Ungeheuerlich (Hobby? Barfuß! 2)

Michael aus Zofingen, Stammposter, Tuesday, 29.08.2006, 09:40 (vor 6665 Tagen) @ Guenther

"Die Geschichte mit der Untersuchungshaft nach der Kindesmißhandlung find ich ungeheuerlich.
.............
Den Schluß von Barfüßigkeit und/ oder leichter Kleidung auf Hilflosigkeit halte ich für legitim oder zumindest nachvollziehbar, dagegen ist der Schluß auf ein solches Verbrechen doch völlig absurd und unlogisch. Hast Du mal die Rechtmäßigkeit dieser Untersuchungshaft überprüfen lassen. Ich denke mal, ein Polizist, der einen in Untersuchungshaft nimmt, muß dafür einen dringenden Tatverdacht nachweisen können, und wenn er nichts anderes als die Tatsache Deiner häufigen Barfüßigkeit/ leichten Kleidung auf seiner Seite hat, könnte er ziemlich in Schwierigkeiten kommen ... "

Hallo Guenther,

ich habe mal im "Gesetz über die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit (Polizeigesetz, PolG)" vom 6.6.2005 nachgesehen:

Zum Thema "Störerprinzip" heißt es in § 26:
"Das polizeiliche Handeln richtet sich gegen:
a) Personen oder Tiere, welche die öffentliche Sicherheit und Ordnung durch ihr Verhalten stören oder unmittelbar gefährden,
b) .........."

Aha: ein Gummiparagraph! Manch ein Spießer fühlt sich beim Anblick eines Barfüßers, kurz behosten, farbigen, Invaliden usw. gestört. Und von diesen genannten Personenkreisen können sich nur die letzteren wegen Diskriminierung beklagen. Barfüßer und kurz behoste gehören zu keiner anderen Rasse und sind auch nicht behindert.

Zum Thema "Polizeiliche Maßnahmen" heißt es in § 29:
"In begründeten Fällen kann die Polizei Personen zur Verhinderung oder Aufdeckung von Straftaten und zur Abwehr von Gefahren kontrollieren. Sie kann Personalien überprüfen und abklären, ob nach ihnen oder nach Sachen, die sich in ihrem Gewahrsam befinden, gefahndet wird.
Die kontrollierten Personen sind verpflichtet, auf Verlangen ihre Personalien anzugeben, mitgeführte Ausweise vorzulegen, Sachen in ihrem Gewahrsam und zu diesem Zweck Behältnisse sowie Fahrzeuge zu öffnen."

Aha: ein Gummiparagraph! Zu sommerliche Kleidung kann ein "begründeter Fall" sein. Oder für manch einen, der noch nie auf der Straße barfuß war und sich nicht vorstellen kann, daß man das ohne Schmerzen übersteht. Also nach dem Motto Abwehr von Gefahren gegen sich selber. Und wenn also Grund zur Kontrolle besteht, dürfen die Polizisten alles, aber auch wirklich ALLES an einem kontrollieren, also auch den Führerschein, wenn man ihnen dabei hat, jedoch ohne Auto unterwegs ist (und womöglich eine Buße kassieren, wenn im Führerschein steht, man hätte eine Sehhilfe zu tragen, und man bei der Kontrolle keine Brille auf hat), die "Notschuhe" (und darauf verlangen, sie anzuziehen), das Portemonnaie (und nachfragen, woher man den 20-Franken-Schein her hat), die Fahrkarte (und fragen, warum man sich ausgerechnet dieses Ziel ausgesucht hat).

Weiter heißt in § 29:
"Die Polizei kann die kontrollierten Personen auf den Polizeiposten führen wenn:
a) die Identität an Ort nicht sicher oder nur mit erheblichen Schwierigkeiten feststellbar ist oder
b) Anhaltspunkte bestehen, daß die Personen unrichtige Angaben machen oder
c) ein Anfangsverdacht besteht"

Aha: ein Gummiparagraph! Barfuß ist selten, also ein "Anfangsverdacht". Und wenn man bei Temperaturen um +5°C sagt, barfuß wäre gesund, dann könnte manch ein Polizist denken, man mache "unrichtige Angaben". Und ab auf die Wache!

Zum Thema "Polizeigewahrsam" heißt es in § 31 (nicht "Untersuchungshaft", letztere geschieht unter Mitwirkung der Gerichte):
"Die Polizei kann Personen in Gewahrsam nehmen, die
a) andere Personen ernsthaft und unmittelbar gefährden und die Gefahr nicht auf andere Weise abgewendet werden kann,
b) sich in einem Zustand befinden, in dem sie für sich oder andere in ernsthafte Gefährdung darstellen oder öffentliches Ärgernis erregen.
Die zuständige Untersuchungsbehörde ist über die Maßnahme zu informieren.
Im Rahmen des Gewahrsams ist die vorrübergehende Einschließung zulässig, sofern dies zur Sicherung oder Fortsetzung der Maßnahme erforderlich ist
Die in Gewahrsam genommenen Personen sind über den Grund deren Maßnahme sofort zu informieren und über die Rechte zu belehren. Sie dürfen nicht länger als unbedingt notwendig festgehalten werden."

Aha: ein Gummiparagraph! Barfuß/kurze Hosen an sich sind zwar kein öffentliches Ärgernis, können aber als solches gewertet werden, wenn man aus sexistischen Gründen diese Kleidung trägt (in diesem Fall wäre aber der Ankläger beweispflichtig). Barfuß oder/und zu sommerliche Kleidung kann für einen frostköteligen Beamten ein "begründeter Fall" sein, daß man sich selber ernsthaft gefährdet. Wenn die Beamten glauben, der Mensch würde, wenn man ihn zu Hause abliefert, 5 Minuten später wieder in die Kälte rausgehen, dann dürfen sie ihn einsperren. Informiert wurde ich übrigens, nach welchem Täter gesucht wurde, nicht aber warum einer, der öfters barfuß angetroffen wurde, besonders als Täter in Frage kommen würde. Da lautete die Antwort: "Das dürfen wir nicht sagen, weil es die Ermittlung erschweren könnte". Sicher ist die Polizei zum Schweigen verurteilt. Wenn mich etwa ein Spießer wegen Barfußlaufen angeschwärzt hat, darf die Polizei nicht den Namen des Spießers bekannt geben. Der einzige Weg wäre, wenn ich Gerichte einschalte und eine Anzeige gegen unbekannt wegen Verleumdung einleiten würde.

Zum Thema "Haftung" heißt es in § 56:
"Der Kanton haftet für den Schaden, den Angehörige der Kantonspolizei in Ausübung der amtlichen Tätigkeit zugunsten der lokalen Sicherheit in den Gemeinden verursachen."

Aha: Sicher geht das nicht ohne Quittung. Mir ist kein Verdienstausfall entstanden, mir wurde nichts kaputt gemacht, und angeschossen wurde ich "leider" auch nicht, dann hätte ich die Spitalrechnung einreichen können. Nicht einmal gesundheitliche Schäden sind mir, etwa durch langes barfüßiges Stehen in der Kälte bei einer Kontrolle entstanden. So habe ich absolut nichts gegen die Polizei in der Hand. Wenn ich auf "Schmerzensgeld" hinaus wollte, müßte ich die Polizisten vor Gericht verklagen.
Was mich an dieser Sache maßlos aufregt: Selbst wenn man mich finanziell entschädigen würde, würde das der Kanton zahlen, nicht der Polizist aus eigener Tasche. Für den Kanton sind solche Beträge Peanuts, für den Beamten vielleicht nicht. Wenn ein Beamter einmal selber blechen mußte, wird er beim nächsten Mal vorsichtiger sein. Wenn er aber weiß, das der Kanton bezahlt, wird sich sein Verhalten nicht ändern. Jeder Mensch nimmt sich doch mehr in acht, wenn er etwas selber bezahlen muß als wenn dieses eine Versicherung, ein Arbeitgeber usw. macht. Und ganz davon abgesehen: Ich selber bin auf das Geld nicht unbedingt angewiesen. Wenn aber ein Polizist selber tief in die Tasche greifen muß für das schwere Unrecht und Leid, das er mir angetan hat, dann könnte ich mich maßlos freuen, egal, ob ich das Geld bekomme oder sonst jemand .

Schöne Grüße

Michael aus Zofingen


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