Mein Vater und ich (Hobby? Barfuß! 2)
Heute nützte ich das schöne Wetter (wer weiß, wie lange noch?) für einen ausgedehnten Barfußspaziergang und war schon wesentlich lockerer als die vorigen Male. Ich ging schon wie selbstverständlich dahin und vermutlich deshalb guckte niemand (oder fiel es mir zumindest nicht auf) und ich hörte auch keinen einzigen Kommentar.
Das ist gut!
Gleich am Anfang des Spaziergangs kamen mir in der Kirchenstraße in Haidhausen auf der anderen Straßenseite zwei barfüßige Mädchen entgegen. Früher hätte ich mich wie vom Blitz getroffen gefühlt; wenn ich eine barfüßige Frau sah, kam es mir vor als ob zwischen meinem Bauch und meinem Unterleib eine Spule unter Hochspannung gesetzt und ein riesiger Eisenkern hindurchgerissen werden würde (ich hoffe, der Vergleich ist auch für Nicht-Elektrotechniker bildhaft genug). Durch meine eigene Barfüßigkeit war dem Anblick der barfüßigen Mädchen jedoch das Sensationelle genommen. Ich weiß nun nicht, ob ich darüber traurig sein soll oder mich freuen soll, denn ohne Zweifel ist mir dadurch eine Lustquelle abhanden gekommen. Anderseits hilft mir der Umstand auch, mich von einer Fixierung zu lösen und vielleicht für andere Reize offener zu sein.
Gewohnheitsmäßig ging ich den Mädchen nach, jedoch ähnlich wie schon bei meinem letzten diesbezüglichen Erlebnis ohne besondere Gefühle. Sie verschwanden dann in einem Hauseingang und das war’s.
Warum das denn? Du selbst hast noch am Anfang gegrübelt, ob dir Passanten auf die nackten Füße schauen, und jetzt steigst du barfüßigen Mädchen hinterher, sogar gewohnheitsmäßig! Kannst du dir nicht vorstellen, dass sie sich von dir belästigt fühlen. Georg, du bist 37 und keine 15 mehr!
Dann ging ich auf die Praterinsel, wo gestern und heute das Fest "Isarlust" stattfand. Ich ging in den Hof der ehemaligen Schnapsfabrik und, oh Schreck, wen sah ich? Einen Freund meines Vaters, der dort mit einem Bekannten (den ich noch nicht kannte) bei einem Bier saß. Er begrüßte mich freudig. Ich setzte mich hinzu, nachdem ich vorher etwas verlegen auf meine Füße gedeutet und ihn gefragt hatte, ob er sich "so" eh nicht in meiner Gesellschaft geniere. Er meinte jedoch, dass ihm das wurscht sei. Als er jedoch meinte, dass er im September in Wien meine Eltern treffen werde und was die wohl sagen würden, wenn er ihnen "das" erzählen würde, verfiel ich schon ziemlich. Mein Vater würde wie üblich nichts dazu sagen (er pflegt wenig über seine Gefühle und Gedanken mitzuteilen), meine Mutter dagegen würde wohl verzweifelt ausrufen, dass ich nun offensichtlich völlig übergeschnappt wäre. Aus diesem Grund bat ich den Bekannten, meinen Eltern lieber nichts zu sagen. Es ist doch eigenartig, wie lange einem auch im Erwachsenenalter (ich bin 37) die Angst vor dem Urteil der Eltern im Nacken sitzen kann.
Lass dich vom Urteil deiner Eltern nicht einschüchtern. Dass du dich barfuß zum Bekannten deines Vaters gesetzt hast, war gut! Geh ehrlich mit deiner Barfüßigkeit um.
Übrigens bin ich aufgrund einiger Indizien der Überzeugung, dass ich meine Vorliebe für barfüßige Frauen mit meinem Vater teile. Ich würde ihn gerne einmal, solange er lebt, darauf ansprechen. Aber so verschlossen wie mein Vater ist, habe ich bei ihm stets die Sorge, Grenzen zu verletzen.
Jedenfalls habe ich heute zum ersten mal barfuß einen Bekannten getroffen. Weder habe ich mich zu Tode geniert noch ist die Welt untergegangen. Und ich bin wieder um eine wertvolle Barfuß-Erfahrung reicher.
Schöne Grüße an alle andern Füße
Georg, der Straßenbahner
Wie kommst du darauf, dass dein Vater auch ein Fable für barfüßige Frauen hat?
Sibumwa
Hallo Sibumwa (weiblich oder männlich eigentlich, und ist das ein Sannyasin-Name?),
dass sich die beiden Mädchen von mir belästigt gefühlt haben, glaube ich nicht, da ich einen sehr großen Abstand (etwa 80 bis 100 Meter) eingehalten habe. Da hätte eine von beiden schon Hellseherin sein müssen, um mich zu bemerken.
Du hast recht, dass ich mir das Hinterhergehen hätte sparen können. Genau das ist es ja, was ich mit diesem Teil der Story ausdrücken wollte. Aber alte Gewohnheiten sind oft schwerer abzustreifen als ein Schuh.
Was meinen Vater betrifft, so hat sich meine Meinung aus verschiedenen Mosaiksteinchen gebildet, die teilweise schon aus der Zeit stammen, als ich drei bis fünf Jahre alt war:
Einmal beim Frühstück, um 1968 (da war ich vier) sagte mein Vater zu meiner Mutter: "Die Chantal fährt barfuß Auto". Dabei blickte er versonnen aus dem Fenster. Chantal war eine französische Bekannte meines Vaters. Die Art, wie mein Vater darüber sprach, ließ keinen Zweifel daran, dass ihm gefiel, dass "die Chantal" barfuß Auto fuhr. Er hätte sich allerdings wahrscheinlich eher die Zunge abgebissen, als dass er hinzugefügt hätte: "...und das gefällt mir". Es war aber auch so alles gesagt. Auf "die Chantal" und ihr barfüßiges Autofahren kam mein Vater alle paar Jahre wieder zu sprechen, immer mit dem gleichen hintergründigen Unterton.
Im Sommer 1969, ich glaube es war am Tag der ersten Mondlandung, fuhr ich mit meinem Vater im Auto mit. Es war ein hellblauer VW-Käfer Baujahr 56. In der Dorotheergasse in der Wiener Innenstadt, gegenüber der Hauptanstalt des Dorotheums (das ist ein Pfandleihhaus) hielt mein Vater kurz, um etwas zu erledigen. Als er wieder zurück war und gerade im Begriff war, zu starten, zeigte er plötzlich auf den Gehsteig links und sagte: "Da geht eine barfuß." Ich blickte nach links und war wie elektrisiert. Ein etwa 16 bis 20 jähriges Mädchen, wahrscheinlich ein Hippiemädchen, ging zügigen Schritts an uns vorüber Richtung Stephansplatz. "Die hat gar keine Schuhe an", setzte mein Vater im bewährt hintergründigen Unterton hinzu. Ich erinnere mich noch deutlich an die zarte Farbe der Füße auf dem grauen Asphalt. Ich war hochgradig erregt, wie meine Katze, wenn sie ein Fluginsekt sieht. Mein Vater wohl auch, nur ließ er es sich nicht so deutlich anmerken. Dann fuhren wir los. Ich presste meine Nase an die linke Seitenscheibe des Volkswagens. Als wir an dem Mädchen vorbeifuhren, setzte dieses gerade seinen Fuß vom Gehsteig auf die Fahrbahn. Dann bogen wir um die Ecke und zurück blieb nur meine Sehnsucht. Die meines Vaters wohl auch.
Viele Jahre meiner Kindheit hindurch blickte ich, immer wenn wir durch die Augustinerstraße fuhren, nach links in die Dorotheergasse in der verzweifelten Hoffnung, dass das Mädchen wieder vorbeikäme.
Heute müsste dieses Mädchen, so es noch lebt, um die 50 sein.
Mein Vater hat immer wieder solche und ähnliche Andeutungen gemacht. Anders, als dass er meine Vorliebe teilt, kann ich es eigentlich nicht deuten.
Ich bin zwar heute 37, aber innerlich der kleine Bub geblieben, der seine Nase an die Autoscheibe presst und keine Chance hat, zum Gegenstand der Sehnsucht zu gelangen. Wenn ich heute von meinem Trambahnführerstand eine barfüßige Frau sehe, geht es mir genauso wie damals in der Dorotheergasse. Aber erst, seit ich dieses Forum kenne, werden mir allmählich die Zusammenhänge klar.
Ich hoffe, dass ich bei Dir mehr Verständnis für mein Verhalten erwecken konnte,
Viele Grüße
Georg