Barfuß in Stadt und Land (Hobby? Barfuß! 2)

Michael aus Zofingen, Stammposter, Friday, 07.09.2007, 06:19 (vor 6223 Tagen) @ Jörg (Hanna)

Oder anders gefragt, gab es im MA (bzw. bis zum vorletzten Jahrhundert) auch einen Unterschied zwischen dem - sagen wir "Ansehen" - von barfuß zwischen Stadt und Land? Da die Reichen vor allem in der Stadt gewohnt haben dürften (oder liege ich da falsch), erklärt sich das eine vielleicht durch das andere und hat sich bis heute als Anachronismus gehalten?
barfuß = arm
Stadt = reich (viele Reiche)
arm ≠ reich
=> barfuß ≠ Stadt

Hallo Jörg,
es gab früher einen Spruch "Stadtluft macht frei". Das stimmte aber nur bedingt. Denn nicht jeder, der in die Stadt wollte, kam auch hinein, schließlich gab es die Stadtmaueren und Stadttore. Bettler, Wegelagerer, Zigeuner und sonstiges armes Volk, das öfter als andere barfuß liefen, wurden gar nicht erst in die Stadt gelassen, schon gar nicht, um sich da häuslich niederzulassen. Eine Niederlassungbewilligung hatte nur derjenige, der Geld hatte, einen guten Leumund usw. Und diese Leute waren in der Regel fett beschuht.

Aber auch in der Stadt lebten Leute, die nicht reich waren, nämlich die Bediensteten der reichen Leute. Die Bediensteten waren aber auch nicht barfuß im Gegenteil. Da diese Leute oft "Kundenkontakt" hatten (etwa beim Kofferschleppen der Gäste, servieren usw.) waren die Herrschaften darauf bedacht, daß ihre Untertanen zumindest äußerlich einen ordentlichen Eindruck machten. An der Kleidung der Bediensteten erkannten die Gäste, wie wohlhabend deren Herrschaften sind. Das das Schuhwerk der Bediensteten (und auch der Herrschaften) alles andere als gesundheitsfördernd war, überrascht wohl nicht.

Dann gab es aber auch noch Leute, denen es verboten war, innerhalb der Stadtmauern zu leben, obwohl sie Stadtbedienstete waren. Sie hatten ihre Wohnung VOR den Mauern der Stadt. Das waren Leute mit "unehrlichen Berufen", dazu zählten unter anderem der Henker und der Büttel (jawohl!). Diese Leute waren zwar nicht gerade reich, aber immerhin fett beschuht.

Wer damals also barfuß war, mußte einer vom Land sein (aber auch damals war nicht jeder von Land barfuß, die reichen Großgrundbesitzer sicher nicht.

Heute hat sich alles geändert. Die Altstädte nehmen nur einen verschwindend kleinen Teil der Stadtfläche ein. Und viele Dörfer sind zu teilweise gesichtslosen Großgemeinden geworden. Die Grenze zwischen "Stadt" und "Land" verwischt immer mehr.

Früher war es auf dem Land barfußfreundlicher, heute eher in der Stadt.
Früher war das Land völlig naturbelassen, in der Stadt wurden Abfälle nicht selten aus heutiger Sicht unsachgemäß entsorgt. Heute dagegen sind auf dem Land viel Feldwege fies geschottert, während in der Stadt (zumindest in der Innenstadt) die Wege besser barfuß begehbar sind und die Straßenreinigung meistens auch schnell zur Stelle ist, wenn mal was auf den Boden fällt. In den "Problemvierteln" einer Stadt sieht es natürlich ganz anders aus. Dort wird man auch besonders schief angesehen, wenn man barfuß läuft.

Schöne Grüße
Michael aus Zofingen


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