Militärischer Befehl und ziviler Ungehorsam wegen barfuß (Hobby? Barfuß! 2)

Michael aus Zofingen @, Stammposter, Monday, 28.02.2005, 08:44 (vor 7152 Tagen)

Samstag, 26.2.2004, früher Nachmittag, Straßenbahnhaltestelle Fechenheim Post. Ein Tramzug der Linie 11 rollt ein, hält an, spuckt eine Handvoll Fahrgäste aus, um dann den Weg zur Endstation Schießhüttenstraße fortzusetzen. Die Fahrgäste bewegen sich über den kurzen Fußweg in den Ortkern. Unter den zufällig hier aussteigenden Fahrgästen zwei Personen, wie sie unterschiedlicher nicht sein können. Der eine ein einfacher Gefreiter der deutschen Bundeswehr im Arbeitsanzug mit schweren Kampfstiefeln und Mütze, vermutlich war er gerade aus der Kaserne gekommen und wollte nach Hause. Der andere hat seine Militär- und Deutschlandzeit längst hinter sich und ist daher auch entsprechend anders gekleidet, nämlich so, wie es in der freien und zumindest in Städtchen Zofingen nicht absolut unüblich ist: Blaue Sommerjacke, kurze Hose und barfuß. Die Rede ist von mir.

Bereits auf dem Fußweg fragte mich der Soldat in einem unfreundlichen Ton: "Haben Sie keine Schuhe?" "Doch", antwortete ich (noch) freundlich. "Barfußlaufen ist gesund!" Ich glaubte schon, daß damit (wie in den meisten Fällen) der Fall erledigt wäre, aber da täuschte ich mich gewaltig. Kaum war ich auf der Hauptstraße im Ort, herrschte er mich an: "Ziehen Sie ihre Schuhe an!" "NEIN!" erwiderte ich schroff. "Ziehen Sie Ihre Schuhe an!" "NEIN!" Da versuchte also ein einfacher Gefreiter, einem Zivilisten Befehle zu erteilen. Glaubte der etwa, er wäre der General persönlich? Man merkte, daß lautes Befehlen nicht seine Stärke war, jedenfalls kam sie mir ziemlich "fistelig" und heiser vor. Vielleicht täusche ich mich da, denn mittlerweile war auch ich wütend, wie ich es schnell werde, wenn ich es mit Uniformträgern zu tun habe, die sich unfreundlich verhalten. Nach einer Pause: "Zum letzten Mal: Ziehen Sie Ihre Schuhe an. Sie befinden sich in einem bewohnten Gebiet! Das ist Erregung öffentlichen Ärgernisses. Ziehen Sie Ihre Schuhe an!" "NEIN! Barfußlaufen auf öffentlichem Grund ist nirgendwo in Deutschland verboten. Und Sie als Bundeswehrangehöriger haben nicht das Recht, außerhalb des Militärgeländes einem Zivilisten irgendwelches Anweisungen zu geben!" "Das habe ich wohl! Ich bin Repräsentant der Bundesrepublik Deutschland und es ist meine Aufgabe für Ordnung zu sorgen. Wenn sich alle Leute umdrehen, weil Sie barfuß laufen, ist das Erregung öffentlichen Ärgernisses." "Nein, so ist es nicht. Und selbst wenn es so wäre, dann wäre nicht das Militär dafür zuständig, sondern die Polizei!" "Hören Sie auf, ich ruf die Polizei!" Während ich mich entfernte, rief er hinterher: "Gehen Sie nur! Da hinten ist die Polizeiwache. Dort wird man Sie schon ihn Empfang nehmen!"

Was geht bloß in so einem Menschen vor? Wagt es, einen Barfüßer anzupflaumen, und das auch diese primitive Art. Ich war selber 15 Monate beim Militär, habe dort auch recht merkwürdige Leute kennen gelernt, aber so was hätte ich mir nicht vorstellen können. Überrascht hätte mich nicht, wenn Soldaten nach Feierabend sich irgendwo besaufen und auf dem Rückweg zur Kaserne über einen Barfüßer lästern, vielleicht auch anschreien, anspucken oder ähnliches. Niemals aber hätte ein einzelner tagsüber so gehandelt wie dieser Gefreite in Fechenheim. Vielleicht war er selber frustriert, womöglich, weil er bis Samstag Mittag Dienst (Wache, GvD?) hatte und ihm so ein Teil des Wochenendes verloren gegangen ist. Vielleicht mußte er auch wegen einer Unregelmäßigkeit am Samstagvormittag "strafexerzieren". Vielleicht hat ihm das "Sprung auf, marsch, marsch!" derart genervt, daß er nun in einem "wehrlosen" Barfüßer ein gefundenes Fressen sah, selber mal Befehle erteilen zu "dürfen", was er aufgrund seines niedrigen Dienstgrades am "Arbeitsplatz" nicht darf, dort darf er nur ausführen, was seine Vorgesetzten ihm befehlen.

Ich gehe mal davon aus, daß dieser Soldat nicht repräsentativ für die Bundeswehr steht, wenn ja, dann ARMES DEUTSCHLAND! Noch sicherer bin ich mir aber, daß es diesem Gefreiten nicht gelingen wird, Deutschland derart ins Unglück zu stürzen, was "ein anderer Gefreiter" mal geschafft hat. Darum kann ich jedem barfüßigen Zivilisten nur raten: Wenn Euch mal außerhalb von militärischen Anlagen ein Militärbonze, egal ob Gefreiter oder General, den Sattelbefehl erteilt, die Schuhe anzuziehen, dann leistet "zivilen Ungehorsam". Aber Achtung: Beim Betreten von Kasernen usw. kann jeder Soldat auch gegenüber Zivilisten das "Hausrecht" ausüben und auf Schuhe bestehen.

Auch Leute, die gerade Wehrdienst leisten, könnten Einschränkungen in Kauf nehmen müssen. Zumindest zu meiner Militärzeit gab es eine Vorschrift, die etwa wie folgt lautete: "Ein DIREKTER militärischer Vorgesetzter (nicht jeder Vorgesetzte) darf seinen Untergebenen innerhalb und außerhalb der Dienstzeit Befehle erteilen." Und: "Der Untergebene muß die Befehle ausführen, solange sie kein Verbrechen beinhalten oder geben die Menschenwürde verstoßen." Mit anderen Worten: Wenn der Kompaniechef am Wochenende in der Stadt seinen Untergebenen beim Barfüßern "erwischt" und ihm befiehlt, Schuhe anzuziehen, dann hat er das zu tun. Denn leider verstößt es nicht gegen die Menschenwürde, von einem zu verlangen, Schuhe zu tragen. Anders wäre es wenn der Untergebene keine Schuhe dabei hat und der Vorgesetzte ihm befiehlt, zur Strafe barfuß durch Hundekot oder Glasscherben zu schreiten. Der Kompaniefeldwebel ("Spieß") dagegen ist kein direkter Vorgesetzter (außer für Schreibstubensoldaten), er darf einem außerhalb der Dienstzeit und außerhalb von militärischen Einrichtungen nicht das Tragen von Schuhen verbieten.

Schöne Grüße von einem ganz und gar unmilitärischen
Michael aus Zofingen


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