Barfuss in der Wirtschaftskanzkei (Hobby? Barfuß! 2)

Oliver S. @, Friday, 16.06.2006, 15:35 (vor 6674 Tagen) @ aquajeans

Hallo Herr Kollege,

Also,
ich bin mein eigener Chef, und, könnte man meinen, tun und lassen was ich will.

Ich bin einer von drei Partnern, außerdem beschäftigen wir einen angestellten Anwalt und 9 weitere, ausschließlich weibliche Mitarbeiter.

Meinem Personal schreibe ich keinen Dresscode vor.

Wir schon, wenn sie Kundenkontakt haben. Das bezieht sich nicht nur auf barfuss, sondern auch bauchfreie Tops, etc. Überhaupt legen wir auf ein gepflegtes Äußeres wert, das dem Qualitätsanspruch unserer Kanzlei entspricht. Barfuss erlauben wir aber, solange es die Mandanten nicht sehen.

Ich bin im Büro selbst sehr häufig barfuss, besonders wenn ich an einem Problem rumgrübeln muss, allerdings NIE wenn Kunden da sind.

Meine berufliche und private Partnerin ist im Büro meistens barfuss, allerdings natürlich auch nicht, wenn sie Mandantschaft hat. Da ich meistens Anzug und Krawatte trage, lasse ich dann auch die Schuhe an, weil ich finde, dass barfuss zum Anzug bescheuert aussieht und es außerdem ziemlich umständlich ist, Schuhe und Socken ständig an und auszuziehen. An warmen Tagen, wenn ich keine Termine habe, bin ich aber schon mal mit Jeans und barfuss in meinem Büro, ziehe aber Schuhe an, wenn ich es verlasse, auch wenn ich nur über den Gang gehe, weil ich ja damit rechnen muss, dass mir Kollegen mit Mandantschaft begegnen.

Von meinen jetzigen Angestellten tut es mir allerdings niemand gleich, obschon ich der letzte wäre, der was dagegen einzuwenden hätte: sie mögen es halt nicht, une meine persönlcihe Sekretärin hat sogar gegen barfuss ein regelrechte Abneigung: sie trägt Flip Flops, Teva's, Sandalen und Birkenstocks, aber sie ist NIE barfuss, sie empfindet das als Horror.

Wir haben zwei Damen, die im Sommer ziemlich oft barfuss sind, die meisten andern zumindest gelegentlich.

Vor zwei Jahren hatten wir im Sommer eine Praktikantin im letzten Semester,die irgendwann den glecihen Beruf ausüben wird wie ich selbst, eine zuKènftige Kollegin also.
Auf den ersten Blick, ein junges, aufgeschlossenes Mädel, aber der Eindruck täuschte.

In der ersten Tagen dieses Praktikums war meine Sekretärin zu meinem Erstaunen einmal barfuss, und als ich sie dann grinsend fragte was denn los sei, und ob sie überraschend zur Barfussfraktion gewechselt habe, stellte sich heraus dass ihre Schuhe gerade kaputtgegangen war, und sie die Zeit bis zur Mittagspause barfuss verbringen musste, um sich dann im Laden neue zu holen, so dass sie zu ihrem Bedauern barfuss sein MUSSTE. Die Praktikantin bemerkte dann noch, sie selbst sei am liebsten barfuss.
Einige Tage später musste ich wieder mal grübeln, zog Schuhe und Strümpfe aus, und ging barfuss ins Sekretariat, um mir Unterlagen zu holen. Im Sekretariat kreuzte ich dann den Weg bewusster Praktikantin, die mich dann so zum ersten Mal barfuss sah: da ich an den Tagen vorher laufend Kundengespräche hatte, ergab sich dahin keine Gelegenheit hatte, mich meiner Salonschleicher zu entledigen, und ich war deshalb auch die ganzen Tage trotz schwülen Wetters im Anzug-Kragen-Schlips-Salonschleichermodus gewesen, bis an dem bewussten Tag. Ich war froh, mal wieder an in Jeans und halt eben barfuss im Büro sein zu können.
Die Freude sollte nicht von langer Dauer sein.
Als sie mich erblickte, starrte die Praktikantin entsetzt meine Füsse, dann auf mein Gesicht , dann auf meine Füsse, dann wieder auf mein Gesicht, dann wieder auf meine Füsse, ihr fiel die Kinnlade runter, sie stand mit offenem Mund da, sagte kein Wort, aber ihr Blick war der des blanken Entsetzens.
Wenn ich mit offenem Hosenschlitz rumgelaufen wäre, und aus letzterem ein gewisses spezifisch männliches Körperteil im erregten Zustand herausgehangen hätte, hätte der Blick entsetzter nicht sein können.
Hatte sie vielleicht meine Barfüssigkeit als plumpe Anmache und als eine Anspielung auf ihre Aussage, sie sei am liebsten barfuss verstanden ? Ich weiss es nicht.
Dies war jedenfalls nicht mein Ziel, in Sachen Barfuss bin ich nun wirklich Gewohnheitstäter, und ich laufe nicht barfuss, um jemanden anzumachen.
Ich erwartete schon fast eine Klage wegen sexueller Belästingung und ein Verfahren vor der Berufskammer, so entgeistert schaute sie drein.
Von dem Tag an vermied sie jeden Kontakt mit mir, und ich war froh, als ihr Praktikum vorbei war. Ich vermied es dann , im heissen Sommer 2004, barfuss zu sein, bis das Praktikum vorüber war.

Das klingt ja wirklich entsetzlich. Gab es keine Möglichkeit, mit der Dame ein klärendes Gespräch zu führen?

Als sie weg war, fühlte ich mich verpflichtet, meine weiblichen Angestellten zu fragen, ob meine Barfüssigkeit sie denn stören würde, was natürlich verneint wurde (wer will dem Chef auch das Gegenteil sagen, selbst wenn man es denkt ? ich hoffe aber dass das Nein ehrlich empfunden war, denn ich will niemanden durch mein Verhalten schockieren, der das dann auch noch ertragen müsste, weil ich der Chef bin)
Selbst für den Chef ist das ganez also nicht so einfach, besonders wenn man in einer Branche arbeitet, in der das saubere Image überlebenswichtig ist.

Das ist leider der Grund, weshalb ich auch außerhalb des Büros fast nicht barfuss gehen kann. In einer Stadt mit 50.000 Einwohnern zählt unsere Kanzlei inzwischen zu den größeren, ist aber eben keine alteingesessene, sondern in der Konstellation erst vor sechseinhalb Jahren gegründet. Wir sind zwar rasant gewachsen, müssen aber immer noch um lukrative Mandate kämpfen. Daher ist mein sozialer Status zur Zeit der, dass ich so bekannt bin, dass ich mir nicht leisten kann barfuss gesehen zu werden, weil ich eben noch nicht renommiert (oder reich) genug bin, dass das keine Rolle mehr spielen würde.

Da ich auch wenig Zeit für Spaziergänge habe und die Wege bei uns meist ziemlich barfussunfreundlich sind, bleibt meine Barfüssigkeit daher leider zwangsläufig auf den Bereich der eigenen Wohnung und allenfalls mal einen Ausflug an den Baggersee beschränkt.

Aquajeans

Mit besten kollegialen Grüßen - auch natürlich an die Nichtanwälte
Oliver S.


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