Trainiertes Einschüchterungs-Gebahren - sich darauf einrichten (Hobby? Barfuß! 2)

Jay @, Stammposter, Sunday, 12.08.2007, 14:47 (vor 6314 Tagen) @ Michael aus Zofingen

Früher waren Packtaschen wirklich stabiler!

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Ist alles made in China. Die Gelben können allerdings nichts für mangelnde Robustheit ihrer Produkte; weil ihnen die weißen Manager gesagt haben: Das darf maximal so&soviel kosten, weil für uns genug Geld zur Aufrechterhaltung unseres Lebensstandards (Anzug, Krawatte, Shoes & Socks, Oberklasse4räder etc.) übrigbleiben muß!
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Kurze Zeit später überholte mich dasselbe Polizeifahrzeug (oder war es ein anderes?) und fuhr dann so scharf an den Bordstein, daß ein Vorbeifahren rechts vom Auto nicht möglich war.

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Gehobenes, imposantes 4radfahren lernen die in ihren Spezialfahrtrainings. Es ist keine gottgegebene, überlegene autofahrerische Naturbegabung, die Bullen auszeichnet.
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...waren die Polizisten ausgestiegen: ein dicker Fahrer, ein schlanker Mann mit Brille und eine nicht gerade schlanke Polizistin mit aufgedunsenem Gesicht. Sie nötigten mich zum Anhalten und zwangen mich, mein Velo auf dem Bürgersteig abzustellen. Nachdem ich mein schwer beladenes Velo mühsam über die recht hohe Bordsteinkante auf den Fußsteig befördert hatte, fuhr der Fahrer den Wagen an eine Stelle, wo er den übrigen Verkehr nicht mehr behinderte. Der bebrillte Beamte sprach mich an: "Wir erhielten eine Meldung, daß sich vor einem Supermarkt ein Mann ohne Schuhe und in kurzen Hosen ungewöhnlich lange vor einem wertvollen Fahrrad aufhielt und dann unsicher damit wegfuhr. Der Verdacht liegt nahe, daß diese Person das Fahrrad entwendet hat. Und die Personenbeschreibung könnte auf Sie zutreffen. Darf ich bitte Ihren Ausweis sehen?"

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Der Melder dürfte wohl echt ein totaler Neurotiker gewesen sein. Woran kann man eigentlich aus größerer Entfernung sehen, ob ein Velo besonders wertvoll ist oder nicht?
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Während ich meine Ausweistasche aus dem Seitenfach der Packtasche kramte, wurde die Polizistin ungeduldig und rief barsch: "Wird es nun bald! Wir haben nicht ewig Zeit." Ich blieb ruhig und sagte eher leise und jede Silbe einzeln und akzentuiert: "A-ber bit-te nicht in die-sem Ton!"

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Calming von Polizisten wirkt in dieser Form etwas niedlich. Vollkommen richtig war es, ruhig zu bleiben. Ich hätte einfach kopfschüttelnd mit strengem Blick in die Augen der Polizistin zurückgefragt: "Wie lange darf denn das Ihrer Meinung nach dauern? 1/2 Sekunde?" Nicht verschwiegen sei allerdings, daß der Versuch, der Bullin ihren fehlenden Realitätsbezug bewußt zu machen, zu zusätzlichem 'Rummaulen, Aggressivität etc. geführt hätte. Die Polizei muß immer Sieger sein. Sollte das einmal nicht der Fall sein, dreht sie durch.
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Ich gab dem Bebrillten meine Schweizer Identitätskarte, dieser gab sie dann weiter an den Fahrer, der zurückgekommen war. Dieser sagte: "Aha, ein Ausländer! Genau wie wir vermutet haben."

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Aha, ein Bulle aus dem rechtsradikalen politischen Spektrum! Übrigens hat die Schweiz von ihrem Status her als entwickeltes Land international eine äußerst hohe Reputation. Der spinnt wohl, dich mit einem Kanaken gleichzusetzen (dieses Wort benutzt er wohl am Stammtisch).
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"Sagen Sie ja nicht, daß das Ihr Fahrrad ist. Ein Mensch, der keine Schuhe und ärmliche Kleidung trägt, paßt wirklich nicht zu einem teuren Fahrrad! Sicher haben Sie auch mit den anderen Diebstählen teurer Fahrräder in dieser Gegend zu tun."

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Weiß der Teufel, warum die sich so an dem Spezifikum "Velos in exclusiver Top-Preisklasse" aufgeilen. Mangels Bildung (& auch Interesse, zugegeben) weiß ich jetzt gar nicht, was bei Fahrrädern einem Rolls-Royce-, Bentley-, Aston Martin-Analogon entspricht. Ich hab' auch schon manchmal beim obrigkeitlichen Check, ob mein 4rad auch wirklich mein Eigentum ist, gehört: "So jemand wie Sie..." (das Wort Barfuß wurde schon etwas pikiert ausgesprochen) ..."gehört nicht in dieses Auto!"
Ich nehme an, daß bei dir Hochwertigkeit beim Fahrrad dadurch begründet ist, astronomische Strecken pannenfrei zurücklegen zu können. Grad' kommt mir aber doch die Idee (wenn ich ein Bike-Faible hätte): Man müßte sich ein Velo mit einem galvanisch oberflächenvergoldeten Rahmen bauen lassen...irgendetwas Irrwitziges...
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Darauf entgegnete ich: "Das ist aber mein Fahrrad! Ich habe es erst vor wenigen Wochen gekauft." "Haben Sie denn die Kaufquittung?" fragte der Dicke. "Seit wann ist das denn Vorschrift, so etwas immer dabei zu haben? So etwas pflege ich immer zu Hause zu lassen." "Pflicht ist es nicht. Aber man kann sich erhebliche Schwierigkeiten einsparen, wenn man sie dabei hat", sagte der Beamte mit Brille.

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Die spinnen ja komplett! Denen hätte ich glatt gesagt: Leider gibt es in der Schweiz noch kein Eigentums-Amt, das eine Bescheinigung ausstellt, daß das Bike mein Eigentum ist - mit einer rund um die Uhr anrufbaren Krisen-Hotline zur Bestätigung - ein Service für Polizei & Obrigkeit.
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Ich wies auf das Schutzblech, auf dem das Siegel mit Anschrift und Telefon meines Velohändlers klebte und auf die Haftpflichtversicherungsplakette, wie sie in der Schweiz Pflicht ist. "Haftpflichtversicherung für Fahrräder? Solchen Quatsch können Sie anderen erzählen, uns nicht", sagte die Polizistin, die mir von den dreien am allerwenigsten sympathische war (nicht weil sie eine Frau war und nicht wegen ihres aufgedunsenen Gesichtes, sondern wegen des Gesamteindruckes. Nach einiger Zeit sagte sie: "So etwas dummes ist mir noch nie begegnet. Stiehlt ein Fahrrad und trägt so auffällige Kleidung. Und dann noch barfuß!" Darauf entgegnete ich: "Barfuß Fahrrad fahren ist auch nicht verboten. Ich bin ohne Schuhe aus der Schweiz bis in die Gegend von Dresden geradelt und bin nun auf dem Rückweg in die Schweiz." "Erzählen Sie mir keine Märchen, aus dem Alter bin ich raus", sagte der Dicke. "Wer sich bereits beim Befördern des Rades auf den Bürgersteig so abquält, ist niemals in der Lage, so weite Strecken zurückzulegen. Sie sind doch nicht einmal in der Lage, mit dem Rad bis nach Karlsruhe zu fahren!"
Diese Beamten schienen nicht allzu viel Ahnung zu haben. Auch hatte ich den Eindruck, als ob sie nicht an einer zügigen Bearbeitung interessiert waren.

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Zwischen Bullen & wirklichem Profi-Detektiv besteht ein gewaltiger Unterschied, auch wenn Bullen dieser Sorte gerne hobbydetektivische Schlüsse ziehen. Der im letzten Satz erwähnte Eindruck trifft absolut zu. Man zeigt, welchen Aufwand man als Obrigkeit treiben kann & zelebriert ein joviales Unterwerfungsritual, das vor allem das Opfer möglichst viel Zeit & Nerven kostet. Dieses "dominante Auftreten" wurde ihnen beigebracht; es dient vor allem einer Psychodimension: VERUNSICHERUNG des "Betroffenen"! So wird mit dem Opfer gerne in herablassender Manier, manchmal pseudo-leger herumblödelnd gesprochen. Ich wurde selbst einmal erkennungsdienstlich behandelt (Fingerabdrücke), als ich mein wg. Falschparken abgeschlepptes eigenes Auto "stahl", es hieß: "Sie laufen immer barfuß? Dann müssen wir auch Ihre Zehen aufnehmen!" (was sie dann doch nicht taten).
Man entwaffnet Derartiges dadurch, indem man kurz angebunden & emotionslos sagt:
"Ich hab' schon gemerkt, daß Sie mich ärgern wollen. Könnten wir die Amtshandlung aber dennoch - vielleicht auch zu Ihrem Vorteil - ganz einfach dadurch abwickeln, indem Sie jetzt auf geeignete Weise feststellen, daß das Fahrrad mir gehört?"
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Möglicherweise verzögerten sie das Ganze, weil sie auf Verstärkung warteten. Kaum kam ein Polizei-Kleinbus in Sicht, da sprach der Bebrillte: "Wir müssen das Fahrrad zur Überprüfung auf die Wache nehmen." Zwei Beamte stiegen aus dem Polizeibus, wollten mein Velo samt Gepäck ins Fahrzeug laden. Als sie merkten, daß es nicht so einfach ging, befahl einer: "Nehmen Sie die Sachen vom Fahrrad!" Ich tat es, darauf versuchten sie es noch mal, und das nicht gerade schonend, wobei ich sagte, diesmal recht laut: "Gehen Sie gefälligst vorsichtig mit meinem Rad um!" Darauf der Dicke: "Das wird sich zeigen, ob das wirklich Ihr Rad ist!" Darauf ich: "Solange das Fahrrad nicht IHNEN gehört, haben Sie nicht das Recht, so schofelig damit umzugehen, wem immer es auch gehören mag. Oder wurde Ihnen das Rad gestohlen?" Schweigen! "Na bitte!"

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Deine Rückäußerungen waren optimal.
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Fahrrad und Gepäck wurden in den Kleinbus geladen, ich mußte ins andere Fahrzeug einsteigen. Dann fuhren wir zur Polizeistation im Stadtzentrum Brettens. Ich mußte in einen Raum, wobei ich meistens alleine war. Was zwischenzeitlich mit Fahrrad und Gepäck geschah, konnte ich nicht sehen. Nur ab und zu kam mal einer der Beamten vorbei und stellte irgendwelche Zwischenfragen.

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Ist eigentlich die 'vorläufige Festnahme' in rechtsverbindlicher Form erklärt worden?
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Einmal fragte die Polizistin: "Wieso tragen Sie denn keine Schuhe? So etwas macht man am Strand, aber doch nicht in der Stadt. Das ist asozial. Und auf dem Fahrrad ist das bodenloser Leichtsinn!" Darauf entgegnete ich: "Barfußlaufen ist gesund und beim Radfahren hat man mehr Gefühl als beim Fahren mit Schuhen. Und verboten ist das auch nicht, genauso wie das Radfahren ohne Helm nicht verboten ist. Und solange kein Unfall passiert, kann man mir keine Geldbuße dafür aufbrummen." Die Polizistin entgegnete: "Irgendwann wird das aber verboten. Als die Gesetze gemacht wurden, hat keiner auch nur geahnt, daß es Verrückte geben könnte die barfuß radfahren."

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Meine Rückäußerung wäre gewesen: "Ich bin gerne asozial - solange ich gut verdiene & viel Geld habe..." Hinzugefügt hätte ich noch die Gegenfrage:
"Sie würden gerne Gesetze selber machen. Stimmt´s?"
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"Auch wenn wir keine Buße dafür verhängen können, können wir aber unseren Arbeitsaufwand in Rechnung stellen." Irgendwie war ich überrascht, als ich die Antwort des "Flintenweibes" hörte. Wollte die Frau mich einschüchtern? Oder hatte sie keine Ahnung? Wenn die Polizei wirklich willkürlich entscheiden kann, ihren Aufwand in Rechnung zu stellen, dann kann ja barfuß Radfahren insgesamt einem teurer zu stehen kommen als wenn einem eine Buße für Fahrradfahren gänzlich ohne Kleidung (Ordnungswidrigkeit) aufgebrummt wird, jedoch der Aufwand nicht in Rechnung gestellt wird.

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Da stellt sich echt die Frage einer Rechtsgrundlage. Prüfung eines Sachverhaltes, ob eine Straftat (Diebstahl eines Fahrrades) und/oder eine Ordnungswidrigkeit vorliegt, mit negativem Ergebnis? Das soll jetzt kostenpflichtig sein? Passender Kommentar, falls zur Kasse gebeten werden sollte: "Es ehrt mich, daß Sie sich von der Leistungsfähigkeit meiner Rechtsanwälte [immer im Plural sprechen!] überzeugen wollen. Machen Sie gleich einen Termin beim zuständigen Amtsgericht. Vortäuschung einer Ordnungswidrigkeit durch Radfahren in unzüchtiger Kleidung & barfuß."
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Etwa zwei Stunden haben mich die Polizeischergen festgehalten, dann durfte ich weiter. Der Bebrillte (der vernünftigste unter den Beamten) meinte, er hätte beim Fahrradhändler angerufen und mein Name wäre in dessen Kundenkartei vorhanden. Er empfahl mir, im nächsten Laden Schuhe zu kaufen, dann würde ich weniger Ärger haben. Das "Flintenweib" plärrte noch: "Diesmal kommen Sie noch ohne Kosten davon. Beim nächsten Mal werden wir den Aufwand in Rechnung stellen."

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Passender Kommentar zu den letzten beiden Polizei-Emanzen-Sätzen: "Das muß in die Tagesschau." Insgesamt sieht man aber aufgrund der ausschließlichen Erwähnung der fehlenden Schuh-Ausrüstung, daß dies wieder 'mal der Hauptstein des Anstoßes war...
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Sicher war Barfüßigkeit (bzw. Kleidung) nicht der Hauptgrund für das teilweise recht schäbige Verhalten der Brettener Polizei. Vermutlich scheint es im Raum Bretten irgendwelche schrägen Sieche zu geben, die "gewerbsmäßig" hochwertige Fahrräder entwenden und sie dann möglicherweise im Ausland zu verschachern. Und wenn das häufiger passiert, dann sind sowohl die Bevölkerung, als auch die Polizei sensibilisiert.

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Ich muß sagen, daß ich das - wie grad' erwähnt - nicht so sehe. Siehe auch deine weiteren folgenden Ausführungen:
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Ich vermute aber, daß mir nichts passiert wäre, wenn ich "hochgestylte" Radfahrerkleidung (mit Schuhen) getragen hätte. Oder Dienstkleidung.

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Kannst du sicher sein.
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Oder lange Jeans und barfuß.

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Sollte Bretten tatsächlich eine abnorm hohe Diebstahlstatistik an insbesondere hochpreisigen Fahrrädern aufweisen, hätten "sie" sich auf jeden Fall an dich 'rangemacht, sofern du insbesondere wie ich (wenn auch mit derzeit relativ kultivierten T-Shirts) eher als schräger Vogel aussehen würdest. Lange Jeans & BF bewahren Oberklasse-4radfahrer jedenfalls nicht im geringsten vor "Sicherheitskontrollen" der Obrigkeit, im Gegenteil. Wie´s mit kurzen Hosen aussieht, darüber fehlen zumindest mir Erfahrungswerte. Hätte ich aber zusätzlich dein Gesicht mit identischer Frisur (kenne dich ja von einem kürzlich hier 'reingesetzten Foto), könnte es sein, daß man sagt: Ein sportlicher Gentleman - dem ist halt heiß. Lassen wir ihn Revue passieren.

Schöne Grüße nach Zofingen,
Jay


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