Es gibt solche und solche... (Hobby? Barfuß! 2)
Um wieder etwas On-Topic zu werden: Mein (chronologischer) Vergleich zwischen Christentum und Islam sollte signalisieren, daß ich als auch an peripheren Umständen interessierter Barfußgeher Gründe zu der Annahme habe, daß das Christentum BF-freundlicher ist als der Islam.
Das glaube ich wenig.
Die Reaktionen auf meine Barfüssigkeit waren in der Türkei und Syrien gleich wie in Italien, Deutschland oder anderen christlichen Ländern.
Die Südländer fragten nur öfter nach den Gründen dafür. Das liegt aber nicht an deren Religion, sondern an der typischen Spontaneität, mit der sie mit ihren Mitmenschen umgehen. Je weiter man nach Süden kommt, umso kleiner wird der körperliche Abstand zwischen den Menschen. Stell dir vor: Hier in Norditalien verabschieden sich gute Freunde einfach mit dem netten Grußwort "Ciao", in Sizilien werden auch die unbekannten Freunde der eigenen Freunde mit einem Wangenkuss empfangen, und in der Türkei haben oft wildfremde Wirtinnen als Zeichen ihrer Gastfreundschaft meine Hände mit Zitronenduft massiert. Also immer näher.
Bräuche und Sitten anderer Kulturen kann man zwar auch als lästig wahrnehmen, vor allem wenn manche Verhaltensweisen gewöhnungsbedürftig bzw. im eigenen Kulturkreis verpönt sind, aber man kann sie trotzdem nicht pauschal als "schlecht" stempeln. Sie sind einfach nur anders. Da bleibt es selbstverständlich, dass man sich stets den Bräuchen und Sitten des Landes, wo man sich befindet anpassen soll.
Im Libanon wurde ich auf meine Barfüssigkeit gleichermaßen von Christen und Moslems angesprochen, und in keinem Fall mit Geringschätzung. Sie waren einfach neugierig und haben es auch nicht verborgen.
Stichwort Religion:
Kirchen darf man barfuß betreten,
Moscheen muss man barfuß betreten.
(ich war da die einzige, die ihre Schuhe vor dem Moscheeneingang nicht extra auszuziehen brauchte )))).
Fazit: Grundsätzlich haben Muslims nichts gegen nackte Füße.
Diese sind in den Moscheen sogar selbstverständlich, nicht aber auf der Straße, weshalb Barfußläufer auffallen - im Nahen Osten wie auch in Europa.
In einer katholischen Kirche in Italien haben einmal einige Kinder den Pfarrer - nicht mich! - gefragt, warum ich barfuß war. Ich habe die Antwort "Sie ist wohl orthodox" mitbekommen.
Ich war ganz baff über diese Antwort.
Zugegeben, ich wollte mir Holzstatuen und Fresken ansehen und nicht beten, aber die Schlussfolgerung, ich sei nicht katholisch, nur weil ich nicht betete und barfuß war, war m.E. ja zu blöd.
In den orthodoxen Kirchen in Griechenland habe ich übrigens alle Gläubigen mit Schuhen gesehen, und so viel ich weiß, gehen die Leute in Russland oder Bulgarien auch beschuht in die Kirche. Das beweist, dass selbst der besagte Priester keine Ahnung von Bräuchen und Sitten anderer Konfessionen hatte.
Und noch was: An meinem dritten Lebenstag bin ich römisch-katholisch getauft worden, wie jedes Kind, das Anfang der Sechziger in Italien zur Welt kam.
Meine Oma erzählte mir immer wieder, ich hätte an dem Tag so laut geschrieen, dass man hätte fast denken können, es wurde ein Menschenopfer verübt.
(Meine Taufe ähnele wohl der von Oskar Mazerath .
Eine Alternative wurde mir damals nicht angeboten.
Ich könnte mir jetzt hier in Europa eine suchen, wenn ich wollte, aber ich glaube nicht, dass das in den islamischen Ländern möglich ist.
Ich bin auch nicht besonders fromm: Ich muss zugeben, dass mich das Kulturelle an Religionen und Kultusstätten interessiert. Ich lese gerne heilige Schriften als literarische Texte und besichtige Kultusstätten wegen deren Kunst und Musik, also vielmehr als Kunstliebhaberin als als Gläubige. Als "Wessi" kann ich das aber ruhig zugeben, aber wie ist es im Nahen Osten oder Nordafrika? Ich schließe nicht aus, dass dort viele nicht umhinkönnen, die Kultusstätte zu besuchen, obwohl sie lieber was Anderes tun würden.
Schließlich war es früher in Europa genauso.
Fazit: Es gibt keine barfußfreundlichere Religion, es gibt barfußfreundliche Menschen.
Ciao
Tiziana