Empfehle ultraharte Linie (Hobby? Barfuß! 2)
Hallo Ulrich,
zunächst einmal vielen Dank für Deine "anderen" Beiträge mit der Barfußinitiative, zu denen eigentlich nichts zuzufügen ist.
Sicher hast Du recht mit dem Satz, den Du an Jay geschrieben hast:
"Du hast völlig recht damit, dass ein gewisses Maß an Selbstvertrauen zum Barfußlaufen sehr wichtig und unglaublich hilfreich ist. Ich bin sogar der Meinung, dass das Selbstbewusstsein durch Barfußlaufen wunderbar trainiert werden kann."
Vermutlich hat sich bei mir das Selbstbewußtsein durch Barfußlaufen verbessert. Ich kann mich noch daran erinnern, daß ich die erste Zeit (während der Probezeit), in der ich in der Schweiz lebte, am Wochenende nie mit dem Fahrrad in kurzen Hosen durch die Straße radelte, in der mein Arbeitsplatz lag. Ich befürchtete, daß der diensthabende Portier mich anschwärzen würde. Danach dauerte es noch einige Zeit, daß ich zwar bei relativ tiefen Temperaturen in kurzen Hosen mit dem Fahrrad oder zu Fuß unterwegs war, aber wenn ich bei entsprechenden Temperaturen zum Einkaufen fuhr oder öffentliche Verkehrsmittel benutzte, zog ich extra lange Hosen an. Bezüglich der Kombination Sandalen + Socken sah die Sache anders aus: Weder ich selber, noch andere kamen auf die Idee, daß es "Scheiße" aussehen könnte, also trug ich sie. Seitdem ich barfuß laufe, ziehe ich mir nicht extra lange Hosen an, wenn ich öffentliche Verkehrsmittel benutze oder zum Einkaufen fahre, höchstens dann, wenn es mir in kurzen Hosen zu kalt wäre (aber dann wäre es mir barfuß auch zu kalt).
Ich glaube nicht, daß Jay mit dem Satz
"Es kommt darauf an, daß man als Barfüßer die Insignien von GEHOBENEM Kapitalismus zeigt, man signalisiert: Die Dimension "Kleidung" hab' ich nicht mehr nötig"
ernsthaft der Ansicht ist, daß man ein teures Auto oder sonst wie teure Dinge benötigt, um als Barfüßer akzeptiert zu werden. Vermutlich ist es nur Zufall. Er liebt nun mal teure 4-Räder, das ist seine Sache. Schließlich schadet er niemandem damit. Genauso schadet Malo niemandem damit, daß er eine teure Fotoausrüstung besitzt. Durch den Erwerb eines exklusiven 4-Rades oder einer teuren Kamera wird man kein besserer, aber auch kein schlechterer Mensch. Das gleiche gilt für die Art und Preisklasse der Kleidung, auch der Schuhe.
Gewiß bieten sowohl teure Kleidung als auch teure Autos einen gewissen Schutz, wenn man barfuß unterwegs ist. Niemand würde dann glauben, daß man aus Armut keine Schuhe trägt. Es muß aber, wie Du sagst, nicht immer ein teures Auto sein, ein verkehrstüchtiger Kleinwagen reicht. Und für verwirrt wird man auch nicht gehalten, denn (zumindest ist so die landläufige Meinung) eine verwirrte Person ist nicht in der Lage, Auto zu fahren.
Wenn man aber nicht mit dem Auto unterwegs ist und auch noch wenig Kleidung trägt, dann denken sicher einige Leute, daß man entweder arm oder verwirrt ist. Im Grunde genommen ist es mir egal, was wildfremde Leute von mir denken, aber wenn sie sich erdreisten, deswegen die Polizei zu rufen, ist es doch bedenklich. Denn genauso wie es möglich sein sollte, in einem demokratischen Rechtstaat ungestört barfuß laufen zu dürfen, so sollte es auch möglich sein, das Barfußlaufen auszuführen, ohne dieses "Manko" durch irgendwelche teuren Accessoires kompensieren zu müssen. Leider ist das in der erzkapitalistischen Schweiz nicht möglich.
In die gleiche Rubrik fällt das von Jay gewählte Wort "Barfußtyp". Sicher kann man einiges dafür tun, ob man zum "Barfußtyp" wird, wobei auch dieses Wort subjektiv ist. Aber für gewisse Dinge kann man nun wirklich nichts. Wer etwa aufgrund eines Unfalls oder einer Krankheit ein steifes Bein, Krampfadern, amputierte Zehen usw. hat, der wird nie zum "so genannten Barfußtypen". Und wenn so einer allen Lästerern zum Trotz an allen Orten barfuß erscheint (etwa weil es weniger Schmerzen beim mühsamen Gehen macht als wenn man Schuhe trägt), dann ist es sicher auch Selbstbewußtsein. Sicher wird so ein Mensch auch häufiger von der Polizei überprüft als ein "barfüßiger Schönling" in ansonsten gleicher Kleidung. Und vermutlich gibt es nicht wenige Leute (z.B. Sabrina), die selber oft barfuß laufen,
Du schriebst:
"Da kann ich nur das Selbstbewusstsein eines Michael aus Zofingen bewundern, der mit einem Minimum an Kleidung und ohne irgendwelche teuer wirkenden Accessoires ganz selbstverständlich durch die Gegend reist ohne sich darum zu kümmern, was andere über ihn denken."
Das scheint auch manchen Forumsteilnehmer zu stören, weniger diejenigen, die mich persönlich kennen oder ansonsten häufiger "richtige barfußspezifische" Beiträge schreiben, sondern mehr diejenigen, die dadurch auffallen, daß sie immer die Schuhträger, intoleranten Museumsfritzen usw. in Schutz nehmen. Für mich ist das Barfußlaufen auch ein Teil zum Umgang mit Ressourcen, also zum Umweltschutz. Durch das Barfußlaufen schädige ich die Umwelt weniger als wenn ich sie mit Schuhen traktiere. Und dadurch, daß meine Schuhe nun länger halten, da ich sie nur noch am Arbeitsplatz und bei wenigen "formalen Privatanlässen" und bei wirklich kaltem Wetter benötige, wird auch die Energie bei der Herstellung von Schuhen eingespart.
Am Arbeitsplatz in der Chemiebranche sind Schuhe aus verständlichen Gründen Pflicht. Das nehme ich in Kauf, da mir der Beruf an sich gefällt. Lieber ein "schuhpflichtiger" Beruf, der einem gefällt als einer, den man barfuß ausführen kann, der einem aber nicht gefällt. Was Freizeittätigkeiten anbelangt, so kann ich sie auf barfuß ausrichten. Skilaufen und Motorradfahren lassen sich etwa nicht ideal mit barfuß kombinieren, also betreibe ich sie nicht . Und mit Theater, Zuschauen bei Fußballspielen usw. habe ich nicht viel am Hut.
Zum Ressourcenschonen benutze ich das Fahrrad, Radfahren ist die energiesparsamste Fortbewegungsweise, während Barfußlaufen die natürlichste Fortbewegungsart ist. Was liegt da näher als barfuß Radfahren. Da ich nahe am Arbeitsplatz wohne, nicht zu unmöglichen Zeiten schnell an unmögliche Orte muß, ich keine große Familie habe und auch die öffentlichen Verkehrsmittel in der Schweiz nicht schlecht sind, habe ich mich entschlossen, auf ein Auto zu verzichten. Aber ich habe nichts gegen Leute, die ein Auto haben (auch nichts gegen Besitzer eines überdimensionierten Autos). Beim Fahrrad jedoch habe ich nicht den billigsten Plunder, da letzterer bei meiner Beanspruchung nicht lange halten würde. Aber schrille Farben haben meine Fahrräder nicht, eher dezente. Ich will ja keine potentiellen Diebe anlocken, denen schrille Farben eher auffallen als dezente. Und wenn ein Fahrrad für weite Strecken nicht mehr geeignet ist, dann reicht es immer noch für Kurzstrecken und zuletzt noch als Ersatzteilspender. Auch das ist ein Beitrag zur Umwelt. Bald ist wieder ein neues Fahrrad fällig.
Kleidung? Auch da habe ich es nicht nötig zu protzen. Es gilt: "Soviel wie nötig, so wenig wie möglich." Am Arbeitsplatz bin ich an gewisse Formalitäten gebunden, in der Freizeit zählen die klimatischen Bedingungen. Auch da spielt die Schonung der Umwelt eine Rolle. Was man seltener trägt, muß seltener gewaschen werden, womit weniger Waschmittel in die Umwelt gelangen. Auch halten die Kleidungsstücke länger, was Energie bei der Herstellung spart. Und wenn schon Kleidung, dann solche, bei der nicht jeder Fleck auffällt. Andererseits stören mich Flecken wegen des Aussehens nicht, sollen doch die anderen ihren Teil dazu denken. Schließlich füge ich ja niemandem einen Schaden zu, wenn MEIN Hemd einen Kaffeefleck hat. Mit einem verrußten Hemd würde ich mich natürlich nicht in einen Zug setzen, da der Ruß die Sitze (und somit auch die Kleidung anderer Fahrgäste schwärzen könnte). Aus demselben Grund würde ich weder meine nackten, noch meine fett beschuhten Füße auf die Polster eines Zuges legen, da MEIN Dreck unter den Fuß- oder Schuhsohlen nichts auf den Sitzen oder der Kleidung anderer zu suchen hat.
Extra "Barfußkleidung" besitze ich nicht. Allerdings laufe ich nicht barfuß in Kombination mit Dienstkleidung. Mit einem ganz einfachen Grund: Wo Dienstkleidung nötig ist, ist barfuß unpassend. Und wo barfuß nicht stört, da ziehe ich halt bequeme Kleidung an. Aber auch Teile der Dienstkleidung werden manchmal zu barfuß getragen. Wenn etwa eine Diensthose etwa wegen Schäden am Arbeitsplatz nicht mehr tragbar ist, dann wird sie halt auf angenehm tragbare Länge zurechtgestutzt und läßt sich somit ideal zum Barfußlaufen tragen. Durch dieses "zweite Leben" werden auch Umweltressourcen gespart, da ich mir weniger "richtige" kurze Hosen anschaffen muß. Um wenn eine Freizeithose ein Loch hat, wird sie halt geflickt. Was macht es bzl. Aussehen für einen Unterschied, ob man im Laden eine bereits geflickte Hose kauft oder ob man sie flickt, wenn sie wirklich ein Loch hat?
Unterhemden? Die trug ich früher unter den Diensthemden. Heute ist es mir selbst im Winter zu warm, sie unter der Dienstkleidung zu tragen. Wegschmeißen? Nein! Ich trage dann, wenn es für "normale" T-Shirts zu warm und für ganz ohne zu kalt ist, also auch beim Barfußlaufen. Einige habe ich auch halbiert und an das Unterteil Träger angenäht, somit wird die Zahl verdoppelt, auch das spart Umweltressourcen. Nur Spießer regen sich über so was auf!
In meiner Wohnung laufe ich natürlich immer barfuß, ohne die Heizung voll aufdrehen zu müssen. Auch im Winter reicht die Abwärme der Nachbarwohnung völlig aus, um meine Wohnung so warm zu halten, ohne daß ich Schuhe, Socken, lange Hosen, Wollpullover, Mütze usw. benötige. Eher würde ich bei Kälte wärmere Kleidung und Schuhe anziehen als die Heizung aufdrehen. Barfußlaufen ist ja schließlich kein Dogma, wegen dem ich mich durch Aufdrehen der Heizung an der Umwelt versündigen würde.
Was andere darüber denken, ist mir völlig egal (auch ob man das für Selbstbewußtsein, mangelndes Selbstbewußtsein oder Geiz hält). Auch ist mir bewußt, daß man so leichter der Polizei gemeldet wird als wenn man barfuß ist und mit teuren Autos, Uhren, Kameras protzt. Teilweise, weil man mich tatsächlich für arm hält und sich Sorgen macht. Teilweise aber auch, weil irgendein Vorurteil in den winzigen Hirnen einzelner Spießer existiert, das ärmlich gekleidete Barfüßer kriminell sein könnten. Oder einfach aus Wichtigtuerei. Aber soll ich mich deswegen ändern? Ich tue doch nichts verbotenes, weder durch das Barfußlaufen, noch durch mein sonstiges umweltschonendes Verhalten. Und ich füge niemandem einen Schaden zu.
Wenn ich, nur um weniger Ärger mit der Obrigkeit zu bekommen, meinen barfüßigen Lebensstil ändern würde, dann wäre es gleichbedeutend als sich dem Unrecht beugen. Und sollte man mir tatsächlich deswegen eine Geldbuße aufbrummen oder gar gerichtliche Schritte einleiten, dann hätte ich den eindeutigen Beweis, daß die Schweiz kein demokratischer Rechtstaat, sondern ein totalitärer Überwachungsstaat ist. Aber ich hoffe, daß es nie soweit kommen wird.
Schöne Grüße
Michael aus Zofingen