Fragen an euch Barfüßer (Hobby? Barfuß! 2)

Markus U., Stammposter, Friday, 31.01.2003, 11:47 (vor 7911 Tagen) @ Sarah

Hi Sarah!

Fühlt ihr euch oder seid ihr durch euere Lebensweise sozial isoliert?

Ich fühle mich bzw. bin durch meine Lebensweise nicht sozial isoliert. Zum einen habe ich noch Sozialkontakte aus der zeit, als ich noch nicht allermeist barfuß zu gehen pflegte, und zum anderen gibt es durchaus Orte und Situationen, wo Schuhe für mich durchaus unerläßlich sind. Wenn ich Schuhe trage, bin ich allerdings fast immer sokkenlos (und wenn auch das unangebracht wäre, achte ich eben darauf, daß die Sokkenlosigkeit durch einen entsprechend geeigneten Hosensaum verdeckt wird.

Oder habt ihr einen Freundeskreis, einen Lebenspartner? Falls ja , sind es Menschen außerhalb der "Barfüßer" Szene?

Im Freundeskreis wird meine Barfüßigkeit meist akzeptiert. Soweit es sich um Menschen handelt, die mich noch von früher kennen, wissen diese, daß ich durch meine Barfüßigkeit kein gänzlich anderer Mensch geworden bin, sondern mich sogar zum Besseren verändert habe: ich bin stabiler und selbstbewußter geworden. Seit einem Jahr bin ich verlobt, und meine Verlobte, die mich barfuß kennengelernt hat, hatte nie ein Problem damit, sondern probiert es im Gegenteil seitdem selbst immer öfter, zumindest zu Hause (draußen hat sie freilich immer zumindest Sandalen dabei, da ihr manche Untergründe "zu pieksig" sind, und jetzt im Winter trägt sie Strumpfhosen und feste Schuhe). Ihrem eigenen Freundeskreis hat sie anfangs "vorsichtshalber" angekündigt, daß ich meist barfuß bin; deshalb war niemand überrascht, und man konnte sich überzeugen, daß ich ein freundlicher Mensch bin, mit dem man sich ganz normal unterhalten kann.
Natürlich nutze ich auch dieses Forum, um auch Freundschaften mit Menschen, die mit mir die Vorliebe für das Barfußlaufen teilen, zu schließen, und habe auf diese Weise einige gute Kontakte knüpfen und sogar eine ganz besonders schöne Freundschaft schließen können.

Falls nein: leidet ihr unter der Isolation? Würdet ihr eure Lebensweise ändern, um Freunde und einen Lebenspartner zu gewinnen, oder ist euch die Barfüssigkeit wichtiger?

Wer mich nicht so akzeptieren kann, wie ich bin und lebe, ist mir nicht wichtig. Wie ich schon schrieb: Im Beruf kommt man nicht umhin, gewisse Zugeständnisse zu machen, aber mein Privatleben gestalte ich nach Möglichkeit so, wie ich will.

Lohnt sich konsequentes Verhalten, wenn es sozial isoliert? Kann der Mensch als soziales Wesen sich auf die Dauer erlauben, isoliert zu sein?

Diese Frage ist nicht leicht zu beantworten. Es kommt darauf an, wie wichtig mir das betreffende Verhalten ist. Und da gibt es eher Unwichtiges, wo ich zu Zugeständnissen bereit bin, und ein paar essentielle Dinge, die ich unter keinen Umständen aufgebe. Das Barfußlaufen steht NICHT an oberster Stelle auf meiner Prioritätenliste, aber doch schon ziemlich weit oben - bei mir fällt es in die Kategorie "Äußeres Erscheinungsbild", und da lasse ich mir von jeher nicht gern dreinreden!

Zum zweiten Teil Deiner Frage:
Im Prinzip kann sich der Mensch als soziales Wesen auf die Dauer nicht erlauben, isoliert zu sein; d. h. er benötigt ein gewisses Maß an Sozialkontakten wie das tägliche Brot. Es gibt aber durchaus besondere Menschen wie Einsiedler und Asketen, die - meist um der religiösen Vervollkommnung willen - die Einsamkeit suchen und, ohne Schaden an ihrer Seele zu nehmen, ohne menschliche Sozialkontakte (weil sie in besonderer Weise Gemeinschaft mit Gott haben) auskommen.

Ich will euch auch den Hintergrund meiner Fragen erklären..
Es ist, ob man das nun gut oder schlecht findet, so, dass die meisten (auch nicht oberflächliche) Menschen durch von der "Norm" abweichendes Verhalten sehr verunsichert werden, evtl. Angst oder gar Aggressionen empfinden.
Als sozial eingestellter Mensch finde ich es einerseits nicht gut, bei von der Norm abweichendem Verhalten automatisch auf Distanz zu gehen, andererseits hat die tief verwurzelte Furcht der meisten Menschen vor "Andersartigkeit" ja auch durchaus einen Sinn.

Das liegt in der Natur des Menschen. Aber auch das Gegenmittel liegt in der natur des Menschen: die Neugierde! Wenn ich Menschen erlebe, die sich in bestimmter Weise von der Masse unterscheiden, regt das meine Neugierde an. Dieser lasse ich immer dann freien Lauf, wenn ich bemerke, daß von dem betreffenden Menschen keine Gefahr für mich ausgeht. Wenn das für mich feststeht, dann frage ich diesen Menschen alles, was mich interessiert, denn auf diese Weise kann ich ihn kennenlernen, so daß er mir nicht länger fremd ist. Auf das Thema bezogen: Wenn ich im Winter jemanden auf der Straße barfuß gehen sähe (was mir außerhalb von über das Forum vereinbarten Treffen noch nicht passiert ist), würde ich diesen Menschen auch dann vermutlich nicht ansprechen (es sei denn, daß ich besonders gut gelaunt wäre), wenn ich selbst barfuß wäre, weil ich ja nicht wüßte, ob der Mensch angesprochen werden möchte. Wenn sich aber aus der Situation heraus ein Gespräch ergäbe, könnte ich versuchen, den Menschen näher kennenzulernen. Das würde sich in einem solchen Falle finden.

Von der Norm abweichendes Verhalten ist ja u.a. sehr oft ein Symptom psychischer oder geistiger Behinderungen/Erkrankungen. (Was ich euch keinesfalls hiermit unterstellen möchte *nochmals beton ) Bei der Partnerwahl ist es aber ja durchaus sinnvoll einen sozial akzeptierten, "gesunden", psychisch stabilen Menschen zu wählen.

Da kann ich (aus eigener leidvoller Erfahrung) nur zustimmen.

Ich kann mir vorstellen "auffälliges" Verhalten oft ein Kennen lernen schon im Ansatz verhindert, weil es dem Gegenüber Angst macht. So ist der sich "anders" als die Mehrheit Verhaltende der Chance beraubt anderen seine Qualitäten und die berühmten inneren Werte zu zeigen.
Ich habe im Freundeskreis so einen Fall. Meine Freundin (bestimmt kein oberflächlicher Mensch, sondern eine sehr soziale, integre, tiefgläubige und redliche Frau)
wird von einem "Barfüßer", den sie in einem Seminar traf, umworben.

Welch ein Glück! (Das meine ich durchaus ernst!)

Sie ist zutiefst verunsichert, da sie gerade eine für sie extrem schädliche Beziehung zu einem psychisch auffälligen Menschen beenden musste, um nicht unterzugehen. Sie blockt die Annäherungsversuche des jungen "Barfüßers" nun von vornherein ab, weil sie Angst hat, schon wieder an einen psychisch Kranken geraten zu sein. Sie macht sich ob dieser "Oberflächlichkeit" schwere Selbstvorwürfe, aber ich denke in ihrer derzeitigen Lage ist es für sie durchaus sinnvoll, sich zu schützen.

Wenn sie die Annäherungsversuche des jungen Barfüßers weiterhin abblockt, wird sie nie herausfinden, ob ihre Zweifel berechtigt sind, und beraubt sich selbst ihrer Chance, möglicherweise zu ihrem Glükke zu finden. Du schreibst, daß sie sich schwere Selbstvorwürfe macht. Da von dem Barfüßer offensichtlich keine Gefahr ausgeht, soll sie ihn kennenlernen und herausfinden, ob er psychisch gesund ist und zu ihr paßt. Stellt sie fest, daß er (warum auch immer) nicht der "Richtige" für sie ist, so kann sie den Kontakt zu ihm jederzeit abbrechen. Sie muß ihn ja nicht gleich heiraten oder mit ihm zusammenleben. Aber sich auf ihn einlassen, um ihn kennenzulernen und ihm (und auch sich selbst!) eine Chance zu geben, sollte sie schon. Nur so kann sie (auch für sich selbst) Gewißheit erlangen. Und wenn dsie durch die Tatsache, daß er immer barfuß geht, verunsichert ist: Warum fragt sie ihn nicht einfach? Wenn er an ihr interessiert ist, wird er diese Frage sicher beantworten, und sie kann ja dann feststellen, ob sie damit zufriedengestellt ist, und gegebenenfalls weitere Fragen stellen. Als ich barfuß zum ersten Treffen mit meiner jetzigen Verlobten erschienen war (wir hatten uns Ende Oktober 2001 zu einem Spaziergang verabredet), stellte sie mir genau diese Frage, warum ich barfuß sei. Ich stand ihr Rede und Antwort, und damit war die Frage für sie erledigt und spielt bei uns keine Rolle mehr.

Natürlich ist es nicht gesagt, dass der junge Mann (der auch bei Minusgraden immer barfuß geht) psychisch krank ist, vielleicht ist er sogar im Gegenteil ein besonders stabiler Mensch. Wenn man seine Überzeugungen mit derartiger kompromissloser Konsequenz lebt, kann das m.E. sowohl für eine psychische Störung, als auch für besondere Stabilität sprechen.

Ja, das ist so. Deine Freundin sollte sich die Mühe machen, herauszufinden, welche Alternative im Falle ihres Verehrers zutrifft (wäre nett, wenn man gelegentlich erfahren könnte, wie es ausgegangen ist - aber das muß nicht unbedingt sein).

Lieben winterbeschuhten und dickbesockten Gruß
Sarah

Barfußgrüße aus dem verschneiten München
Markus U.


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