Schriftwechsel mit DB (Hobby? Barfuß! 2)
Hallo Ulrich,
Deiner Meinung, wie die Deutsche Bahn versucht, Michael (KO) abzuwimmeln, kann ich mich im wesentlichen anschließen:
"Da werden Hygienegründe genannt, obwohl die Bahn schließlich das unsaubere an der Sache ist. Es werden schließlich eher saubere Füße schwarz, als schwarze Füße sauber. Das heißt, der Barfüßer nimmt Schmutz der DB AG mit seinen Füßen auf und macht Bahnanlagen dadurch sauberer! Man könnte das natürlich auch als Diebstahl von Schmutz betrachten. "
Da die Bahn sich schon lange "das Rauchen abgewöhnt" hat, gehe ich nicht davon aus, daß das Schwarze, das man sich beim Barfußlaufen über Bahnhöfe holt, noch Kohlenstaub oder Ruß von Dampfloks ist. Der meiste Dreck kommt vermutlich nicht von der Bahn selbst, sondern von den Bahnbenutzern oder ist natürlichen Ursprungs (z.B. Taubenkot). Man kann natürlich nicht von der Bahn erwarten, daß sie hinter jedem Bahnbenutzer und jeder Taube herwischen, nur um den Boden "klinisch rein" zu halten. Falls die Bahn wirklich Anzeige wegen "Diebstahl von Schmutz" erstatten sollte, weil sie den Schmutz als ihr Eigentum ansieht, dann sollte sich diese aber nicht auf Barfüßer beschränken. Auch mit Schuhen kann man Dreck klauen, sogar deutlich mehr!
Was Gefährdung anderer Leute anbelangt: Wer barfuß Bahn fährt, beschädigt Bahneinrichtungen und gefährdet andere Fahrgäste weniger als ein Schuhträger. Es sei dann, man ist Dauerbarfüßer und man hat Zehennägel wie Bärenkrallen. Sollten tatsächlich die Nägel an menschlichen Extremitäten als Gefahr angesehen werden, dann müßten Handschuhe nicht weniger obligatorisch sein als "Fußschuhe". In irgendeinem Eisenbahnbuch habe ich vor Jahren mal eine historische Bahnverordnung gelesen. Da war z.B. Damen mit Hutnadeln die Benutzung nicht gestattet, ebenso Schornsteinfegern in Arbeitskleidung (letztere führen ihren Beruf zwar längst nicht mehr barfuß aus, aber immerhin sockenlos). Von Hutnadeln geht wirklich eine Gefahr aus, und was den Schornsteinfeger anbelangt, so war es sicher nicht wegen der Sockenlosigkeit "aus hygienischen Gründen", sondern wegen des Schornsteinrußes an der Arbeitkleidung, der sich nicht auf Sitzpolster in den Zügen bzw. Pelzmäntel usw. der Bahnreisenden übertragen sollte (von krebserregenden Benzpyren usw. redete damals noch keiner, darunter hatten wohl auch mehr die Schornsteinfeger selber zu leiden, wenn sie den ganzen Tag ihre "Uniform" tragen mußten).
"Ich habe den Eindruck, dass dieser Bahnangestellte nicht das geringste Interesse an einer Klärung des Vorfalls oder an einer Verbesserung der Situation hat. Vermutlich hält er dich einfach nur für einen Verrückten, so nach dem Motto: "Der läuft immer barfuß? Der muss völlig verrückt sein, so was macht doch keiner.""
So etwas ist häufig die erste Meinung. Und wenn man einen für verrückt hält, weil er barfuß läuft, dann traut man ihm auch zu, daß er im Zug anfängt zu randalieren oder andere Fahrgäste auszurauben (Verrückte sind ja finanziell schlecht gestellt, denn ohne Arbeit hat man kein Geld, und welcher normale Mensch gibt schon einem Verrückten Arbeit?) würde. Also wird er ausgeschlossen.
Mit dem Hausrecht ist es solche Sache. Solange etwas nicht schriftlich festgehalten ist, kann eigentlich jeder Bahnangestellte nach eigenem Gutdünken handeln. Ich weiß allerdings nicht, wie es aussieht, wenn man bereits für eine Leistung bezahlt hat und nun diese Leistung nicht erhält. Beispiel: Man hat eine längere Bahnreise lange Zeit im Voraus reserviert für bestimmte Züge und muß daher nun weniger bezahlen. Wenn man nun aber barfuß ist und auf einem Umsteigebahnsteig von "Rotdeckeln" oder Grenzschützern derart lange aufgehalten wird, daß man den reservierten Anschluß verpaßt, muß man dann nachbezahlen, so wie man es muß, wenn man den reservierten Zug "verschlafen" hat? Oder muß die Bahn dann ähnlich kulant vorgehen wie bei einem Menschen, der wegen ZUGverspätung den Anschluß nicht bekommt? Wohl mehr ein Thema fürs "blaue Forum".
"Vielleicht wäre es hilfreich, wenn wir alle ihm auch mal unsere Meinungen per Email mitteilen würden, damit er sieht, dass es noch andere Barfüßer gibt. Ich könnte ja auch mal meine Meinung zu diesem Vorfall der DB AG mitteilen, dazu müsstest Du aber die Emailadresse, an die Du geschrieben hast, und ein paar Namen nennen.
Möglicherweise könnte man sich aber auch an noch höherer Stelle über die Email-Antworten beschweren. Oder wäre es vielleicht besser, wenn man die ganze Sache vergisst, damit die Bahn auch in Zukunft nicht an Barfüßer denkt und dadurch auch nicht auf die Idee kommt irgendwann ganz offiziell das Tragen von Schuhen vorzuschreiben?"
Ich befürchte, daß einzelne Beschwerden bei der Bahn nicht allzu viel bringen. Als großes und auch heute lediglich auf dem Papier "nichtstaatliches" Unternehmen ist die DB AG wie fast jedes Großunternehmen reaktionsträge. Ein Angestellter der "Beschwerdestelle" geht den Weg des geringsten Widerstandes, in dem er schreibt "Ich empfehle Ihnen, in Zukunft Schuhe anzuziehen bla, bla, bla" nur um des lieben Friedens willen, d.h. um selber möglichst wenig Arbeit davon zu haben. Die Wahrscheinlichkeit, daß bei Beschwerden an höherer Stelle etwas passiert, ist gering. Erst wenn eine geballte Ladung Beschwerden dort eintrifft, wird es zu Reaktionen kommen, aber welche? Früher kam es kaum Schilder auf Bahnhöfen, was dort verboten ist. Heute aber hängen überall unübersehbare Tafeln, auf denen so ziemlich alles steht, was verboten ist: betteln, laut musizieren, Papierkörbe durchwühlen, radfahren, auf dem Boden sitzen (wobei gleichzeitig die vorhandenen Sitzgelegenheiten deutlich reduziert wurden und die verbliebenen nicht mehr als "Liegegelegenheit" zu gebrauchen sind). Wie einfach ist es, bei einer Neuauflage der Verbotstafeln (und das passiert häufig und ist "selbstverständlich" wichtig, z. B. wenn sich die Farbe oder Form des Betriebslogos ändert oder wenn sich der Dienstgrad des verantwortlichen Direktors "erhöht" hat), dann ist es kaum ein Mehraufwand, auch noch folgendes hineinzuschreiben:
Etwa direkt:
- Das Barfußlaufen in den Bahnhöfen und den Fahrzeugen der Deutschen Bahn ist verboten!
Oder etwas schwammiger:
- Die Benutzung der Bahnanlagen ist nur mit geeignetem Schuhwerk erlaubt!
(Womit Barfüßer ausgeschlossen wären, die "Weisungsbefugten" jedoch Leute mit "ungeeignetem" Schuhwerk ausschließen könnten, wobei rein willkürlich entschieden werden kann, was ungeeignet ist, etwa Flipflops an den Füßen älterer Männer, nicht aber Flipflops an den Füßen junger attraktiver Damen) .
Oder:
- Die Benutzung ist nur in einer Kleidung erlaubt, die sich auch zu tragen geziemet!
(dann würde vielleicht eine Aufsichtsperson, die mal als "Domschweizer" tätig oder aus russisch-orthodoxen Kreisen stammt, die Gepflogenheiten in ihren Kirchen auch auf "Verkehrskathedralen" übertragen und möglicherweise nicht nur Barfüßer, sondern auch Leute in kurzen Hosen an der Reise hindern)
Und so etwas wollen wir sicher nicht. Und neben einem Barfußverbot könnte es wie in vielen Verkehrskathedralen und in mindestens einer Tropfsteinhöhle auch zum Fotografierverbot kommen, und das wollen wir auch nicht.
Vielleicht kommt es ja zu einem Barfußtreffen in Koblenz im Dezember. Und vielleicht hat dann zufällig auch derselbe "Rotdeckel" Dienst. Es wäre nicht sinnvoll, gemeinsam auf ihn zuzugehen, dann wären WIR nämlich die Aggressoren. Besser wäre es, sich dort aufzuhalten, wo er uns zwar nicht übersehen kann, jedoch nicht demonstrativ in seiner Nähe. Wir müßten uns über Dinge unterhalten, die mit barfuß nichts zu tun haben, vielleicht über die längst stillgelegten Koblenzer Straßenbahnen mit Rollenstromabnehmer. Oder über Regenwürmer mit Flügelstummeln. Oder den Besuch von Tante Herta. Und dabei rein zufällig das dumme Gesicht des Mannes betrachten. Sicher wird er nicht den Mut haben, uns anzusprechen. Aber er wird sehen, daß es durchaus möglich ist, daß mehr als 99,9 % der Bahnhofsbenutzer für einen Augenblick keine Schuhe tragen, und das im Winter. Vielleicht wird es ihm eine Lehre sein, und er wird nie mehr einen einzelnen Barfüßer schikanieren.
Schöne Grüße
Michael aus Zofingen