Und hier der Bogen zurück zum Thema, oder: Von der mentalen Einstellung (Hobby? Barfuß! 2)

Markus U., Stammposter, Saturday, 05.02.2005, 15:54 (vor 7175 Tagen) @ Michael aus Zofingen

Hi Michael!

In der Schweiz ist es sogar gesetzlich vorgeschrieben, daß bei öffentlichen Brunnen (nicht bei privaten) ein Schild "Kein Trinkwasser" angebracht werden muß, wenn das Wasser nicht trinkbar ist. Wenn kein Schild vorhanden ist, fließt frisches Trinkwasser aus Röhre. In Zofingen strömt aus allen Röhren der innerstädtischen Brunnen Trinkwasser. Selbstverständlich trinke ich nur das Wasser aus der Röhre, nicht das aus dem Becken. In letzteres könnten Hunde (und böse Menschen) ihre "persönlichen Abwääser" entsorgt haben. Aber selbst wenn sich in dem Brunnen nur ein paar Leute die Füße gewaschen haben, kann ich darauf verzichten.

Daß Du das Wasser nur aus der Röhre und nicht aus dem Bekken trinkst, hatte ich stillschweigend als selbstverständlich vorausgesetzt.

"Die mentale Einstellung, mit der man an die Dinge (nicht nur das Barfußlaufen) herangeht, spielt eine große Rolle bezüglich des weiteren Fortgangs."

Ich glaube nicht, daß man sich seltener verletzt, wenn man keine Angst vor Glas hat. Vermutlich empfindet man eine Verletzung als weniger tragisch, man erträgt die Schmerzen besser. Während einer, den eine Verletzung weniger stört, sich tatsächlich mal leicht verletzt, dann geht er einfach weiter, während einer, der höllische Angst vor Glas hat, nach einer leichten Verletzung wild und unsicher wird und sich dabei noch mehr verletzt. Wer sich dagegen mit nackten Zehen auf den Straßenbahnschienen steht und die mentale Einstellung hat, daß es dem Tram nicht gelingt, die Zehen platt zu walzen, dann wird er Pech haben.

Die Betonung der mentalen Einstellung, welche auf einer gewissen Erfahrung beruht, ist keineswegs als Einladung zum Leichtsinn zu verstehen und war auch nicht so gemeint. So würde auch ich meine Zehen, und zwar weder nackt noch in Schuhen, der von Dir angesprochenen Belastungsprobe durch die Straßenbahn aussetzen. Wenn ich dagegen im Fernsehen bei Karatevorführungen sehe, wie die Kämpfer mit ihren nackten Füßen Ziegelsteine und Betonbarren zerschlagen und zugleich die dabei stets ausgesprochene Warnung vor häuslichen Nachahmungsversuchen höre, dann drängt sich doch der Gedanke, daß solches nur durch entsprechende mentale Vorbereitung und Anstrengung möglich ist, geradezu auf.

Ich selbst habe wiederum bemerkt, daß ich mich in der Stadt nur selten an Glassplittern verletze, weil ich kaum noch einen Gedanken an diese Möglichkeit hege. Das heißt natürlich nicht, daß ich absichtlich in einen Scherbenhaufen träte, wenn ich einen solchen sehe; selbstverständlich weiche ich diesem dann aus. Andererseits sieht man es jedoch vor allem nachts auf Stadtstraßen mit Kopfsteinpflaster überall von lauter kleinen Glassplittern zwischen den Ritzen funkeln und glitzern, ohne daß man ausweichen könnte. Und wenn man furchtlos darüber geht (selbstvertändlich auch bei Tage), dann passiert in der Regel auch nichts. Und auch in den seltenen Fällen, in denen ich mir doch etwas eingetreten hatte, war es keine große Aktion, das Dingen zu finden und wieder zu entfernen.

Die mentale Einstellung ist auch der Grund, weshalb ich nichts davon halte, beim "Barfußlaufen" Schuhe dabei zu haben, weil diese das echte Barfußgefühl empfindlich beeinträchtigen. Das ist bereits spürbar, wenn man auf Reisen Schuhe dabeihat (da geht es halt vielfach nicht anders), aber wenn ich für weniger als einen Tag die Wohnung oder das Quartier barfuß verlasse, dann schleppe ich auch keine Schuhe mit mir herum, weil ich dann zwar rein äußerlich betrachtet "barfuß" wäre, von meiner inneren Einstellung her jedoch beschuht (weil ich die Schuhe entweder als eine Art Talisman bräuchte oder im "kritischen" Augenblick schwach würde und sie anzöge, was auch äußerlich das Ende der Barfüßigkeit wäre). Brauche ich dagegen Schuhe, behalte ich sie auch die ganze Zeit über an, weil es mir verheuchelt vorkäme, eine in Wirklichkeit nicht bestehende Barfüßigkeit vorzutäuschen. Die einzige Art "unechter" Barfüßigkeit, die ich bisweilen noch praktiziere, besteht darin, im Auto auf längeren Strekken die Sandalen abzustreifen, weil ich nun mal am liebsten barfuß Auto fahre, in der Regel aber am Zielort nicht ohne Schuhe auskomme und diese auch für kritische Situationen wie etwa eine Polizeikontrolle vorhalten möchte.

Die mentale Einstellung hilft auch im Winter beim Barfußlaufen, denn mit Autosuggestion läßt sich der vieldiskutierte Wärmeschub beschleunigen und verstärken. Die "lausige" Phase nach etwa zwei Minuten in der Kälte bleibt nämlich bei mir trotz jahrelanger Übung in der Regel nicht aus, aber sie läßt sich viel leichter überwinden, wenn ich mir selbst sage, daß der Boden nicht saukalt, sondern angenehm kühl sei und wie gut ich es hätte, barfuß darüber laufen zu dürfen. Und ist die "lausige" Phase erst einmal überwunden, stellt sich auch die Selbstverständlichkeit des Barfußlaufens (die letztlich auch eine mentale Einstellung ist), wieder ein.

Barfüßige Wintergrüße aus dem verschneiten München,
Markus U.


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