Leute, die einem auf die nackten Zehen steigen (Hobby? Barfuß! 2)

Bernd (Frankfurt), Stammposter, Wednesday, 02.01.2008, 11:51 (vor 6105 Tagen) @ Jay

Hi Jay,

schön, wieder was zu dir zu lesen, da mich dein Erzählstil immer wieder aufheitert.
Ebenfalls schön für mich zu realisieren, dass ich Glücklicher nicht in der Gegend jener bayerischer Urgesteine lebe, welche durch ihre unnachahmlich rustikale, limitierte Art immer wieder selbst entsprechende Stereotypen bedienen.

Jeder Barfußläufer hat bzw. hatte in seiner Geschichte mit Anfeindungen, dummen Blicken, dummen Sprüchen etc. zu tun, der eine mehr, der andere weniger. Ich zähle mich zu jenen, die eine wunderbare , unbeschwerte Barfußzeit an der Uni hatten, heute aber aufgrund der Lebensumstände nur noch in ihrer Freizeit barfuß laufen können. Ist schon okay so.

Wie heißen sie noch bei euch, diese alten Betonköpfe, die an allem was auszusetzen haben, denen man es einfach nicht recht machen kann? Ich glaube, die heißen Grantler. Stimmt, Jay, du hast Recht, wenn du sagst, diese Typen sind potenziell gefährlich, da sie es sind, die in einer Supermarkt-Warteschlage einfach mal ganz ungewollt ihren Einkaufswagen in deine nackten Zehen krachen lassen. Ich hatte mal, vor Jahren, ein entsprechendes Erlebnis am Bankautomaten. Schauder!

Erträglich noch, wenn's "lediglich" beim Granteln bleibt.
Wie begegnet man solchen Typen am besten?
Ich denke, du begibst dich - mehr oder weniger - auf deren Augenhöhe, wenn du Stellung nimmst. Warum denen etwas entgegenschleudern? Ich denke nicht, Jay, dass diese Holzköpfe deine schlagfertigen, pointierten Antworten spiegeln können.
Wie heißt es doch gleich, das gute alte metakommunikative Axiom nach Watzlawick? "Man kann nicht nicht-kommunizieren."
Also: am besten gar nichts sagen, die Leute abschätzig anschauen. Darüber ärgern sie sich am meisten.

Dir und allen anderen ein schönes neues, gesundes 2008.

Bernd

Hi,
seit der Sache im "Hofbrauhauskeller" meiner Kleinstadt (überraschendes Statement nach dem Mittagessen: 'BF wollen wir Sie hier nicht mehr sehen') ist in den vergangenen Monaten bei mir nicht viel Besonderes im BFigen Alltagsleben passiert. Die diesmaligen Äußerungen eines Ehepaares von "Kultur", dem mein BF nicht gefiel, sind mit die skurrilsten & bescheuertsten, die mir je vorkamen. Sehr spannend ist die Sache allerdings nicht.
Zur Illustration der Sprechblasen dieses Zeitgenossen, der das Klischee vom rustikalen, ungebildeten Bayern-Büffel hervorragend verkörperte, bediene ich mich der phonetischen Umschreibung [Übersetzung in eckigen Klammern].
Es war am 7. Dezember, einem Freitag. Mein erster Blick nach dem morgendlichen Aufwachen gilt stets dem Thermometer an meinem Schlafzimmerfenster, worauf sich sofort entscheidet, ob der Tag auch outdoor BF stattfindet. Draußen tobten Orkanböen, & siehe da, es hatte +13°! (das sollte nicht lange so bleiben, deswegen stürmte es wie verrückt).
Kein Grund also (trotz Kälteweichei, das ich bin), den Tag nicht voll BF durchzuziehen & ich war happy, weil ich gerade eine extreme BF-Lustphase hatte. Das geht dann soweit, daß ich im Bett z. B. mit einer frischen Jeans & mit nacktem Oberkörper schlafe, weil BF im Pyjama irgendwie kein richtiges, authentisches BF ist. Außerdem war ich, soweit ich mich erinnern kann, noch nie in einer 1. Dezemberhälfte* outdoor BF, es wurde also Zeit, daß das auch 'mal kam. Ich kleidete mich vollständig , d. h. Unterhose, Jeans & mein wärmster Pullover (standardisiert habe ich stets nur 3 Kleidungsstücke am Leib, ich mag am Oberkörper kein Mehrschichten-Prinzip. Leider geht´s ja doch nicht immer ohne Shoes & Socks).
Das Treppenhaus war allerdings sehr kalt, auch die Straße (kein Sonnenschein, der gerade im diesjährigen März BF auf Asphalt zur angenehmen Sache werden ließ).
Heftigster Wind wehte meine lange Matte durcheinander. Vor lauter Haaren war ich immer wieder blind, ein abstruses, bisher nicht gekanntes Feeling kam hinzu: Ausgesprochen kalte Füße & sonst ein vergleichsweise mild temperiertes reißendes Luftbad, das mich am Gehen hinderte. Im Auto fror mich wieder. Ich war happy, als ich die erste zarte Heizungswärme in den Fußraum auf meine Pranken bekam & fuhr in mein Frühstücks-Stammcafe in einer großen Einkaufs-Mall unweit vom Münchner Flughafen.
Im Cafe reagierten "sie" nicht, obwohl sie mich bereits geraume Zeit nicht mehr BF gesehen hatten. Da ich beruflich viel Streß hatte & das ganze Wochenende durchmalochen mußte, tätigte ich darauf meine gesamten Einkäufe für die nächsten Tage. Im 1. Stock nahm ich 2 Packungen Toastbrot an mich. Ein gesichtsmäßig sehr rustikal aussehendes Ehepaar (beide um die 60, er mit Hut, sie mit Mütze) stand etwas abseits & sah mir zu. Sie glotzte & Er hob zu sprechen an, offenbar absichtlich so, daß ich es hören konnte:
"Oiso woaßt scho, hoib ozong in da Öffentlichkeit..." [die ermahnende Duzformel "Also weißt du schon..." soll heißen: Was fällt denn dir ein, ist ja allerhand! ..."halb angezogen in der Öffentlichkeit"...]
Er wartete ab, ob ich etwas sagen würde. Tatsächlich war ich diesmal allerdings blank. Ich beschloß, ihn weiterreden zu lassen, sodaß zunächst ER SICH mit möglichst viel Blödsinn in Szene setzt.
Darauf Sie: "D´Leit ham koa Kuitur nimmer...ohne Schuah...mit nackate Fiass" [Die Leute haben keine Kultur mehr...ohne Schuhe (sinngemäß: er ist ohne Schuhe)...mit nackten Füßen].
Man hätte die Sache zwar etwas aufgreifen können mit "ich wußte gar nicht, daß Hut- & Schuhzwang gleich Kultur erzeugt" (relativ schwach) oder mit einer gereizten Rückäußerung völlige Verwirrung stiften & ebenfalls einen Menschen von Autorität verkörpern können. Erst auf der Heimfahrt fiel mir ein:
"Ach nein! DAS wollen SIE mir sagen! Ich bin Kulturschaffender. Künstler. Internationaler Schuhdesigner, wegen der Chinesen fast pleite. Grad' war das Finanzamt bei mir, hat vollstreckt & trotz meiner dringenden Bitte kein einziges Paar & keinen einzigen Entwurf dagelassen..."
Es schien aber bei den 2 den meisten Ärger erzeugt zu haben, daß ich tatsächlich gar nicht reagierte & als 'kulturloser', nonchalant auf Schuhe verzichtender Banause 'rüberkam, der solche "berechtigte" Kritik ignoriert. Außerdem wollte ich meine Ruhe haben, meine Erledigungen durchziehen, setzte an, lässig schlendernd weiterzugehen & hörte noch die Worte: "Des kumt vo dem, daß bei uns zvui erlaabt is..." [Das kommt daher, weil bei uns zuviel erlaubt ist].
An der Kassenwarteschlange sah ich die beiden etwas vor mir wieder. Er geriet in eine Schizophrenie dergestalt, daß er zwar mit damit beschäftigt war, seine Ware nach der Kasse in allerlei stillose, primitive Plastiktüten zu verpacken, aber ständig nach mir äugte. Mehr noch: er gab sich Mühe, zu verbergen, daß er ständig konzentriert nach mir schauen wollte. Scheinbar war ich doch irgendwo sehr interessant für ihn.
Tatsächlich war Er sehr vollständig angezogen (auch Sie, beide im dicken Mantel, massive Fußverpackung) & bediente noch ein anderes Klischee: Fahrer mit Hut. Ich glaube, ihn auf den letzten Streckenabschnitten meiner Hinfahrt als Vordermann gehabt zu haben. Seinen Hut behielt er auch im Auto an (an jenem Tag outdoor schwierig wegen des Sturmes). Charakteristikum dieser Sorte von 4radlenkern: Im Ort wird exakt 50 gefahren... & bei der geringsten Zuckung des Autos, etwa wenn einem Stück Hundekot ausgewichen wird, wird der Blinker gesetzt.
Das war´s auch schon. Trotzdem ist dieser Menschenschlag, selbst wenn er gar keine Sprechblasen emittiert, nicht ganz ungefährlich. Es ist die Sorte, die in einer Menschenschlange, z. B. in einer Bank gerne rein "versehentlich" auch mal nach hinten steigt (wurde hier schon berichtet), um 'belehrend' anderer Leute´s Zehen zu treffen.
Kollegiale Grüße an die Vertreter der minimalistisch-nihilistischen Schuh-Kultur-Richtung. Eine problemlose Etablierung für 2008 wünscht Jay.
--
*) in der 2. Dezemberhälfte durchaus. Die Weihnacht ist in "meiner" Gegend seit Jahr10ten nur selten weiß, an mindestens 3 Silvesterpartys (mit bereits vollBFiger Anfahrt) erinnere ich mich konkret. BF auf dem Weihnachtsmarkt gab´s bei mir, glaube ich, nur 1x (19.12.1978 in MÜnchen mit +19°?) - es war herrlich.


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