Das größte Paradoxon an der Sache... (Hobby? Barfuß! 2)

Markus U., Stammposter, Friday, 06.07.2007, 17:43 (vor 6286 Tagen) @ Jay

Hi Markus,
ich würde das, was 'draußen abgeht, nicht gemäßigt, sondern ekelhaft nennen (der letzte Oktober/Anfang November machte weit mehr Spaß) & empfehle jedem, der irgendwelche Hoffnungen hegt, schöne & insbesondere sonnig-warme BFige Erlebnisse in diesem Sommer zu tätigen, diese in Deutschland nunmehr mit 87,5% Wahrscheinlichkeit zu begraben. Außer ein paar sonigeren & wärmeren Einzeltagen wird nichts sein. Soweit meine Barfußwettervorhersage bis Ende August; wg. Fehlens eines off-topic-Ausweichforumsbereiches erspare ich mir die Begründung. Im Versuch, es philosophisch auf den Punkt zu bringen, würde ich sagen: In diesem Sommer ist Outdoor-BF weitaus mehr Gewohnheits- als Genußsache [zumindest für mich, grad' beantwortete ich an der Tankstelle wieder die berühmte Frage "Ist Ihnen nicht kalt?" mit einem ganz kurz knapp-bündigen "Nein." (obwohl ich bei 11° absolut kein vor Happiness überschäumender Barfüßer bin), stieg ein & fuhr davon]. Punkt.

Hi Jay,

ich gebe Dir ja recht, daß "Outdoor- BF" derzeit mehr Gewohnheits- als Genußsache ist, aber ich gebe den Sommer noch längst nicht verloren, zumal wir ja auch schon in Oberbayern im Mai und Juni sehr heiße Tage hatten. Und der diesjährige April war sogar seit Beginn der regelmäßigen Wetteraufzeichnungen im Jahre 1901 der trokkenste Monat von allen. Und an meinem Geburtstag (29. Juli) hatte ich bisher eigentlich immer Glück mit dem Wetter.

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Trotzdem erschien ich mit Jeans, T- Shirt, ohne Jakke und selbstverständlich barfuß. Da meinte ein serbischer Kommilitone, nachdem ich zunächst die obligatorische Frage, ob ich nicht kalt hätte, verneint hatte: "Nein, Du bist gewiß kein Deutscher!"


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Dies ist politisch ein Paradoxon. BF in der Öffentlichkeit erregt in südosteuropäischen Ländern weitaus mehr Verwunderung als hier; besonders stark wird es offenbar mit Armut assoziiert, scheint aus Gründen des "optischen Sozialprestiges" verpönt zu sein & man übt sich deshalb in Polen, Ex-UdSSR, Ex-Jugoslawien & Co sowie der Türkei in Barfuß-Enthaltsamkeit. Wenn hier jemand aus Osteuropa eine Zeitlang gelebt hat, müßte er eigentlich gesehen haben, daß die statistische Wahrscheinlichkeit, einer BFigen Person zu begegnen, insbesondere sommers viel größer ist als in seiner Heimat.

Der betreffende Kommilitone ist neu bei uns, stammt aus Bosnien- Hercegovina und wohnt in Linz an der Donau. Ob diese Angaben zur Klärung seiner Verwunderung beitragen, weiß ich nicht. Mir ist freilich schon aufgefallen, daß Barfüßigkeit und Sokkenlosigkeit bei Personen aus orthodox geprägten Kulturen selten vorkommt; besonders bei Serben, Russen und Griechen scheint es weitgehend verpönt zu sein. Woran das liegt, weiß ich nicht, aber klimatische Gründe können kaum ausschlaggebend sein.

Hätte ich gewußt, daß der fragende Gegenüber aus diesem Teil der Welt stammt, wäre meine Überraschung über die Annahme, KEIN Deutscher zu sein, genau aufgrund dieser Pyschodimension sehr groß gewesen. Zwar kenne ich nicht viel von der Welt [USA nur der Südwesten, Taiwan, Philippinen, Tokyo, irgendeine Vorstadt von Moskau sowie Zürich & das war´s auch schon], aber aufgrund der mir vorliegenden Infos & Indizien glaube ich: Wer in D lebt, lebt in einem äußerst BF-toleranten Fast-Paradies. Gestern sprach ich beim Lunch mit einem Industriekunden darüber, wo man überhaupt hinsoll, wenn man hier z. B. aufgrund untragbar hoher Lebenshaltungskosten (sie kommen im Unterschied zu früher nicht mehr den Armen, Alten, Schwachen & Kranken zugute) emigrieren muß.
Kurz: Es gibt verdammt wenig, wo man - Fortsetzung der "westlichen Lebensart", am besten subtropisches Klima für Ganzjahres-BF und gleiche/noch bessere Nonchalance der allgemeinen dortigen Öffentlichkeit in Bezug auf BF erwartend - als am liebsten nur noch BF Lebender überhaupt hin kann! Ich wollte hierüber auch schon posten, aber das verschiebt sich wohl auf weithin oder es macht zwischenzeitlich wer anders.

Vielleicht nach Mallorca? (Ich möchte nicht dorthin, aber eine ältere Frau, die dort mehrere Jahre lebte und nach dem Tode ihres Mannes nach Deutschland zurückkehrte, um näher bei ihren Kindern und Enkeln zu sein, berichtete mir, daß dort ansäßige Deutsche auch ohne Spanischkenntnisse auf der Insel gut leben und zurechtkommen können).

Vielleicht schwang aber in dem "Nein, du bist gewiß kein Deutscher!" auch die allgemeine Wahrnehmung vieler Deutscher als Spießer mit. Laufen Spießer barfuß? Wohl nur auf Befehl, wenn in der orthopädischen Klinik ihre Pranken zwecks Begutachtung zu entpacken sind. Oder weil man eben in Kneipp-Wassertretanlagen BF zu laufen hat. Weiß der Teufel, wie sie Lorenz' BF-Parks interpretieren. Wahrscheinlich völlig falsch & ganz anders als das, was sich Lorenz gedacht hat, wie ich inzwischen weiß.

Ich habe Deutschland nie als besonders spießig empfunden, obwohl es natürlich überall Spießer gibt, denen es ein Vergnügen ist, solchen Personen, die nicht in ihr bescheidenes Weltbild passen, das Leben schwerzumachen. Andererseits ist unser Land im internationalen Vergleich eher barfußfreundlich, und das sollten wir nicht geringschätzen.

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Darauf fragte ich ihn, wie er zu dieser Ansicht komme. Er erwiderte: "Barfuß und ohne Jakke bei der Kälte, das hält kein Deutscher aus!" Nun war ich neugierig und wollte wissen, für welch einen Landsmann er mich statt dessen halte. Antwort: "Weiß nicht, aber vielleicht ein Kelte... oder ein Wikinger oder so..."


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Be proud of! Das waren harte, rauhe & kluge Völker, die wohl einst genau gefragt haben: Was bringen mir/uns Schuhe ?

Die Kelten und Wikinger waren gewiß harte, rauhe & Kluge Völker, aber zumindest bezüglich der Wikinger, die ja bekanntlich im kalten Skandinavien lebten, erscheint es mir zweifelhaft, daß sie in ihrer unwirtlichen Heimat ohne Schuhe auskamen. Die Kelten hingegen lebten in Mitteleuropa, bevor sie von den Germanen verdrängt wurden, so daß es durchaus denkbar ist, daß viele Deutsche auch keltisches Blut aufgenommen haben.

Jenseits solch tiefsinniger Gedanken meine ich aber, daß diese Bemerkung einfach nur Staunen und Bewunderung ausdrükken sollte, daß jemand es bei kühlem Wetter (Temperaturen um 13° C) ohne Jakke und barfuß aushielt, ohne kalt zu haben. Ist ja auch meine Rede: Echte, harte Kerle gehen eben bei Wind und Wetter barfuß...

Barfüßige Sommergrüße,
Markus U.


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