Polizeikontrolle in Melide - wegen barfuß! (Hobby? Barfuß! 2)

Michael aus Zofingen @, Stammposter, Monday, 04.10.2004, 10:10 (vor 7300 Tagen)

Am vergangenen Wochenende (2.-10.-3.10. 2004) habe ich mal wieder im Tessin meine Spuren hinterlassen, absolut frei von Gummi oder anderen Materialien, die der Schuhmacher oder die Schuhindustrie behufs Anfertigung von Absätzen und Sohlen benötigt. Die Nacht hatte ich draußen im Schlafsack in Bissone in einem Waldstück direkt neben einer Trafostation verbracht, nun war sie vorbei. Es war dunstig, aber (für meine Verhältnisse) nicht gerade kalt. Ein leichtes T-Shirt reichte voll, Schuhe hätte ich gar nicht anziehen können, weil ich sie in Zofingen gelassen hatte, "selbstverständlich" nicht unbeabsichtigt. Etwas mühsam tat ich die ersten Schritte auf dem kaum benutzten Weg hinunter, vorbei an Brennnesseln und Brombeerranken (erstaunlich, daß ich am Abend zuvor im Dunkeln diese Dinger nicht "gesehen" habe). Aber nur kurz war dieses Stück, es folgte eine Asphaltstraße, dann überquerte ich Auto- und Eisenbahn auf einer Fußgängerbrücke, und schon war ich im historischen Ortskern von Bissone. Ich gönnte meinen Füssen noch einen Umweg durch den Ort auf angenehm begehbaren Platten, die in Gassenmitte in das Kopfsteinpflaster verlegt sind. Dann überquerte ich den Seedamm, ich wollte ins gegenüberliegende Melide, das Swiss Miniatur besuchen. Das Trottoir des Seedamms ist teilweise aus neuem, größtenteils aber aus altem, sehr rauhen Asphalt. Aber mich drängte ja keiner, das Museum öffnete ja erst um 9 Uhr. Also beschloß ich noch, zum Bahnhof zu gehen, um mir anzuschauen, wann welche Züge abfahren.

Bei einer Tankstelle hielt plötzlich ein Polizeifahrzeug neben mir. Einer der Beamten fragte mich, ob ich italienisch könne, was ich verneinte. Eine Verständigung war jedoch möglich, da ein Beamter etwas deutsch konnte, der andere recht gut englisch. Als erstes die obligatorische Paßkontrolle. Dann die Frage, wo ich hinwollte, was ich ja sagen konnte. Dann die Frage, wo ich meine Schuhe hätte, was ich auch wahrheitsgemäß beantwortete. Dann, ob ich sie dort versehentlich vergessen hätte (Gibt es so was überhaupt? "Versehentlich" kann man doch nur Schuhe vergessen, wenn man betrunken ist. Oder wenn es sich um ZUSÄTZLICHE Schuhe handelt, die man mitnimmt, z. B. Turnschuhe für den Sportunterricht) , was ich aber verneinte. Ich erzählte ihnen, daß ich gerne ohne Schuhe unterwegs bin und hätte am Tag zuvor eine barfüßige Wanderung nach Morcote und zurück unternommen. Dann die Frage, wo ich übernachtet hätte, was ich mit "In Bissone" beantwortete in der Hoffnung, sie würden nicht weiterbohren. Die Kontrolle geschah nämlich auf dem Gemeindegebiet von Melide, und in manchen Fällen interessiert die Polizei nicht, was im Nachbarort passiert. Aber die Beamten interessierte der Name des Hotels oder so. Damit konnte ich nicht dienen, ich mußte gestehen, daß ich draußen übernachtet hatte. Einer der Beamten rief die Zentrale oder was auch immer an, und ich glaubte aus dem italienisch herausinterpretieren zu können, daß er mitteilte, daß ein Mensch barfuß unterwegs ist und im Schlafsack übernachtet hatte. Er las meinen Namen vom Paß vor und es schien einige erstaunte Bemerkungen um das Wort "dottore" zu geben. Dann fragte mich der Beamte, ob ich Arzt sei, was ich jedoch verneinte, ich wäre nur Doktor der Chemie. Der andere Beamte fragte mich, ob ich nicht friere, aber auch das konnte ich verneinen. Schließlich wurde ich noch gefragt, wie lange ich im Tessin sei, worauf ich wahrheitsgemäß angab, daß ich nur das Wochenende da wäre - und zeigte ihnen die Rückfahrkarte Zofingen - Melide. Dann war der Spuk vorbei. Die Beamten wünschten mir noch einen schönen Tag und fuhren weiter.

Auch hier sieht man wieder: Barfuß laufen ist verdächtig! Zumindest, wenn man ein Mann ist. Vermutlich wäre eine barfüßige Frau nicht kontrolliert worden. So ist es halt. Aber immerhin lebe ich in der Schweiz und nicht in irgendeinem Schurkenstaat. Auch wenn mich derartige Kontrollen nerven, so muß ich doch sagen, daß sich die Polizisten höflich und korrekt verhalten haben. Aber soll ich nur deswegen aufs Barfußlaufen verzichten, weil ich in die Fänge der Polizei geraten könnte? Nein!

Mit freundlichen Grüßen

Michael aus Zofingen


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