Gesellschaftliches, Kapitalistisches, Autistisches & evtl. Südwesttrefffen (Hobby? Barfuß! 2)

Jay @, Stammposter, Tuesday, 22.05.2007, 06:13 (vor 6332 Tagen) @ Michael aus Zofingen

Hi Michael,
ich bin versucht, weil sonst andere Leser durch die Textlawine abgestoßen werden, nicht länger als notwendig zu werden & darf bezüglich sonstiger abklärungsbedürftiger Punkte auf meinen Replikenbeitrag "Selbstbewußtsein / Autistisches Prinzip" geschrieben an Ulrich(Berlin) etwas weiter "oben" verweisen, auf den du ja bereits das geschrieben hast, worauf ich jetzt antworte.
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Ich glaube nicht, daß Jay mit dem Satz

"Es kommt darauf an, daß man als Barfüßer die Insignien von GEHOBENEM Kapitalismus zeigt, man signalisiert: Die Dimension "Kleidung" hab' ich nicht mehr nötig"

ernsthaft der Ansicht ist, daß man ein teures Auto oder sonst wie teure Dinge benötigt, um als Barfüßer akzeptiert zu werden. Vermutlich ist es nur Zufall. Er liebt nun mal teure 4-Räder, das ist seine Sache. Schließlich schadet er niemandem damit. Genauso schadet Malo niemandem damit, daß er eine teure Fotoausrüstung besitzt. Durch den Erwerb eines exklusiven 4-Rades oder einer teuren Kamera wird man kein besserer, aber auch kein schlechterer Mensch. Das gleiche gilt für die Art und Preisklasse der Kleidung, auch der Schuhe.

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Korrekt gesehen! Ich bin auch nicht dieser Ansicht. Akzeptiert wird von mir als BF (wie auch sonst jeder "normale" Mensch), der, wie man zumindest in meiner Region salopp sagt, "gut 'drauf ist", dazu gehören geistige Freiheit, Toleranz, Offenheit & vieles mehr, was durchaus für die BFige liberale "Denke" typisch ist (worauf ich jetzt natürlich unmöglich eingehen kann), darüberhinaus bin ich zu jedem Menschen pauschal freundlich, höflich & hilfsbereit. Es muß erst etwas Negatives passieren, bis ich ebenfalls negativ reagiere. Zufall ist mein Faible für "Ranghohe Politker/Industriemanager-Riesenschlitten" übrigens nicht, bedingt wird das durch das äußerst angenehme Fahrfeeling & -handling, während ich z. B. überhaupt kein Sportwagentyp bin. Ich gehe aber auch davon aus, daß malo sein Equipment quasi ausschließlich deshalb angeschafft hat, um erstklassige Fotos zu "schießen", weil sich aus Erfahrung konstatieren läßt, daß das Gros der BF-Gegner schlichtweg uninformiert & gleichzeitig dumm ist. Auch Subjekte mit einem IQ von 50 wissen ungefähr um den Rang einer Mercedes S-Klasse/eines 7er BMW etc., während sie bei Beglotzen einer Fotoausrüstung, die ein barfüßiger Fast- oder Vollprofi bedient, allenfalls erahnen können, was da finanziell dahintersteckt.
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Gewiß bieten sowohl teure Kleidung als auch teure Autos einen gewissen Schutz, wenn man barfuß unterwegs ist. Niemand würde dann glauben, daß man aus Armut keine Schuhe trägt.

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Ja. Die primäre Aufgabe teurer Kleidung (es gibt sehr wohl Nicht-Anzug-Krawattiges, was ich gerne hätte, aber kaum zu bekommen ist) & vor allem Autos besteht darin, den BF-Gegner zum Rückzug auf das rein ideologische [Kann sich nicht benehmen, Stil- & Etikette, etablierter "gesellschaftlicher" Bekleidungskodex] Argumentationsfeld zu zwingen. Dort ist er verloren, es sei denn, Faschismus wird etabliert & die Bevölkerung entsprechend konditioniert. Die kürzliche Wahl Sarkozys in Frankreich kann einen Barfußfreak Angst & bange werden lassen. Politisches & Barfuß ist keinesfalls wurscht!
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Es muß aber, wie Du sagst, nicht immer ein teures Auto sein, ein verkehrstüchtiger Kleinwagen reicht. Und für verwirrt wird man auch nicht gehalten, denn (zumindest ist so die landläufige Meinung) eine verwirrte Person ist nicht in der Lage, Auto zu fahren.

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So wäre es, wenn alle Menschen "vernunftbegabte Wesen" wären (man hat diese Klassifikation in den BF-"Golden Seventies", als man sich mit der Hypothese intelligenten extraterrestrischen Lebens eingehender befaßte, eingeführt). Den wahrscheinlich exakt identischen Standpunkt wie bei dir hatte ich mit 18, als das Auto meinerseits als "bequemes Fortbewegungsmittel mit einem Dach über dem Kopf bei Regen" klassifiziert wurde. 2 Erlebnisfaktoren (die übrigens nicht in direktem Zusammenhang mit BF stehen) haben diesen rationalen 4radstandpunkt bei mir in den irrationalen 4radstandpunkt verwandelt. Wg. Länge gehe ich jetzt nicht darauf ein, sofern du oder wer anders eine Fortsetzung dieses Dialoges wünschst, berichte ich.
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Wenn man aber nicht mit dem Auto unterwegs ist und auch noch wenig Kleidung trägt, dann denken sicher einige Leute, daß man entweder arm oder verwirrt ist.

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Es ist auch bei der Kombination bestimmter 4radtypen mit meinem Gesamtoutfit keineswegs unproblematisch, nur wird man dann statt arm/verwirrt zum Kriminellen/Drogenhändler/Autodieb/Autoverschieber. Ich hab' schon viele "Routinekontrollen" gehabt, in denen penibelst gecheckt wurde, ob das Auto auch wirklich mein rechtmäßiges Eigentum ist (+ zusätzlich Drogenschnüffelköter),in einem Fall wurde per Handy die Polizei gerufen (die Geschichte in Freisings "Hofbrauhauskeller" hab' ich hier schon stark gerafft gebracht, sie könnte als eine Parallele zu Descalzar´s Ritterschlag betrachtet werden).
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Im Grunde genommen ist es mir egal, was wildfremde Leute von mir denken...

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Ja. Dies ist eine unbedingte Voraussetzung, um primär keine Hemmungen zu haben, in der Öffentlichkeit BF zu laufen. Dabei kann es sich sogar bei relativ schüchternen, introvertierten, insgesamt wenig selbstsicheren Personen herausstellen, daß diese überraschenderweise in Sachen Öffentlichkeits-BF keine Probleme haben. Das ist dann diese pauschale Gleichgültigkeit, sprich das autistische Prinzip.
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...aber wenn sie sich erdreisten, deswegen die Polizei zu rufen, ist es doch bedenklich. Denn genauso wie es möglich sein sollte, in einem demokratischen Rechtstaat ungestört barfuß laufen zu dürfen, so sollte es auch möglich sein, das Barfußlaufen auszuführen, ohne dieses "Manko" durch irgendwelche teuren Accessoires kompensieren zu müssen. Leider ist das in der erzkapitalistischen Schweiz nicht möglich.

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Den Polizei-Aspekt würde ich als Komplikation in der Praxis betrachten, während das, was ich im vorhergehenden Antwortsabsatz erwähnte, man als eine der theoretischen Fundamentalien betrachten könnte. In den meisten Ländern wird wohl BF von peripheren Aspekten nicht unabhängig sein (es gibt hier im Forum ja eine Liste mit "Befunden"), in den bescheuerten USA signalisieren Schilder immer häufiger [Schuhe + Hemd = Voraussetzung zur "Geschäftsfähigkeit"]*, man steuert also auf Zustände hin, in denen BF 'grade mal in der Öffentlichkeit geduldet wird, bloß sind dann keine "Biz operations & activities" möglich. Im kapitalistisch verbrämten Westeuropa kann die Wirkung des dicken 4rads ungeheuer sein, die Botschaft: "ich hab' bestimmte Kleidung & Schuhe nicht mehr nötig" kommt gut 'rüber. Ich glaube aber, irgendwo gehört oder gelesen zu haben, daß die Feature [Akzeptanz einer BFigen Person unabhängig von allem Sonstigen] - dein politisches Postulat ist voll berechtigt & ich postuliere exakt das gleiche - vollständig oder weitgehend im fernen Neuseeland realisiert sein soll, meiner Erinnerung nach (ich könnte mich jedoch irren) soll auch das sonnige & heiße Australien ein sehr BF-freundliches Land sein. Konkret kenne ich beide nicht, ich war nie dort.
Darüber, ob man als BF der Umwelt einen Gefallen tut oder nicht, äußere ich mich wg. Länge & Zeitmangel später, ich hab' in ca. 14 Tagen eine Kurzurlaubsstrecke. Es ist aus meiner Sicht auch nicht das Wichtigste in deinem vorliegenden Beitrag, sondern:
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Was andere darüber denken, ist mir völlig egal (auch ob man das für Selbstbewußtsein, mangelndes Selbstbewußtsein oder Geiz hält).

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JA! Zumindest ich würde in einem Fragebogen, in dem stünde: "Würden Sie sagen, daß Sie in letzter Instanz das gesamte Universum, alles was sich darin befindet & was es darin geben könnte, kreuzweise & hinten & vorn [Götzzitat] kann?", [Ja] ankreuzen. Es ist deine persönliche Autonomie, wenn du im kurzen Hösli & Achselhemdli sein willst. Du bist DU. Sei es, daß du dir so am besten gefällst, oder dich so am freiesten fühlst (ich glaube, die "tiefsten" Gründe, weshalb jemand zum BF-Freak wird, lassen sich überhaupt nicht ergründen, sie müssen jedoch, so weit ich mich selbst kenne, keineswegs etwas mit Selbstbewußtsein, Kompensation mangelnden Selbstbewußtseins oder gar Geiz [? ich war verwundert, dieses Wort im Gesamtzusammenhang zu lesen] zu tun haben. Ich wende jetzt eine Umkehrung an:
Die äußerst geringe Frustrationstoleranz meinerseits im Rahmen von Kleidungs-, Frisur-, Beschuhungs-, d. h. Nicht-Barfuß-Vorschriften gründet sich bei mir auf folgende psychodimensionale Wahrnehmungen:
x Unfreiheit
x Ich bin nicht ich selbst
Ich kann mir nicht vorstellen, daß irgendjemand aus ÄUSSEREM DRUCK, beispielsweise weil er damit optimal umweltbewußt handelt, zum Barfüßer wird, es ist allenfalls möglich, daß charismatische BFige Personen inspirieren & "anstecken". BF liegt vielmehr in den unergründlichen Tiefen der Personality - auch wenn das biografisch u. U. erst später "hervorbricht" - man IST einfach so ein Typ & macht es einfach. Das "autistische" Prinzip besteht darin, daß einem sein Umfeld gleichgülttig ist, während man gleichzeitig das macht & das WIRD, was man IST. Descalzar kündigte an, falls er Zeit hat, noch mehr darüber zu sagen. Bei dir ist möglicherweise in der Gehirnsoftware mit BF das Additiv "Minimalkleidung" verknüpft - oder ist das Primäre bei dir "Minimalkleidung", wovon BF ein Bestandteil ist? Möglicherweise hast du z. B. gar keinen Bock, BF mit einer langen blauen Jeanshose zu gehen - während ich z. B. überhaupt keinen Bock habe, BF mit einer kurzen Hose zu gehen - kannst dir ja einfach 'mal solche Fragen stellen, selbstverständlich ohne sie hier öffentlich zu beantworten.
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Auch ist mir bewußt, daß man so leichter der Polizei gemeldet wird als wenn man barfuß ist und mit teuren Autos, Uhren, Kameras protzt.

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Dazu würde ich sagen, daß "Allzuviel" an teuren Autos etc. ebenfalls ungesund ist. Laß mich diplomatisch folgendes bemerken: Du machst es dir natürlich nicht gerade besonders leicht mit deinen Kleidungs-Additiven zu BF, auch mir stünde ein neutraler, "verhältnismäßig" gepflegter Mittelklassewagen besser an, wenn es um die Zielsetzung geht, Polizei-Ruhe haben zu wollen. Die sehen von außen natürlich nur meine lange Matte & nicht meine nackten Füße, aber bereits ersteres genügt, um den "Routine"check auszulösen.
Gretchenfrage: Läßt man dich sommers in Ruhe?
Schon wieder bin ich viel zu lang geworden, ging bloß nicht anders.
Abschließend würde ich aufgrund der gemachten guten Erfahrungen vorschlagen, daß ein Südwesttreffen im Dreiländereck CH/F/D, z. B. in Freiburg immer wieder 'mal Sinn machen würde (unscharfer Vorschlag: ca. alle 1 - 2 Jahre), weil pauschal gar nicht so wenige in nicht extrem großer Entfernung beheimatet sind, ich wäre z. B. sowohl gerne dir als auch Luc & anderen aus Frankreich einmal begegnet. Es ist auf jeden Fall meine Absicht, spätestens im Herbst noch einmal nach Freiburg zu kommen. Da unsere Konversation zu "gesellschaftlich-philosophischen" Dingen meist doch sehr lang & tiefgehend ist, könnte durchaus eine individuelle Communication Line evtl. sinnvoll sein (meine Mail ist in diesem Beitrag enthalten).

Schöne Grüße auch von mir (ich kenne von CH bislang nur Zürich und Uster, ich hab' in der Schweiz noch nie auch nur im Gepäck Schuhe mitgehabt & hatte keinerlei Probleme), Jay

*) Es handelt sich hierbei meist um angenähert quadratische, weiße Schilder mit schwarzer oder dunkelgrüner Schrift darauf:
NO SHOES
NO SHIRT
NO SERVICE

Am liebsten würde ich sowas Graffiti-zusprühen mit: CHANGE IT TO: NO MONEY, NO SERVICE AND KISS MY ASS, YOU MOTHERFUCKER! Wenn das Volk in den USA doch bloß aufstehen würde...


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