Bidirektionale Toleranz (Hobby? Barfuß! 2)
Hallo Michael
Seit ca. 5 Jahren lebe ich in der Schweiz und bin sehr gut aufgenommen worden, vermutlich ähnlich wie Du. Insgesamt erlebe ich die Menschen hier als sehr tolerant.
Dennoch hat das geschilderte Problem nicht nur etwas mit Toleranz zu tun. Man muss schon sehen, dass Dein Verhalten für die Polizei Aufwand und Kosten verursacht. Und diese Kosten trägt die Allgemeinheit. Dabei mag man über die Rolle spiessiger Werte philosophieren, aber Du kannst nicht die Menschheit auf einen Schlag kurieren. Und deshalb bleibt letztlich Deine Auffälligkeit der Auslöser für manchen Folge-Aufwand. Deine mehrmaligen Schilderungen hier im Forum hätten Dich eigentlich schon selbst auf diese Idee bringen können.
Und diesbezüglich möchte ich den anderen, die hier auf Deinen Text reagiert haben, beipflichten: Zieh' Dich möglichst ansonsten normal an! Und bedenke, dass es auch im Sinne aller Forumsbeteiligten zur Verbreitung der Akzeptanz des Barfuss-Laufens sicher besser ist, wenn wir ganz offensichtlich zeigen, dass wir zwar keine Schuhe tragen, aber ansonsten völlig normal sind.
Auch ich gehe davon aus, dass Deine kurzen Hosen Deine Auffälligkeit potenzieren. Jedenfalls war ich jetzt eine Woche in München viel barfuss unterwegs. Am Samstag übrigens auch in der Pinakotek der Moderne (die kein Parkett hat) völlig ohne Probleme, am Nachmittag im Deutschen Museum, am Sonntag zur Messe in St. Michael.
Sicher fällt man dabei auf, aber durch mein übriges Auftreten gebe ich ganz klar zu verstehen, dass ich zwar auf Schuhe verzichte, aber weder soziale, noch mentale oder finanzielle Probleme habe. So ergaben sich sehr nette Gespräche, beispielsweise mit einem Polizisten-Paar vor der Siemens-Zentrale, anderen Fahrgästen in der U-Bahn oder einigen freundlichen älteren Herrschaften im EC bei der Rückfahrt.
Jedenfalls hatte ich während meiner gesamten Barfuss-Erfahrung noch nie Probleme mit der Polizei. Also gehe ich davon aus, dass es alleine an den blossen Füssen auch bei Dir nicht liegen kann.
Da ich mich in der vergangenen Woche zu einigen Terminen auch für das Tragen von Schuhe entschied, weiss ich durchaus nachzuvollziehen, welcher Leidensdruck darin steckt, Schuhe tragen zu müssen. Ich war froh, diese wieder los zu sein. Dass das beim Tragen langer Hosen ähnlich ist, kann ich mir aber nicht vorstellen, da Hosen ja nun doch eher zu den lockeren Kleidungsstücken zählen. Vielleicht kannst Du hier Toleranz und Rücksichtnahme gegenüber Deine Mitmenschen praktizieren.
Du siehst an der falschen, weil überzogenen Reaktion des Polizeichefs, wie sein eigentlich berechtigter Wunsch, Dich zu sprechen, seine Sorgen mitzuteilen und bei Dir Verständnis zu wecken, durch die Wahl der falschen Mittel nach hinten losgegangen ist und eher eine grosse Gegenreaktion provoziert. Mache also nicht denselben Fehler. Deshalb würde ich bezüglich der weiteren Äusserungen des Polizeichefs auf einen offiziellen Kampf-Weg verzichten. Solches schafft nur Gegner.
Allerdings solltest Du es nicht auf sich beruhen lassen. Zunächst würde ich die Erlebnisse mal insgesamt dem Gemeinderat schildern und diesen dann vielleicht auch noch gleich über Deine Vorlieben aufklären - damit Du agierst und nicht reagierst. Dort könntest Du Deine Situation erläutern und gleichzeitig das das unangemessene Verhalten des Polizeichefs, vor allem seine verbalen Entgleisungen, anprangern. Ggf. könnte man in dieser Art auch noch andere vorgesetzte Stellen kontaktieren. Auch ein Leserbrief ist eine Überlegung, der will aber sehr gut formuliert sein. Vor allem der Vorschlag von "Barpfotenbär", mit einem Artikel in der lokalen Presse zu erscheinen, könnte sehr hilfreich sein. Vom "Freien Schweizer" bin ich schon mal angesprochen worden. Du wirst sicher etwas finden...
Wer Verständnis erwartet, muss auch verständnisvoll sein - viele Grüsse
Bene