmehr gegen seinen Willen aufgedrängt worden.
Auf die Frage, ob Michael die "Leistung" zu dulden hatte, gehe ich nicht ein, da ich mich mit französischem Polizeirecht nicht auskenne. Sollte es sich so verhalten, daß Michael nicht zur Duldung der Maßnahme verpflichtet war, könnte er vielleicht sogar seinerseits Entschädigungsansprüche geltend machen. Hier müßte freilich ein im französischen Polizeirecht versierter Kollege die entsprechende Prüfung vornehmen.

Wird man z. B. in A geblitzt, gibt es dann, wenn nicht gezahlt wird (unabhängig davon, ob evtl. Ticket hier gar nicht erscheint), bei der Einreise an der Grenze bei einem Check ein großes Hallo. Das kann u. U. auch bei offenen privatrechtlichen Forderungen passieren.

Das ist mir in diesem Sommer passiert: Ich wurde in Österreich geblitzt, habe aber keinen Bußgeldbescheid erhalten. Dennoch werde ich im nächsten Sommer wieder nach Österreich reisen, da ich mir nicht vorstellen kann, daß die Gendarmerie nichts anderes zu tun hätte, als ständig landesweit nach meinem Auto Ausschau zu halten.

Man muß nun versuchen, die "Auftraggebungs-Ursache" juristisch zu zerpflücken. Das heißt, die Polizei griff unrechtmäßig ein, als sie dich rein zufällig sah, wie du outdoor mit nacktem Oberkörper, kurzer Hose, BF, öffentlich "anzutreffen" warst.


Hier können sie sich hinter dem Argument verschanzen, das eine begründete ANNAHME auf eine "hilflose Person" vorlag, damit würden sie wohl durchkommen (in Deutschland wäre das so)

Eine Überprüfung oder Kontrolle wäre unter diesem Gesichtspunkt gerechtfertigt gewesen, aber hier ist die Polizei entschieden zu weit gegangen, denn bei einer Überprüfung ergibt sich ja, daß Michael kein verwirrter hilfloser Zeitgenosse ist.

Unsere Obrigkeit handhabt Recht & Gesetz äußerst "flexibel". Meine Bekannten und ich haben nie jemals eine Hausdurchsuchung (Drogen) ohne "Gefahr im Verzuge" erlebt. Ein paar Tage später kam dann ein Bestätigungs-Wisch, ausgestellt von einer Rechtspflegerins-Tussy am Amtsgericht. Der von den Durchsuchern mitzubringende 'richterliche Durchsuchungsbefehl' [auch der Staatsanwalt kann, wenn kein Richter available ist, unterzeichnen] ist Theorie. Die Praxis ist wie gerade dargestellt.

Besitz und Konsum von Drogen sind strafbar, und das ist auch gut so. Der Sachverhalt ist also ein gänzlich anderer.

Barfüßige Wintergüße,
Markus U.


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