Appell an Dritte (Hobby? Barfuß! 2)

Leo, Stammposter, Monday, 28.08.2006, 18:58 (vor 6601 Tagen) @ MarkusII

Hallo Markus,

im Gegensatz zu Deinem Eindruck wollte ich NICHT zum x-ten Male auf den alten Argumenten rumreiten, sondern nur was Vergessenes nachholen!

Zur Einleitung mal ein überspitztes Parallel-Beispiel:
Ein naiver deutscher Tourist ist zum ersten Mal in Polen und nimmt dort an einer Stadtführung teil. Vor der Reise hat er nur einen Kultur-Reiseführer gelesen und die Ankündigung "anspruchsvoll" des Stadtführers nur auf längere zu Fuß zurückzulegende Strecken bezogen.
Auf dem Weg von einer Sehenswürdigkeit zur nächsten kommt er auch mit einem zufällig vorbeikommenden Deutschen ins Gespräch, der regelmäßiger Gast in Polen ist und dem die unterschiedlichen Verhältnisse in Polen und Deutschland daher geläufig sind. Als sie einen Zebrastreifen erreichen, bleibt der regelmäßige Polen-Besucher wortlos stehen, denn er weiß ja, dass Autos an Zebrastreifen nicht anhalten. Der naive Tourist geht dagegen wie gewohnt weiter und wird prompt angefahren, genau so wie ein weiterer Leidensgenosse aus der Gruppe.
Im Laufe der wüsten Diskussion mit dem Stadtführer sagt der erfahrene Besucher noch zu den Opfern: "Ich bin stehen geblieben, weil ich die hiesigen Gebräuche kenne, ihr hättet Euch mal besser einen gescheiten Reiseführer gekauft. Außerdem war die Führung doch als anspruchsvoll angekündigt." Der Leidensgenosse ist sauer und lässt sich in der Zukunft nicht mehr blicken, und der naive Tourist ist so mit der Diskussion mit dem Stadtführer beschäftigt, dass er die passende Antwort an den erfahrenen Besucher glatt vergisst. Zum Schluß kann der naive Tourist natürlich nachvollziehen, wieso der nur mit polnischen Verhältnissen vertraute Stadtführer ihn nicht gewarnt hatte.
Der Stadtführer kundschaftet mittlerweile eine andere Route aus und schreibt einen Bericht, indem er aber deutlich warnt: "Für Leute, die wie gewohnt an Zebrastreifen einfach weitergehen, nicht geeignet."
Zur gleichen trifft der naive Tourist an einem Zebrastreifen zufällig den erfahrenen Besucher wieder, der gerade über die Verhältnisse an Zebrastreifen referiert, und kann sich jetzt die bisher vergessene Bemerkung nicht verkneifen: "Das hättest Du mir aber auch vorher sagen können!"
Der Stadtführer ist empört über die anhaltende Kritik (schließlich seien andere damals ja auch heil über den Zebrastreifen gekommen) und fühlt sich sogar noch wegen seiner speziellen Vorlieben abgewertet. Aber er werde das nächste Mal deutlich warnen (was dem naiven Touristen angesichts seines Berichts ohnehin längst klar war).
Der erfahrene Besucher ist eingeschnappt: "ICH hätte dich warnen müssen? Dafür ist doch der Stadtführer zuständig! Und über DEN Zebrastreifen bin ich vorher noch nie gegangen, den kannte ich gar nicht. Information ist eine Holschuld!"
(Anmerkung: Polnische Zebrastreifen werden mir genauso wie die Rheinsteig-Wanderung unvergesslich bleiben: Bei meinem ersten Polen-Aufenthalt 2000 als Rucksack-Reisender war ich dank gutem Reiseführer vorgewarnt, aber 2003 mit dem Auto war ich keine 5km nach der Grenze zu sehr mit der Orientierung beschäftigt. Als ein Mann gerade den Zebrastreifen erreichte, bremste ich wie gewohnt. Der Mann blieb wie gewohnt stehen, und das nachfolgende Auto, dessen Fahrer natürlich nicht mit solch grundlosem Bremsen rechnete, fuhr mir hinten auf. Glücklicherweise nur ein paar Kratzer und Eindellungen.)

Worum geht es hier?
1. Der Organisator warnt explizit nicht vor etwas, was ihm vollkommen ungefährlich erscheint.
2. Ein Teilnehmer nimmt Schaden, weil das dem Organisator harmlos erscheinende für ihn eine Gefahr darstellte, worüber er sich aber auch nicht selbst gründlich informierte.
3. Ein Dritter kennt die Umstände und die Gefahr und nimmt daher nicht teil. Er warnt andere nicht, belehrt hinterher aber die Geschädigten.

Obiges Beispiel hinkt etwas, insbesondere ist die Gefahr da unmittelbarer und ofensichtlicher, aber so in der Art hab ich es empfunden. Doch nun zu den Details:

Ich weiß nicht, wo du herkommst - vielleicht sind wir hier im Rheinischen Schiefergebirge etwas "betriebsblind". Wir sind hier leider nicht annähernd so verwöhnt wie z.B. die Berliner.

Genau mein Eindruck, aber am schlimmsten waren für mich die vielen Höhenmeter ABWÄRTS, weil es immer nur rauf und runter ging, DAMIT habe ich nicht gerechnet. Und dass man von Natur harmlose Naturböden dermaßen schottert (warum wurde ja neulich erst diskutiert) hab ich auch noch nirgendwo erlebt.

Nach der äußerst negativen Schilderung der o.g. Etappe (ich würde sagen: Verriss) u.a. von dir bin wiederum ich deutlich gewarnt.

Mein "Verriss" (unten mit >>> gekennzeichnet) ist aber auch im Zusammenhang zu sehen: Die Diskussion begann mit einigen m.E. zu positiven Beiträgen, in denen negative Aspekte vollkommen weggelassen wurden. Dieser "Schönschreiberei" folgte eine drastische und m.E. nun ins Negative hin übertriebene "Schlechtschreiberei". Dieser Beitrag wurde dann aber er im Forum dermaßen zerrissen, dass der Schreiber sich hier nicht mehr blicken lässt. Der Gesamteindruck der Diskussion war zu dem Zeitpunkt: Total ungerechtfertigte Kritik an Super-Wanderung. Das wollte ich nicht so stehen lassen und habe die negativen Aspekte daher zugegebenermaßen überbetont, obwohl ich positive im Bemühen um eine gewisse Objektivität auch nicht ganz wegließ, aber nur KURZ erwähnte:

Die angenehme Kühle im Hochgebirge wird durch den meist schattigen Wegverlauf simuliert (was gerade am Tage des Test sehr angenehm war). Auch sehr schöne Aussichtspunkte waren vorhanden.

Wenn ich mich recht erinnere, hatte den Schatten sogar sonst keiner vorher gelobt. (Da ich auch hitzeempfindlich bin ist mir das in der Tat sehr positiv aufgefallen.)

Nur maximal 30% des Weges besteht aus Wiesen und sonstigen glatten Böden ohne Trainingswirkung

Anmerkung: war so mein ehrlicher Eindruck BIS KASBACH, das nach Aussagen anderer schönste Stück hinter Kasbach (mit der früheren Rutschpartie) ist da nicht mehr mit enthalten.

Ich möchte nicht nochmal dafür verantwortlich gemacht werden, dass ich quasi jemand einen Tag "versaue".

1. Durch Teilnahme an einer für mich ungeeigneten Wanderung wurde mir nicht nur 1 Tag sondern 2-3 Wochen versaut, die ich durch Verschlimmerung der Knieprobleme länger rumgehumpelt bin.
2. Das hätte verhindert werden können durch:
- Man hätte mich vorher gewarnt (Extremfall: "Der Kaffee ist heiß!")
- - Wer? A) Die Organisatoren, die wie schon vorher längst erkennbar war, gar keine Gefahr gesehen haben. B) Bix: Die postete hinterher, sie sei nicht gekommen, weil sie ja hier die Wege-Beschaffenheit kenne, und ihr wäre daher bewusst gewesen, was sie erwartet.
- Ich hätte mich vorher hinreichend informiert. Ich hatte nur etwas im Forum gelesen, da war mir nichts Verdächtiges aufgefallen. Eigene Recherchen, wie bei einer eigenen Wanderung, hab ich, u.a. auch aus Zeitmangel, nicht angestellt. Ich hätte es vorher nicht für möglich gehalten, bei einem so geringen Höhenunterschied zwischen tiefstem und höchsten Punkt einer Wanderung eine so große Menge an Höhenmetern pro Weglänge zu erhalten! (Wenn man im Gebirge auf einen 200 m höher gelegenen Gipfel geht und wieder runter, bringt man es normal vielleicht auf 300 Höhenmeter bergab, das ist für mich OK. Wird es höher, fahre ich mit der Seilbahn runter. Bei ca. 2000 Höhenmetern bergauf ist meine Kondition so langsam am Ende, dann sind es aber auch meist nicht mehr als insgesamt 300 Höhenmeter BERGAB.)
Ich wollte hier niemand direkt verantwortlich machen, aber schon nachdem ich Bix’ Posting vom 10.7.
">>>Allerdings kann "anspruchsvoll" natürlich viel bedeuten; hier habe ich den Vorteil, in der Gegend zu leben - ich weiss, dass es zu vielleicht schlechten Wegstrecken auch noch recht bergig ist..."
gelesen hatte, kam mir natürlich damals schon in den Sinn: "Das hätte Sie ja auch mal früher sagen können!"

Mein Hauptproblem waren die Höhenmeter BERGAB, den Schotter allein hätte ich zwar nicht begrüßt, aber auch gut ausgehalten. Bei Nässe war gewesen bzw. wäre der Schotter wesentlich erträglicher (wurde ja auch kürzlich drüber diskutiert). Den (lt. Aussagen anderer) schönsten Teil hatten ich wegen ABBRECHENS in Kasbach ohnehin verpasst. Vielleicht ist auch der letzte Teil am prägendsten für den Gesamteindruck: Das war bei Euch beim ersten Mal der Matschteil, aber bei mir die geschotterte Steil-Treppe, die mir kniemäßig den Rest gab.

Ich würde die anderen nicht als "dermaßen schotter- und Steilheit-abgehärtet" bezeichnen. Der Rheinsteig wird von (rüstigen) RentnerInnen zügig begangen, das konnte ich mehrfach beobachten, auch in größeren Gruppen, auch diesen Sonntag.

Nach meiner Erfahrung sind die Rentner (viel Zeit, viel Training?) wandermäßig meist am besten trainiert! Da sehen viele Wochenend-Sportsfreunde alt gegen aus! Die fitten Rentner haben dann aber auch alle Schuhe an und keine Knieprobleme.

Für Leute mit Knieproblemen ist so eine Wanderung nicht geeignet. Sie ist für den Durchschnittswanderer (!) offiziell als "mittel" bezeichnet; und von Eva für Barfüßer sicherheitshalber als "anspruchsvoll".

Genau diese Interpretation von "Anspruchsvoll" war mir als Ortsfremden eben nicht klar.

Jedem nach seinem Geschmack! Mir hat es am Sonntag großen Spaß gemacht, und wenn man hier über längere Strecken barfuß wandern und nicht auf sehr wenige Gebiete beschränkt bleiben möchte (Wahner Heide, Fluß- und Bachauen), ist man auf gut geübte Barfüße angewiesen.

Genau meine Meinung! Ich gehe da barfuß wo ich gerade bin und hin will. Ich finde es unpraktisch, nur um auf optimalen Böden Barfuß zu laufen, ewig weit wegzufahren. "z.Z.", d.h. 2006 führten mich meine Fahrten aber vorwiegend in schotterärmere Gegenden. 2004 und 2005 war ich durch Bergwandern in der Gegend von Chamonix, Berner Oberland und in der restlichen Schweiz auch viel mehr Schotter gewohnt, siehe z.B. die Bemerkung in meinem Rheinsteig-Bericht:

Der Tester zählt sich zwar selbst nicht zu den Kletter-Schotter-Experten, hat aber schon einige barfüßige Wanderungen in den Alpen absolviert, so z.B. im Berner Oberland von Lauterbrunnen (799m) auf das Schilthorn (2970m), aber nur bis zur Schilthornhütte (2432m) barfuß, danach mit Wanderschuhen.

Der Schotter an sich (ohne die steilen Abstiege) wäre, wie gesagt harmlos für mich gewesen, wenn auch unerwartet. Bei einer organisierten Barfuß-Wanderung hätte ich ursprünglich auch weniger Schotter erwartet, aber bei meinen eigenen Unternehmungen bleibe ich auch nicht nur auf barfußfreundlichen Wegen, sondern, erkunde was ich z.B. wegen landschaftlicher Schönheit will, egal wie der Bodenbelag ist. Wenn es mir zuviel wird, zieh ich meine Notschuhe an (im Gebirge meist Tevas - die ich aus Gewichtsgründen ausgerechnet damals nicht dabei hatte, ggf. nur Flipflops für kürzere Strecken, die ließ ich im Rucksack, da für steile Stellen ungeeignet).

Du kannst dir sicher sein, dass die am 08.07.06 gemachten Erfahrungen in zukünftigen Wanderbeschreibungen von uns sehr, sehr klar berücksichtigt werden, damit es nicht wieder zu so - für beide Seiten sehr unerfreulichen - Missverständnissen kommt.

Da war ich mir schon längst sicher - spätestens seit Deiner Warnung in dem Bericht über die andere Rheinsteig-Etappe.
Ich wollte eigentlich bloß an die dritte Seite appellieren: Wer eine ungenannte potentielle Gefahr für wogegen auch immer Empfindliche erkennt, möge doch bitte davor warnen.

Viele Grüße,
Leo


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