Geld einfach annehmen und spenden? (Hobby? Barfuß! 2)

Lotsi, Wednesday, 15.11.2000, 14:46 (vor 8712 Tagen) @ chris

Hi Ihr!

Bei diesem Thema möchte ich nochmal die Idee von Georg aufgreifen, dass man Geld, das Passanten Barfüßern tatsächlich manchmal bieten, spenden sollte und zwar für Medikamente etc., aber nicht, wie Georg meinte, für Schuhe. Dazu ein paar Gedanken.
Zuerst: Es ist nicht so, dass Passanten mich geradezu mit Zehnerln bewerfen würden, wenn ich barfuß durch die Stadt laufe, aber dreimal ist mir tatsächlich Geld angeboten worden: Einmal von einer besorgten, sehr netten alten Dame, von einem eher unbesorgten und auch weniger netten Herrn (der darüber wohl nur mit mir ins Gespräch kommen wollte, was ziemlich nervig war) und einmal von einem etwa 10-jährigen Mädchen, das glaubte, Barfüßer wären arm. Dieses Erlebnis war besonders nett!
Die Idee von Georg, solches Geld zu spenden, nur nicht für Schuhe, ist aber ein wenig problematisch. Ich weiß nicht, wie hoch der "Erlös" bei Euch so ist, un ob es sich für karitative Zwecke lohnt. Sicher ist ein Markl in einer Spendenbüchse besser als nichts.
Was mir aber nicht so ganz behagt ist der Gedanke, das Geld "natürlich nicht" für Schuhe zu spenden. Man kann die Verwendung von Spenden kaum beeinflussen, und Medikamente sind sicher wichtiger als Schuhe, ich gebe aber zu bedenken, dass wir nicht unsere Freude am Barfußlaufen einfach so auf andere Länder übertragen dürfen, etwa nach dem Motto: Gut, dass die da überhaupt keine Schuhe brauchen, schön, dass die den ganzen Tag barfuß laufen können, Hauptsache, sie haben das Notwendigste.
Wir Wohlstandskinder können es uns "leisten" barfuß zu laufen, es ist in der Tat Luxus für uns, aber in armen Ländern sind Schuhe Luxus, den sich wenige "leisten" können - wohl aber viele leisten wollen!! Ich bin mir sicher, dass in vielen Ländern Schuhe sehr gefragt sind! Barfußlaufen ist dort kein Ausdruck von Lebensart, sondern von Armut, es ist ein Not gedrungenes Übel.
Ich denke auch gar nicht so an z.B. Afrika, wo Barfußlaufen natürlich einen traditionellen Ursprung hat. Aber auch dort haben die Leute ein Recht auf Schuhe, und wollen selbstverständlich auch welche. Es ist etwas überheblich zu glauben, nur weils da warm ist bräuchten, ja wollten die Menschen keine Schuhe. (Nicht zu vergessen, dass in Europa bis ins 20. Jahrhundert Barfußlaufen vor allem eine Folge von Armut gewesen ist, nicht etwa von "Natürlichkeit").
Ich denke besonders an Lateinamerika und an Osteuropa. Die Straßenkinder von Rumänien haben Schuhe bitter nötig, es macht ihnen keinen Spaß, barfuß durch Bukarest zu laufen, was sehr viele müssen.
Also: Wir dürfen unsere Freude am Barfußlaufen nicht auf andere übertragen! Wenn Wohlstandskinder Gutes tun wollen, ist die Gefahr unangemessener, z.T. akut missverständlicher Maßstäbe und Ideen ganz nah. Schuhe sind in armen Ländern ein Statussymbol, wohl aber eines, auf das jeder ein Recht hat: das dürfen wir nie vergessen!
Georg: Dir wollte ich natürlich keinesfalls irgend eine Fehlleitung unterstellen! Dein Vorschlag ist sehr lobenswert, nur die Formulierung mit den Schuhe hat mich ewas irritiert. Also nix für ungut!
Liebe Grüße
Lotsi


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