Alptraum-Schulfach Deutsch, fleißige & BF-freundliche Lehrer & Orthografie (Hobby? Barfuß! 2)
Hi,
wie längst bekannt, kam ich in den späten golden 70s mit viel Glück durchs Abitur. Die Einführung der Kollegstufe stellte die Schule vor immense administrative Aufgaben; da das Gros der "Kollegiaten" meist nicht mehr zum Fixzeitpunkt 8 Uhr morgens einrückte, hatte es die Schulleitung aufgegeben, ihr wachendes Auge vor allem auf das Entree´ von Oberschülern zu richten (sie galten zu Recht als die Unzuverlässigsten in Sachen Befolgung des BF-Verbots).
Tatsächlich erinnere ich mich meist nicht mehr, wie meine Prüfungen genau stattfanden. Da´s damals Mai oder Juni war, müßte ich sie eigentlich alle BF geschrieben haben, definitv weiß ich, daß ich mein Deutschabitur barfuß im sog. Großen Zeichensaal der Schule geschrieben & verhaut habe (3 "Punkte" = alte Note "5"). Das Fach war 3. Prüfungsfach & leicht, weil Grundkursfach, niemand nahm es ernst. So rückte nicht nur ich BF in der Vermutung ein, daß uns niemand deswegen die Teilnahme an der Prüfung verwehren konnte [während ich in der mündlichen Religionsprüfung (4. sehr bequemes Paukfach, man mußte nur bestimmte "Meinungen" zum Besten geben) höchstwahrscheinlich wg. Kundtun des "auf der richtgien Linie Liegens" irgendwie minimalbeschuht* war.]
Früher sollten wir uns darauf einrichten, im Abitur "Besinnungs-Aufsätze" über viele Seiten zu Themen wie "Freiheit ist das höchste Gut. Nehmen Sie dazu Stellung!" zu schreiben. Dem war überraschenderweise dann gar nicht so; ein Gedicht war zu interpretieren & ich interpretierte Mist hinein. Beigebracht hatte uns das in der 12. & 13. Klasse eine Lateinlehrerin (die niemals Germanistik studiert hatte) und uns vor allem Literaturgeschichte pauken ließ. In der Mittelstufe hatte sie in "ihrem" Fach BFige Schüler unter keinen Umständen geduldet; bei "uns" signalisierte sie per hochgezogener Augenbrauen und einer ganz bestimmten Mimik, daß sie "es" gesehen hatte & es mißbilligte, sagte aber verbal nichts dazu.
Die Korrektur der Deutsch-Abiturarbeiten durfte [?!] sie dann gar nicht vornehmen. Das machten dann richtige, qualifizierte Deutschlehrer.
Vielleicht ist im Rahmen dieses Forums der Zusammenhang zwischen Mentalität des betreffenden Lehrers und Nicht-Barfuß-Law & Order-Konsequenz interessant. BF an unserer "Penne" war in der Hausordung verboten & in der Praxis aufgreweicht; es hing voll vom jeweiligen Lehrer ab, ob er es in seiner Unterichtsstunde duldete oder nicht (Lateiner duldeten es z. B. nie). Deutsch war mittel.
In meiner ersten 11. Klasse (Ehrenrunde wg. Latein & Geschichte) hatten wir einen Deutschlehrer, der sich überhaupt nicht um BF kümmerte. Er war überaus beliebt & nicht ehrgeizig ("was solls, ihr könnt doch alle Deutsch, habt es ja im Kindesalter gelernt") & arbeitete niemals daheim. 4 Klassenarbeiten mußte er pro Schuljahr schreiben, die korrigierte er selbstverständlich in der Klasse [in diesen Stunden war "Stillbeschäftigung" angesagt]. Es war sehr praktisch, denn offene Fragen konnten bequem geklärt werden. Nie werde ich die 'ambulante' Korrektur der letzten Schulaufgabe wohl ca. Juni/Juli 1975 vergessen (auch mein Sauf- & Drogenkumpan, die spätere BF-Häufigkeits-Platznr. 4, war selbstverständlich um diese Jahreszeit in seiner Stunde BF). Er sah kurz von seinem Pult zu mir auf:
"NN, i bin jetz grad bei Eahna. Des kon i grad ned lesn - schaung' S´amoi schney hea ?" [NN, ich bin jetzt gerade bei Ihnen. Da kann ich gerade was nicht lesen - schauen Sie einmal schnell her?]
"Ach, eine 3fach-Schlangenlinie. Das kann nur 'nun' heißen, weil andere Buchstabenkombinationen aus n & u keinen Sinn machen."
"A ja. Dangsche." [Ach ja. Dankeschön.]
Vorher war bereits jener bereits erwähnte, auch oft BFige & extrem langhaarige Mitschüler 'drangekommen, der übrigens gemein aggressiv aussah & in Wirklichkeit ein sehr freundlicher Mensch war. Er war noch seltener in der Schule als ich (ging als absoluter Rekordinhaber in die Schulgeschichte ein), weil nur im Wirtshaus (hatte trotzdem ein besseres Abitur als ich).
Auf einmal ging der Lehrer zu Schriftdeutsch über, was er sonst nie tat:
"Ich hab hier einen Absatz...Was soll das heißen? Was wollen Sie damit sagen?"
Mein Kumpan watschelte heraus (er hatte eigenartigerweise einen solchen Gang, wenn er barfuß lief), kraulte sich am Hinterkopf & sagte:
"Ja mei...jetz nach 3 Wocha...des is a so kompliziert...i woass jetz a nimmer..." [jetzt, nach 3 Wochen...ich weiß es jetzt auch nicht mehr]
"Schon gut." Er machte eine senkrechte rote Schlangenlinie am Rand und ein Fragezeichen daneben. "Nacha kumma grad no auf an 3er." [Danach kommer wir gerade noch auf die Note 3].
Ein vorbildlicher, verbeamteter Pädagoge, der sich zu benehmen wußte & niemals über Kleidungsusancen seiner Schüler auch nur 1 Wort verlor. Arbeit adelt - wir bleiben bürgerlich. Befördert wurde er nicht oft, er war mit "Oberstudienrat" zufrieden. Das Beschriebene war natürlich nur in den 70er Jahren möglich. Heute ist er über 80 & erfreut sich bester Gesundheit.
Ganz anders die junge Karrierezicke, die ich in meiner zweiten 11. Klasse als Deutschlehrerin hatte. Sie strich Worte wie 2fellos und Abkürzungen wie u. [& ist relativ kompliziert zu malen] einfach rot an (das persiflierende Wort 4rad für "Auto" stammt übrigens aus dem Buch "Statussymbole. Wie jeder jeden beeindrucken will" von Peter Lauster, eine höchst empfehlenswerte Lektüre für BFs, darin allerdings geschrieben Vierrad). Sie maulte mich an:
"Barfuß gibt´s nicht. Es steht in der Hausordnung. Haben Sie keine Schuhe mit?"
"Nein."
"Morgen gehe ich zum Direktor!"
"Der ist auch morgen nicht da."
"Soll das heißen, daß Sie auch morgen barfuß zu kommen gedenken?"
"Also gut, für Sie nehm' ich Schuhe mit..."
"ICH VERBITTE MIR DIESE ANSPIELUNG!!!"
...so schnell konnten solche Dialoge quasi versehentlich dumm laufen (ihre BF-Acceptance unterlag starken Schwankungen, überwiegend schwieg sie aber - je nach Laune - dazu). Völlig entnervt war sie jedoch schon wenige Tage nach einer Klassenarbeit, nachdem sie "ihre halbe Nacht für Ihren haarsträubenden Mist, meine Damen & Herren" geopfert hatte, dann brauchte ich für ihr Deutsch wie für Latein Schuhe (in allen anderen Fächern nicht).
Und was hat´s ihr gebracht? Eine glanzvolle Karriere war schon in relativ jungen Jahren per "Frühpensionierung aus gesundheitlichen Gründen" beendet. Sie brach vor allem psychisch zusammen...
Meines Erachtens sollte "Deutsch" kein Grund sein, sich hier zu streiten. Sokkenlosigkeit stört mich genausowenig wie Sockenlosigkeit, & Ziffern & Zeichen haben doch riesige Vorteile. Ich bin gegenwärtig gar nicht darüber informiert, was jetzt eigentlich korrekte Rechtschreibung ist; die Mehrzahl meiner zahlreichen Bücher ist alt. Die Rechtschreibreform hat nun einmal stattgefunden; Hauptsache, man kann den Text inhaltlich & begriffsmäßig [= Wörter als Begriffs/Bedeutungsträger] nachvollziehen. Meine Vorliebe für das Ineinanderschreiben von Ziffern & Buchstaben soll auch ausdrücken, was ich von Deutsch- & Schreibkultur-Spießertum halte, für den teilweise fast wütenden Streit zwischen Ulrich(Berlin) [hat ein Buch über die U-Bahn-Geschichte Berlins geschrieben] & Markus U. auf der Rückfahrt von Kelheim über Orthografie-Fragen fehlt mir jedes Verständnis, allein der Inhalt ist wichtig.
BFige Grüße an einem verregneten Montagmorgen eines teutschen Standardsommers, Jay
*) Kotau-Leistung: Schuhe als Zeichen der Anerkennung von Autoritäten, um sie gnädig zu stimmen. Mein Abitur war knapp & konnte davon abhängen...