Hypothesen über Managementstrukturen (Hobby? Barfuß! 2)

Jay, Saturday, 25.11.2006, 19:16 (vor 6511 Tagen) @ Markus U.

Hi Markus, hi Lorenz,
natürlich stimmen wir völlig darin überein, daß es richtig ist, in diesem Fall die "Verhandlungen" sofort abzubrechen. Ich schrieb Martin (Giessen) die Sache für den Fall, daß die überhaupt zurückschreiben (wahrscheinlich werden die die Sache auf sich beruhen lassen), er sich über deren "juristische" Ansichten mockieren und deren BF-Verbot als ideologisch entlarven sollte. Man soll die ruhig merken lassen (auch wenn´s nichts bringt und nur Zeit, Tinte u. Porto kostet), daß man sich nicht verarschen läßt (unabhängig davon, ob man BF-Freak ist oder nicht). Soviel Selbstachtung darf und sollte sein.
Im konkreten Fall hätte ich mich situativ wie folgt verhalten (auch wenn natürlich an der Wahrscheinlichkeit = 0, diesen Laden zu betreten, nichts geändert worden wäre. Aber man darf ruhig etwas sticheln und bluffen.):
Als Zeit ca. Öffnungsbeginn oder -schluß wählen. Dann ist die Wahrscheinlichkeit am größten, daß man sich mit einem geeigneten Auto vom Eingangsbereich aus gut sichtbar positionieren kann. Subtilere Outfitaccessoires wie GEEIGNETE Armbanduhr (Schmuck trage ich nie, Feuerzeug situativ überflüssig) werden ebenfalls angewendet.
Ganz normal und eher in zurückhaltend-höflicher Motorik in das Etablissement gehen. Es ist nicht üblich, in METRO etc. von einem Portier empfangen zu werden.
"Hallo...Sie!...Barfuß dürfen Sie hier nicht rein!"
"Echt?"
"Ja."
"Wie lang ist denn das schon?"
"Schon immer." [oder generell ausweichende Antwort].
"Nun, ich wollte heute mit der Renovierung meines Hauses beginnen und bei Ihnen groß einkaufen. Da haben Sie jetzt aber viel Umsatz verschenkt."
"Das ist uns egal."
"Eine erstaunliche Firmenphilosophie. Dann kann ich ja meinem Bekanntenkreis einen anderen Baumateriallieferanten empfehlen."
"Hauen Sie ab!"
"Kein Problem. Sie werden mich hier nie wieder sehen."
Mehr läßt sich nicht tun. Immerhin könnte der protokollarische Empfangschef etwas verunsichert sein, ob es richtig war, was er tat...
Desweiteren lassen sich aufgrund einiger Indizien gewisse Hypothesen aufstellen, wie die Sache wohl managementmäßig aussehen dürfte. In vielen WalMart-Filialen sind, wie hier berichtet, nie Probleme verzeichnet worden und auch bei anderen Marken sind entsprechende Erfahrungsberichte in bezug auf die jeweilige Marktkette uneinheitlich. Das deutet darauf hin, daß offenbar die jeweilige Filialleitung einen hohen Grad an Autonomie hat, ob sie BFs aussperrt oder nicht. Wäre eine entsprechende Anordnung von weiter oben ergangen, hätte sich das dadurch geäußert, daß relativ simultan alle Filialen die Schotten für BFs dichtgemacht hätten. Aufgrund meiner langjährigen Industriepraxis vermute ich aber, daß wahrscheinlich von oben irgendwelche Memos oder Positionspapiere mit Direktiven-"Charakter" darniederflatterten mit unscharf verklausulierten Formulierungen wie "Personen, die den Anschein von Obdachlosigkeit oder Asozialität erwecken, sind von den Räumlichkeiten fernzuhalten" und dann hängt es allein vom Draufsein des Filialchefs in bezug auf BF ab, wie er das interpretiert und umsetzt.
Andere Theorie: In Freisings WalMart (Gutenbergstr. 2) hatte ich deswegen niemals BF-Trouble, weil sich niemand um mich kümmerte. Da waren die Kassendamen, Regalauffüller und die VerkäuferInnen in der Fleischabteilung voll mir ihrem Job beschäftigt und irgendwie gleichzeitig psychologisch gar nicht in dem state, mir Befehle, etwa zum Verschwinden, zu erteilen, kurz, es fehlte das hierauf spezialisierte Personal, für das in amerikanischen Malls offenbar auch mächtig Geld verspritzt wird.
Jedoch gehe ich mit einem nicht konform, welches offenbar die meisten oder alle übrigen Teilnehmer haben: diesem blinden Barfuß-Optimismus. Da wird einfach geschrieben: Was juckts, wenn ich bei XX-Läden nicht mehr einkaufen kann, gehe ich halt zur Konkurrenz. Man darf Ereignisse wie das von Martin (Giessen) beschriebene nicht auf die leichte Schulter nehmen. In D wurde bisher in Sachen Management und BWL alles, was aus den USA kam, auch jeder Fehler, 5 Jahre später mit deutscher Gründlichkeit wiederholt. Zuerst war´s "Lean" (sowenig Personal wie irgend möglich), dann "Outsourcing" (alles, was zu seiner Entstehung reale Arbeit benötigt, wird aus China zugekauft), dann "Corporate Identity" (Festlegung, wie Gebäude u. Firmenschriftgut auszusehen haben bis ins kleinste Detail), jetzt "Image, Styling & Profiling" (wie die Menschen, auch die Kundschaft auszusehen haben, man glaubt oder hat zu glauben, daß "es nicht für die Fa. spricht", wenn sie barfüßige Kunden hat plus die "Benimm"-Welle, die einwandfrei drüben initiiert wurde).
Auch wenn, wie aus den obigen Organisationsstrukturen gefolgert werden kann, gegenwärtig eine BF-Aussperrung überwiegend von Gebäude zu Gebäude unterschiedlich ausfällt, wäre es ein schwerer Fehler, die Gefahr zu ignorieren, daß man hier in einigen Jahren wesentliche alltägliche Zweckhandlungen nicht mehr BF vornehmen kann, wenn diese US-Modeströmung voll hier rüberschwappt (zumindest die dortigen größeren Einkaufstempel sind jetzt offenbar so gut wie alle BF-mäßig zu).
Ferner wäre es utopisch vermessen zu glauben, mit einem BF-Boykott bestimmter Ketten diese in geschäftliche Bedrängnis bringen zu können. Dazu gibt es nämlich viel zu wenig BFs.
Sorgenvolle BF-Grüße, Jay.


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