Als Mittelalti ist es aber gar nicht mal so unüblich, barfuß zu laufen. Mittelalterliche Schuhe als Repliken sind relativ teuer und außerdem sind damals die Leute halt deutlich häufiger barfuß gelaufen - außer in der Stadt, in der man sich dann Holzschuhe angezogen hat, weil man durch den Dreck auf dem Boden nicht durchlaufen wollte.

Hallo Jens,
das ist eine interessante Aussage. Ist das verbrieft?

Das Stichwort heißt: Trippen. Eine Freundin von mir studiert Geschichte und hat mal für eine Hausarbeit Repliken von den Dingern angefertigt.

In Lübeck, das an einigen Stellen noch das mittelalterliche Stadtbild erhalten hat, kann man das eigentlich sehr nett sehen: da gibt es einige Häuser, an denen man genau sehen kann, wie hoch der Schmodder stand. Wie Dominik schon richtig anmerkte: der Unrat wurde einfach auf die Straße gekippt.

Hepatitis war vermutlich auch ein Problem, viel schlimmer war aber die Verbreitung von Cholera, Ruhr und eben auch der Pest. Um das Mittelalter aber mal ein wenig vom Haken zu lassen: wirklich besser wurde es eigentlich erst Anfang des 20. Jahrhunderts. Als in Hamburg Ende des 19. Jahrhunderts eine Choleraepidemie ausbrach und Robert Koch als Experte gebeten wurde, sich die Lage hier mal anzusehen, schrieb er schockiert über die hygienischen Zustände in der Stadt an seine Kollegen: "Meine Herren, ich vergesse, dass ich mich in Europa befinde!"

Es könnte erklären, warum es bis heute bei vielen als verpönt gilt, in der Stadt bf zu laufen.

Ich glaube nicht, dass es etwas damit zu tun hat. Ich schätze, dass es so kam: Ritter, Heerführer, Könige, etc. trugen Schuhe, weil sie a) es sich leisten konnten und b) es für ihre Aufgaben notwendig waren. Ein Ritter hat nicht die Zeit, einen anderen Weg zu wählen, wenn der Pfad vor ihm steinig ist. Außerdem hat er schwere Rüstung an, die ihn in den Boden drückt. Das gemeine Volk hingegen konnte es sich aussuchen.

Das führte dazu, dass "barfuß" ein Merkmal für "arm" oder "niedergestellt" ist. Diese Vorstellung haben wir zum Teil heute noch, ich erinnere an das Lied von Harald Juhnke: "Barfuß oder Lackschuh, alles oder nichts..."

Seit dem Mittelalter hat sich zwar viel verändert, aber es gibt immer wieder Phasen, in denen "Wohlstand nachzieht". In der französischen Revolution wurde der Adel geköpft und "das Volk" tat nun Dinge, die eigentlich dem Adel vorbehalten waren. Ich schätze, das irgendwo dort oder bei der deutschen Revolution 1848 oder irgendwann danach langsam die Menschen anfingen, barfuß sein als ein Zeichen des niedrigsten sozialen Standes anzusehen und damit als ein Relikt aus der Zeit der Unterdrückung durch die Oberen. Um zu zeigen, das man frei ist, wurden Schuhe angezogen und es gehörte dann irgendwann zum guten Ton. Und irgendwann dachte niemand mehr darüber nach und jeder machte es, weil es alle machen.

So könnte ich mir das denken.

Wegen des Drecks (jaja, ich weiß, rein subjektiv) bin auch ich bis heute noch nicht zum begeisterten Großstadtbarfüßer geworden.

Ganz ehrlich: soviel Dreck ist da wirklich nicht. Man hat mir prophezeit, meine Füße würden sich schwarz färben. Völliger Quark, meine Füße sind absolut in Ordnung und fleischfarben. Hier und da liegt mal eine Scherbe, die man dann großzügig umschifft - aber schlimm ist was anderes.

Da ich aber in einer Großgemeinde mit Kleinstadtcharakter wohne, muß ich das im Alltag auch nicht. Dabei ist der heutige Großstadtdreck vermutlich noch wesentlich angehnehmer und gesünder als der, der im Mittelalter die Städte "zierte"...

Vermutlich. Dominik sprach zwar von Asbest und Co, aber das ist glücklicherweise doch eher die Ausnahme. Mehr Gedanken würde ich mir über die Luft machen, die wir atmen. Im Mittelalter hatten sie halt noch kein Kohlenmonoxid, kein Benzol und sonstiges...

Ich selbst bin kein großer Mittelalterfan, meine Frau zieht's aber auch immer mal wieder auf diese Märkte. Am Wochenende findet z.B. einer in Fürstenfeldbruck statt, den wir besuchen wollen (bei mir um die Ecke), ich hoffe, daß das Wetter bis dahin wieder einen bf-Besuch zulässt.

Dann viel Spaß dabei :)

Alles Gute,

Jens

Serfuß,
Jörg

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