Überwachungs-Verfolgungswahn auch im Freizeitleben (Hobby? Barfuß! 2)

Ulrich (Berlin) @, Stammposter, Sunday, 23.12.2007, 19:30 (vor 6115 Tagen) @ Jay

Hallo Booker und Jay

Ach ja, um wieder halbwegs o.t. zu werden: Der WAHRE Grund für die Beendigung meiner Beamtenlaufbahn war natürlich, dass die Vorgesetzten ständig meckerten, dass BF und Uniform nicht zusammenpassen ;-)

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Natürlich ist das so, du kannst in deiner Freizeit, also gänzlich außerhalb des Dienstes, absolut nicht machen, was du willst. Man mag ja vielleicht noch bei einem Polizisten als "vorbildlicher Beamter" die Erwartungshaltung haben, daß in allen "inoffiziellen" Lebenslagen keine gesetzesbrecherischen Handlungen begangen werden, geht aber heute - sehr im Unterschied noch vor ca. 10 Jahren - viel weiter.

Dass keine gesetzesbrecherischen Handlungen begangen werden, sollte eigentlich bei allen Leuten selbstverständlich sein, nicht nur bei Polizisten. Bei Polizisten geht diese Erwartung aber in der Tat noch weiter, als bei anderen Leuten, so wird man sicher einen falsch parkenden Polizisten anders beurteilen, als einen ebenso falsch parkenden Normalbürger. Das liegt aber daran, dass Polizisten dafür zuständig sind auf die Einhaltung der Gesetze zu achten. Da Barfußlaufen aber nicht ungesetzlich ist, sehe ich keinen Grund, wieso man das einem Polizisten in seiner Freiheit verbietet. Meiner Ansicht nach müsste ein solches Verlangen unterbleiben, weil die Freizeitkleidung sicher nicht Bestandteil des Arbeitsvertrages ist.

Einmischung total, bis ins Detail, in den gesamten Way Of Life. Aus neurotischer Sorge ums Image. Das Ansehen der PI oder PD Oberspießerburg könnte "geschädigt" werden, wenn ruchbar wird, daß der eine oder andere Bedienstete locker & 'unzüchtig' BF samstags seinen Supermarkteinkauf tätigte...

Tja, möglicherweise könnte auch ein in seiner Freizeit barfüßiger Polizist zu sympathisch wirken. Das geht natürlich nicht. ;-)

Es ist auch die Angst vor schleichendem Autoritätsverlust. Die größeren psychologischen Autoritätspotentiale gehen nun einmal (das ist in der Gehirnsoftware der Menschen so eingeschrieben) von Beschuhten aus.

Nun gibt es ja viele Berufe, in denen eine gewisse Autorität unverzichtbar ist, wie z. B. Lehrer. Nun weiß ich nicht genau, ob außer Georg hier noch weitere Lehrer aktiv sind, von ihm glaube ich aber zu wissen, dass er es durchaus wagt auch barfuß in seiner Heimatregion in Erscheinung zu treten, auch auf die Gefahr hin, von seinen Schülern gesehen zu werden.
Ob dadurch seine Autorität gefährdet ist, kann ich mir nicht vorstellen.

... Wie ja mittlerweile jeder hier wissen müßte, bin ich bei der Polizei. Vor einigen Jahren habe ich mich dann auch im Dienst als bekennder Barfußlaüfer geoutet! Die Medien stürtzen sich auf mich..."ein barfüßiger Polizist" Das ist doch mal eine Story, dachten sich die Medienleute....weit gefehlt! Die Bilder gab es nicht. Man wollte mich barfuß in Uniform sehen und natürlich filmen...no chance!

Wie sind denn da gleich die Medien darauf gekommen, wenn du dich unter deinen Kollegen outest? Haben die das gleich an die Medien weiter gegeben? Dann wären die aber für den Eindruck verantwortlich, den du angeblich hinterlässt, und nicht du.

Die spinnen sowieso, wollen aller Welt die exakte Realität nahebringen & haben selbst überhaupt keinen Realitätsbezug. Später kommt dann, geschnipselt & sekundengenau auf die vorgegebene Sendezeit komprimiert, oft etwas ganz anderes heraus, als du aufgrund deiner Wahrnehmung, was sie grade an Action, Visagen & Sprechblasen von dir festgehalten haben, vermuten würdest. Im Beitrag sieht man DICH zwar als Figur & hört dich sprechen, in wirklichkeit spricht aber der Chefredakteur darin. Sei´s anhand des ausgewählten "Materials" oder der übergestülpten Kommentator-Rede.

Bei meinen bisherigen Medienauftritten habe ich solche Erfahrungen glücklicherweise noch nicht gemacht. Ich war immer ganz zufrieden, was die Medien aus ihren Interviews gemacht haben, und ich habe durch meine Tätigkeit für die Barfuß-Initiative Berlin-Brandenburg schon einige Auftritte in Presse, Funk und Fernsehen gehabt.

Aber so ist unsere Welt....es gab dann einen neutralen Bericht im WDR...Immer wenn die Frage in Richtung Beruf ging und klar war, daß ich Polizist bin, kam zu 95 % die Aussage: "Das darf der doch gar nicht!" Also barfuß rumlaufen....als Polizist (auch in der Freizeit) darf man das nicht....meint ein Großteil der Bevölkerung.

Es ist mir schleierhaft, wieso jemand glauben soll, dass ein Polizist in seiner Freizeit nicht barfuß laufen darf. Sollte er dann in seinem Urlaub auch keinen Strand besuchen dürfen, weil man dort ja meist doch barfuß herumläuft? Oder ist Barfüßigkeit am Strand ausnahmsweise erlaubt, aber nicht mehr auf der benachbarten Strandpromenade? Dann müsste es aber auch exakte Grenzen geben, bis wo man nun barfuß sein darf. Nach diesen Grenzen sollte man vielleicht seine Arbeitgeber fragen, denn ich glaube nicht, dass denen solche Grenzen einfallen.

Der Länge dieses Replikenbeitrags wegen läßt sich hierauf schlecht ausführlich eingehen. Ich glaube, zur Ergründung dieses unerfreulichen Phänomens müßte man abklären, aus welchem der beiden Gründe die Öffentlichkeit glaubt: BF auch dienstaußerhalb für Polizeibeamte verboten, weil
* klare Richtlinien von Dienstvorschriften & Vorgesetzten vorgegeben, die auch in die Freizeitsphäre hinein "anzuwenden" sind
oder
* BF gehört sich einfach allgemein "irgendwo" nicht. Vor allem nicht für Autoritätsträger wie z. B. Polizeibeamte.

Vielleicht hängt es ja auch mit dem uralten Spruch: "Ein Polizist ist immer im Dienst" zusammen.

wie gesagt - ok (wenn es denn zum Nachdenken angeregt hat...)
Jetzt ist aber genug mit OT....auch ich hoffe, daß es etwas zum Nachdenken anregt....

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Oh ja! Das Schlimme, was bedacht werden sollte, ist folgendes: Was in deinem Fall Behördenvorgesetzte praktiziert haben, wird auch immer mehr in der freien Wirtschaft Brauch: Durchfilzung & Analyse der Verhaltenspatterns von Angestellten auch total außerhalb des Jobs. Es ist hier im Forum schon berichtet worden [Bernd(Frankfurt), damals B.(Wiesbaden), "Corporate Identity", ...

Man kann da auch eine Link setzen: index.php?id=994264193 ;-)

... Bankangestellter wird samstags BF in der Stadt gesichtet. Sofort am Montagmorgen Besprechungstermin beim Chef, der über "Stil des Hauses" vorträgt & abschließt mit "Bitte unterlassen Sie das".

Irgendwie kann ich mir nicht vorstellen, dass er damit arbeitsrechtlich durchkommen könnte.

Personalberatungsfirmen gehen längst soweit, ihre Kandidaten für höherrangige industrieelle Führungspositionen noch viel umfassender als via Bewerbungsunterlagen & Präsentationsgespräch (so es überhaupt dazu kommt) zu durchleuchten. Es gibt heute keinen Personaler mehr, der nicht in Google den Namen des Kandidaten eingibt (in der Hoffnung auf irgendwelche Äußerungen im Internet), weil er wissen will, wer & wie der Betreffende eigentlich ist.
Was das mit BF zu tun hat? Zu diesem Thema könnte beim "Vorstellungstermin" folgendes kommen: ...

Das ist ein sehr schön beschriebenes wie bedauerliches Beispiel. Sicher gibt es sowas oft, und umso öfter, je höherwertig ein Posten ist. Wäre etwa ein Spitzenpolitiker denkbar, der in seiner Freizeit barfuß durch die Stadt läuft? Wohl kaum. Allein deshalb würde ich nicht Politiker werden wollen. Es muss eben jeder selbst abwägen, wie wichtig ihm seine Freizeit, also sein privates Leben ist, bzw. ob man für ein Maximum an erreichbarem Einkommen solche Einschränkungen hinnimmt.
Natürlich spielt aber auch die hohe Arbeitslosigkeit eine Rolle. Nur wenn die Personalchefs eine große Auswahl haben, können sie solche
Freizeitaktivitäten berücksichtigen.

Viele Grüße

Ulrich


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