Fuß-versteck-Mentalität bei deuschen Männern (Hobby? Barfuß! 2)
Hallo Bastian
Das alles passt auch wunderbar zu einem anderen Beitrag hier im Forum, in welchem thematisiert wurde, daß z. B. Amerikaner offenbar viel fußfreundlicher sind als die Deutschen.
Nachdem es ja um das sockenlose Tragen von Sandalen ging, kann ich das durchaus bestätigen. Ich war zwar nie in den USA, aber es kommen jedes Jahr genügend Amerikaner nach Berlin, um sie beobachten zu können. Selbst jetzt im Herbst tragen vor allem die Frauen immer noch gerne Flipflops, was man bei deutschen kaum noch beobachten kann.
Barfuß gehen sie allerdings scheinbar nie. Auch habe ich da schön verschiedentlich große Verwunderung durch meine Barfüßigkeit ausgelöst. Barfüßigkeit ist für diese Leute anscheinend weitgehend unvorstellbar, weshalb ich ihnen keine übermäßige Fußfreundlichkeit unterstellen würde. Aber natürlich gibt es immer unterschiedliche Menschen. die einen reagieren so, die anderen anders. Das ist überall auf der Welt so und sicher auch in den USA.
Und es ist nicht nur eine "Fußversteckmentalität". Auch der Körper, die eigentliche Persönlichkeit wird weitgehend versteckt und durch externe "Symbole", wie z. B. Markenkleidung, Markenschuhe, Rolex, exklusive Sonnenbrillen etc. substituiert.
Diesen Wunsch nach Substituierung habe ich nie verspürt. Ich lege Wert darauf mich wohl zu fühlen und bin da sicher nicht der einzige, obwohl auch ich ein deutscher Mann bin. Es gibt natürlich diese Männer, die im Businessdress umherlaufen, mit Anzug, Aktenköfferchen und selbstverständlich geschlossenen Schuhen, ob sie sich so aber wirklich wohlfühlen oder nur so herumlaufen, weil es von ihnen erwartet wird, oder weil sie glauben, dass es von ihnen so erwartet wird, kann ich nicht beurteilen. Vermutlich gibt es zu jeder dieser Möglichkeiten reichlich Einzelfälle. Mir tun solche Leute immer ein bisschen leid.
(Mindestens) Deutschland entwickelt sich seit den 90ger Jahren zurück zu einer Art barockem Kleider-, Lebens- und Schamempfinden, zu einer Kultur der Prüderie und Verklemmtheit. Ist noch niemandem aufgefallen, daß selbst bei 35 Grad im Schatten nur ein statistisch verschwindender Bruchteil der Bevölkerung "Fuß" zeigt oder gar barfuß läuft? Natürlich - Flipflops mögen ein Revival erleben, und trotzdem: Nie war Deutschland so gespalten in einerseits eine WERBEWELT, in der entspannte barfüßige Damen die Tarifstruktur eines TK-Anbieters anpreisen, barfüßige HERREN (!) lässig am Holzsteg lehnen, um für eine Zigarettenmarke zu werben - und natürlich für das angeblich sich einstellende Lebensgefühl der Freiheit und Selbstbestimmtheit, für das die nackten Füße wohl stehen sollen, andererseits in eine bürgerliche Spießer-Gesellschaft, die über jeden Barfüßigen mehr die Nase rümpft und lästert, als wenn dieser komplett nackt durch die Fußgängerzone liefe (ja, es gibt einige wenige Ausnahmen...).
Wen du "Fuß zeigen" mit Barfüßigkeit gleichsetzt, muss ich dir eindeutig Recht geben. Auch bei 35 Grad laufen nur die wenigsten barfuß herum. "Fuß" kann aber auch in Sandalen gezeigt werden. Diese Art des "Fuß zeigens" konnte man im Sommer durchaus beobachten, obwohl wir nur selten 35 Grad hatten. Es mag zwar bei den männern noch eine Minderheit gewesen sein, aber eine durchaus bedeutende. Bei den Frauen war es wohl die Mehrheit.
Die Diskrepanz zwischen Realität und Werbung ist mir aber auch aufgefallen. In der Werbung wird eine heile Welt vorgegaukelt, die sich viele Wünschen, die aber nur die wenigsten zu erreichen versuchen. Ich glaube, dass sich auch tatsächlich viele Wünschen öfter barfuß laufen zu können, sie aber davon ausgehen, dass es einfach nicht geht. Wenn man dann fragt warum es nicht geht, werden oft zahlreiche Gründe genannt, die man alle in einer Diskussion widerlegen könnte, aber dennoch dem Betreffenden als Gründe ausreichen. Zu tief sitzt da die Erziehung, zu tief das Gefühl: "Sowas tut man nicht" oder der Gedanken: "Was sollen die Leute denken?"
Ich kann solche Gedanken und Befürchtungen auch gut verstehen, da ich bis vor einigen Jahren ähnlich dachte, aber dann lernte ich dieses Forum kennen.
Gerade diese Diskrepanz zwischen Werbewelt und Wirklichkeit zeigt eindringlich, welches die geheimen Wünsche der Menschen sind, denn - eins muß man den Werbestrategen ja lassen - sie sind hervorragende Psychologen und schlagen punktgenau in die Kerbe der verborgenen gesellschaftlichen Begehrlichkeiten.
Richtig.
Als seit 25 Jahren überzeugter Ganzjahres-Barfußläufer weiß ich, wovon ich rede: Barfußlaufen hat einfach hierzulande keine Lobby.
Das ist leider logisch, denn man kann damit kein Geld verdienen. Daher kann auch keine Werbung fürs Barfußlaufen finanziert werden. Wir Barfußfans sind so wenige, dass wir in der Öffentlichkeit in der Regel nicht präsent sind. Wenn dann doch mal einer von uns gesehen wird, ist es etwas besonderes, worüber die Leute zumindest überrascht sind. Wie sie dann reagieren hängt vom einzelnen ab.
Dabei könnte auch die alleinige Präsenz von Barfußläufern im Straßenbild eine erhebliche Werbewirkung haben. Ich habe es schon mehrfach erlebt, dass Leute bei meinem Anblick sich spontan entschließen sich auch ihre Schuhe auszuziehen. Solche Leute müssten öfters Barfußläufern begegnen.
Die Versuchung, ausgerechnet mit der Fußbekleidung seinen wirtschaftlichen Status, seine Gesinnung, sein Modebewußtsein oder viele andere (vermeintliche) Persönlichkeitsaspekte hervorheben zu wollen, ist einfach zu groß. Ebenso ist die Angst zu groß, eben den o. g. Anfeindungen ausgeliefert zu sein, wenn man sich nicht anpasst. Nicht zuletzt ist - auch wenn es ein Relikt der Kriegsjahre ist- immer noch der Gedanke in den Köpfen verankert, nackte Füße würden Armut symbolisieren - "der kann sich wohl keine Schuhe leisten!", heißt es oft.
Solche Äußerungen gibt es aber auch oft von Leuten, die offensichtlich die Kriegsjahre gar nicht miterlebt haben. Gerade mit älteren Menschen habe ich oft nette Gespräche führen können.
Nie habe ich diese unsere Gesellschaft und die einzelnen Menschen intensiver kennen gelernt, als durch das Barfußlaufen, nie habe ich einerseits subtile, andererseits überdeutliche Unterschiede in Landstrichen, Städten und Ländern im Hinblick auf Toleranz, Lebenseinstellung, Prioritätensetzung etc. besser erkennen können. Wer Menschen erfahren will, dem empfehle ich das Barfußlaufen. Ja - wir kehren dadurch Aspekte unserer Persönlichkeit nach außen, wir "outen" uns, aber am meisten "outen" sich diejenigen, die mir begegnen: Durch ihre Reaktion.
Oh ja, das ist wahr. Barfuß erkennt man wer tolerant ist.
Im Übrigen (nicht nur die Barfußläufer im Forum wissen es natürlich längst): Füße mit gelben Nägeln sind häßlich, WEIL sie immer eingesperrt wurden; jedem steht frei, das zu ändern und sich beizeiten über ein wiederentdecktes, befreites, sonnengebräuntes, ansehnliches Körperteil - nicht selten mit dezentem Sexappeal (!) - zu freuen.
Wenn der Fuß erst gründlich ruiniert ist, dürfte es wohl nicht so einfach sein das zu ändern. Wenn etwa ein beschädigter großer Zeh erstmal auswachsen muss, dauert das über ein halbes Jahr. So lange hat niemand, der im Berufsleben geschlossene Schuhe tragen muss, Urlaub, um in dieser Zeit ständig Luft an seine Füße lassen zu können.
Es ist daher von großer Wichtigkeit, dass man es gar nicht erst soweit kommen lassen soll. Leider wird die Gesundheitsvorsorge bei der Fußgesundheit so völlig vernachlässigt, dass es wirklich beklagenswert ist. Es sollte daher schon in der Erziehung damit begonnen werden, den Kindern die Barfüßigkeit nahe zu legen, damit solche Fußschäden später ausbleiben. Wie dies allerdings geschehen könnte kann ich auch nicht sagen, da ich leider über keine Erfahrung mit Kindern verfüge.
Viele Grüße
Ulrich