Stadtluft macht frei - Eltern nicht (Hobby? Barfuß! 2)

Markus U., Stammposter, Tuesday, 04.01.2005, 00:26 (vor 7207 Tagen) @ Michael aus Zofingen

Hi Andi und Michael!

"zum Einen wollte ich mit den Socken und Schuhen bewirken, dass die Füße auch richtig warm sind, wenn ich sie ausziehe um los zu gehen"
Füße werden zwar warm dadurch, aber auch empfindlicher gegen mechanische Belastung. Ein Kompromiß wäre etwa, mit Schuhen das Haus verlassen, im Wagen die Schuhe ausziehen und barfuß losfahren. Dann gewöhnen sich Deine Füße während der Fahrt an die frische Luft. Und Du hast fologenden Ärger nicht:
"und zum Zweiten mag ich, wie schon in einem der vorigen Berichte erwähnt, das Gelaber meiner Eltern nicht, die das (vor allem meine Mutter) etwas stört."
Oder steht Deine Mutter mit Stoppuhr an der Tür und mißt, wie lange Du bis zum Wegfahren brauchst?
"Würde ich allein wohnen, täte ich es auch mit Sicherheit! Wenn ich Arbeit habe, werde ich diesen Schritt auch gehen, auch wenn es mich dann teurer kommt! Aber wie ein Freund von mir schon mal sagte: "Die Freiheit kostet eben Geld"! Das war natürlich auf eine Wohnung bezogen, im Übrigen wäre das natürlich sehr schlimm!"
Stadtluft macht auch frei! Die Landarbeiter, die beim Bauern auskniffen und in die Stadt zogen, mußten auch feststellen, daß Freiheit Geld kostet. Zwar lebten sie nicht mehr in Knechtschaft, jedoch mußten sie für alles (Wohnung, Essen, Feuerung) bezahlen, was beim Bauern umsonst war. Wer kein Geld hatte, der verelendete, auch in der Stadt (und zu Beginn der Industrialisierung GERADE in der Stadt.

Das ist historisch nicht richtig, denn in Deutschland endete die Leibeigenschaft zu Beginn des 19. Jh. in den zu Frankreich gekommenen Gebieten sowie unter französischem Einflusse in sämtlichen Rheinbundstaaten, und um 1810 auch in Preußen im Gefolge der Stein- Hardenbergschen Reformen, während die Industrialisierung in größerem Umfange in Deutschland erst um 1850 einsetzte.

Ganz frei wird man übrigens nie. Selbst wenn man steinreich werden sollte, am anderen Ende der Welt leben sollte, dann würde eine hunderjährige Mutter einem 73jährigen Sohn immer noch kritisieren, wenn er barfuß in seiner eigenen Wohnung läuft (Hausrecht hin oder her) oder lange nicht mehr beim Friseur war.

So etwas habe ich, als ich in Krefeld wohnte, unmittelbar vor meiner Wohnungstüre erlebt: eine hundertjährige Mutter, die ihrer 75jährigen Tochter, die im selben Hause wohnte, eine kräftige Standpauke hielt (aber nicht, weil die Tochter barfuß gelaufen wäre). Hinterher entschuldigte sich die Tochter kleinlaut. Die Mutter starb im Alter von 101 Jahren.

Soweit eine "weitgehend ungestörte Freiheit für einen längeren Zeitraum" gewährleistet ist (soll heißen: zufälliges Zusammentreffen ausgeschlossen), dann kann die Freiheit sogar Geld einsparen. Man läuft so oft man will barfuß (und spart Geld für den Verschleiß an Schuhen), man trägt nicht eltern-konforme Kleidung, die nicht sehr pflegeintensiv ist, man dreht die Heizung möglichst tief anstatt daß man in der Wohnung schwitzen muß, weil die Mitbewohner Frostködel sind. Ich merke jedesmal, wie teuer es ist, wenn meine Eltern zu Besuch kommen, wobei ich nicht einmal die Ausgaben meine, die ich habe, damit sich meine Eltern bei mir wohlfühlen, sondern nur um Kosten für Routinedinge, die eigentlich ständig anfallen (sollten), ich aber (ohne Wissen der Eltern) meistens nicht habe. Dazu gehört unter anderem der Friseur. Bleibt ein Trost: Da meine Eltern im Sommer kommen, brauche ich mir keine Sorgen um erfrorenene Füße machen
zu machen, wenn ich barfuß zum Friseur fahre.
Schöne Grüße
Michael aus Zofingen

Freiheit kriegt man allermeist nicht geschenkt, sondern man muß sie sich erkämpfen! Bei meinen Eltern kreuze ich im Winter nicht barfuß auf, weil ich sie in ihrem Hause nicht provozieren will, aber alle anderen Freiheiten, einschließlich meiner langen Haare, habe ich mir in erbitterten Auseinandersetzungen mit meinen Eltern erkämpft! Man muß seinen Eltern energisch klarmachen, daß es das eigene Leben ist, das man in freier Selbstbestimmung leben will, und auch die Eltern müssen die Grundrechte ihrer volljährigen Kinder respektieren. Das ist nicht einfach, aber wenn die Eltern nach einiger Zeit ihre "Lektion", die ihnen gewiß nicht leichtfällt, gelernt haben, ist das Verhältnis hinterher wesentlich entspannter!

Merke: Wer es sich zu leicht macht, hat es auf die Dauer letztlich schwerer.

Barfüßige Wintergrüße,
Markus U.


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