Muß ich heimlich barfuß laufen, Herr Trimmel? (Hobby? Barfuß! 2)

Michael aus Zofingen @, Stammposter, Monday, 07.03.2005, 16:18 (vor 7205 Tagen)

Sonntag, 6.3.2005: Ich war gerade von einem gut einstündigem barfüßigen Spaziergang durch frisch gefallenen Schnee nach Hause gekommen, hatte die Jacke wieder an den Haken gehängt, als es an der Tür schellte. Zwei Beamte der Zofinger Stadtpolizei standen davor und forderten mich auf, mich anzuziehen und mitzukommen, weil ihr Chef unbedingt mit mir reden mußte. Ich zog wieder meine Jacke an und griff zu den Flipflops (wozu eigentlich?), worauf ein Beamter fragte: "Wollen Sie keine anderen Schuhe anziehen?" Ich wollte nicht (und bereute schon, daß ich überhaupt Schuhe angezogen habe, aber in solchen Situationen kann es leicht zu derartigen "Kurzschlußhandlungen" kommen. Ohne Handschellen und Zwangsjacke, jedoch unter den Augen von Nachbarn (darunter einem, den ich absolut unsympathisch finde, sogar meine Mutter mag ihn nicht, und das soll was heißen) mußte ich ins Polizeifahrzeug einsteigen. Die Beamten brachten mich zur Wache, vorbei an auf dem Gang warteten Personen, die alle so aussahen, als ob sie ein schlechtes Gewissen hatte.

Im Büro des Chefs mußte ich Platz nehmen. Schließlich kam er (in Zivil) und fing gleich an zu poltern: "Ich habe es satt, daß andauernd Meldungen über Ihr Verhalten bei uns eintreffen. Barfuß und kurze Hosen mitten im Winter, das ist doch nicht normal!" "Aber es ist nicht verboten!" "Das interessiert mich überhaupt nicht!" Irgendwie erinnerte er mich vom Tonfall her an den Hamburger "Tatort"-Hauptkommisar Trimmel (gespielt von Walter Richter, erinnert sich noch jemand an ihn), ein richtiger "Bullerballer". Als ich auch noch zu sagen wagte: "Barfuß laufen ist gesund!" , polterte er: "Gesund? Jetzt im Winter? Und wenn schon? Das interessiert mich nicht! Tatsache ist, daß JEDES Wochenende hier Meldungen von den Kantonspolizeien Aargau, Solothurn oder Luzern eintreffen. Jedes Mal müssen unsere Leute ausrücken, um dann festzustellen, daß nur Sie es sind! Ist Ihnen denn nicht klar, wie viel das kostet? Und wenn dann wieder ein Anruf kommt, wenn wirklich einer in Not ist, und wir rücken nicht aus, dann sind WIR dran!" Eigentlich hatte er damit recht. Ich antwortete: "Das stimmt zwar. Aber trotzdem empfinde ich es als Eingriff in meine persönliche Freiheit, wenn man mir auch nur in geringster Weise vorschreibt, welche Kleidung ich außerhalb der Arbeit trage. Bei der Arbeit trage ich natürlich Schuhe und lange Hosen, aus Sicherheitsgründen. Aber in der Freizeit trage ich das, was MIR paßt." "Interessiert mich nicht! Wenn Sie bei... (er nannte den Namen eines anderen bedeutenden Zofinger Arbeitgebers, bei dem ich nicht angestellt bin).. lange Hosen und Krawatte tragen, wieso müssen Sie denn jetzt so herumlaufen? Was sollen denn Ihre Arbeitskollegen sagen?" Nachdem ich ihm meinen "richtigen" Arbeitgeber genant hatte, sagte ich: "Meine Kollegen wissen, was ich in der Freizeit trage. solange ich am Arbeitsplatz ordentlich gekleidet bin, DÜRFEN die mir auch nichts anhaben. Solange ich meine Arbeit mache, hat es niemanden zu interessieren, ob ich Schuhe oder keine Schuhe, eine Mütze oder keine Mütze, eine lange oder eine kurze Hose trage. So lange ich nicht völlig ohne Kleidung herumlaufe. Und selbst daß wäre nicht einmal Erregung öffentlichen Ärgernisses, sondern nur eine Ordnungswidrigkeit. Und mein Arbeitgeber ist mit mir zufrieden. Hätte er mich sonst 16 Jahre lang behalten." "Vielleicht hat er Sie nur behalten, weil er Sie nicht so einfach loswerden kann!"

Was er dann sagte, ging mir doch an die Nieren. "Es kann durchaus sein, daß Sie mit Ihrem Verhalten Aufmerksamkeit erregen wollen. Wenn Sie das ihn Sommer machen, dann sagt schon keiner was, aber jetzt im Winter? Sie leben hier doch nicht im Busch! Da dürfen Sie es. Vielleicht wollen Sie sich an kleinen Kindern vergreifen!" "Haben Sie dafür Beweise?" "Die finden wir schon, warten Sie nur ab! Sie sind hier Gastarbeiter, oder sind Sie etwa hier aufgewachsen?" Ich sagte meine Herkunft. "Dann benehmen Sie sich auch hier wie jeder normale Mensch. Wenn ich noch mal eine Beschwerde über Sie höre, dann melde ich das Ihrem Arbeitgeber, dem Stadtrat, und dann werde ich dafür sorgen, daß Sie eingewiesen werden!"

Somit war er fertig, sein Kopf war hochrot. Die anderen Beamten, die die ganze Zeit dabei geblieben waren, waren dagegen bleich. Offensichtlich hatten sie Angst ihrem Chef. Sie "durften" mich wieder nach Hause fahren. Einer sagte leise: "Der Chef meinte es ernst!" Dann fragte er, was am Barfußlaufen gesund sei, worauf ich sagte, daß es mir bei Knie- und Rückenproblemen geholfen hatte.

Ich habe ja schon viele Polizisten erlebt, die meisten bleiben höflich. Vom Polizeichef konnte man das nicht sagen. Es scheint einer zu sein, der den Posten noch nicht lange inne hat und nun gegenüber seinen Untergebenen und der Stadtbevölkerung sagen will, daß nun ein anderer Wind weht als unter seinem Vorgänger. Gewiß hat er in gewisser Hinsicht recht. Aber ist das ein Grund, einen Barfüßer wie einen Schwerverbrecher zu behandeln. Oder ist er normalerweise anders und hat sich maßlos darüber geärgert, daß er am Sonntag außerplanmäßig an seinen Dienstort mußte, und nur wegen eines "blöden" Barfüßers. Das ist sicher nachvollziehbar. Ich wäre sicher auch böse, wenn ich mir am Wochenende eine Barfußwanderung vorgenommen habe, dann aber wegen mangelhafter Arbeit eines "blöden Schichtarbeiters" in Dienstkleidung am Arbeitsplatz erscheinen müßte. Aber ist ein Polizist wirklich dazu berechtigt, mit derartige "Gestapomethoden" zu drohen? Ist er nicht. Er wird vielleicht auch nicht Ernst machen. Andererseits hätte ich keine Handhabe gegen ihn, denn als einzige Zeugen waren seine Untergebenen zugegen, die selbstverständlich alles abstreiten würden, wenn ich etwas gegen ihren Chef unternehmen sollte. Vielleicht war es auch nur ein Schachzug des "Oberbullen". Wenn es ihm tatsächlich mit seiner Drohung gelingen sollte, daß ich weniger barfuß unterwegs bin (oder zumindest weniger bemerkt werde) dann hat er vielleicht das erreicht, was er erreichen wollte, nämlich ein dienstfreies Wochenende.

Was mir aufgefallen war: Einerseits war "Herr Trimmel" nicht informiert (falsch genannter Arbeitgeber, kein Wissen über meinen Antrag auf Einbürgerung, der seitens des Bundes noch offen ist, von der Stadt aber längst beschlossen), andererseits wußte er, daß zu meiner Dienstkleidung auch eine Krawatte "gehört", ohne daß ich es erwähnt habe. Offensichtlich wurde ich schon länger beobachtet, sowohl barfuß, als auch in Dienstkleidung. Bahnt sich eine weitere "Fichenaffäre" an, in der gegen Barfüßer und andere Staatsfeinde vorgegangen werden soll. Sollte es im liberalen Städtchen Zofingen doch mehr Spießer und Neider geben als mir lieb ist? Oder sind auch die eine Minderheit wie wir Barfüßer? Zumindest war mit meine gute Laune unmittelbar nach meinem Barfußspaziergang total in den Keller gesunken.

Und am meisten ärgerte mich, daß ich auch noch Flipflops angezogen hatte. Dabei wären die auf dem Gang zum Polizeiauto, im Auto, auf dem Weg ins Polizeigebäude und im Gebäude selbst genauso überflüssig gewesen wie ein Kropf!

Mit ärgerlichen Grüßen

Michael aus Zofingen


gesamter Thread:

 RSS-Feed dieser Diskussion