Das Angst-vor-Barfuß in der City-Syndrom (Hobby? Barfuß! 2)

Jay, Stammposter, Wednesday, 18.07.2007, 07:06 (vor 6275 Tagen) @ Markus U.

Hi zusammen, gestern nachmittag ließ ich mich nach beendetem Einkauf mit einem Eis in der Hand bei dem großen Brunnen am Stachus nieder. Da es sehr warm war, genossen etliche Kinder sowie einige Erwachsene die Erfrischung unter dem kühlen Naß der Fontänen, die meisten von ihnen barfuß (aber nicht echt, weil sie nur ihre Schuhe ausgezogen hatten), einige aber auch in fetten Turnschuhen und Füßlingen. Ich selbst beließ es bei einer Reinigung meiner Füße, da ich nicht triefend naß durch die Stadt wandeln mag.

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Hi Markus,
hat man denn gesehen, daß die BFigen Kids ihre Schuhe noch in der Hand trugen? Nun, ich muß sagen, ich mache das nicht gerne, ich fühle mich dann BF mit einem mächtigen Schönheitsfehler & trachte z. B. in der Übergangsjahreszeit auch immer danach, Schuhe in einer Tragetasche etc. unsichtbar zu verbuddeln, aber spätestens in diesem Fall ist bei mir dann [BF = BF]. Die Ratinger Definition ist schon sehr hart, ich werde ihr bei meinem Urlaub genügen [Shoes & Socks werden zuhause verbannt & dürfen nicht mit], da ich das barfüßige Check In in Nordenham´s feinem 4-Sterne-Hotel am Markt (bestes Haus am Platze) als kein Abenteuer betrachte.
Auch ich laufe nicht als begossener Pudel durch die Stadt. Brunnen benutze ich speziell bei großer Hitze immer als Fußwasch- & Abkühlgelegenheit & laufe auch gerne durch Wasserflächen oder Pfützen, wobei es ein Riesenspaß ist, die berühmten Spuren zu hinterlassen. Einmal sagte mir eine Frau beim Einkaufen nach Gewitterplatzregen: "Das sieht wunderhübsch aus!" Bei den heutigen Temperaturen (hier 32°) ist "es" nach 1 min wieder weg.
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Eine Mutter (ca. 40 Jahre alt, kurze blondgefärbte Haare, Brille, kurze Hosen, weit ausgeschnittenes Oberteil, klobige Teva's, unsympathische Erscheinung), deren Söhne ebenfalls dort spielten, wollte weitergehen. "Sandalen anziehen", befahl sie in militärischem Tonfall (ihre Stimme war so unsympathisch wie ihre ganze Erscheinung). Während der kleinere der beiden Söhne sich fügte, protestierte der größere. "Ja bist du denn narrisch, daß du barfuß durch die Stadt gehen willst? DU ZIEHST SOFORT DIE SANDALEN AN!!!"
Sichtlich widerstrebend und mit einem sehnsüchtigen Blick auf meine nackten Füße pellte der Junge sich in seine ungeschlachten Teva's...

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War sie besockt oder BF in Tevas? Waren es normale oder betont massive (mir fehlt bei diesem Schuhtyp jedwede Unterscheidungsmöglichkeit, hab' zeitlebens noch nie Tevas aus einer Entfernung < 2 m gesehen)? Die Erfahrung lehrt, daß BF-feindliche Menschen zwar nicht notwendigerweise Massiv-Verpackung (dicke Stiefel im Sommer) wählen, aber bei gleichem Schuhtyp das "schwerere" Modell.

Wäre ich an deiner Stelle gewesen, wäre folgendes passiert:
Ich hätte mir zunächst nichts anmerken lassen, dann aber zu ihr & den Kindern gesehen (Signal: durch öffentlichkeitswirksames Gebrüll wurde meine Aufmerksamkeit geweckt). Nach dem Fortissimo [siehe Großbuchstaben] hätte ich zu "ihr" leicht kopfschüttelnd & achselzuckend noch etwas konzentrierter hingesehen [Motto: Was soll diese Clownerie? Man wundert sich. Ich hab' zwar kein sehr ausdrucksstarkes Gesicht, weiß aber, daß das so "rüberkommt". Keinesfalls ein Gespräch beginnen!]
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Sichtlich widerstrebend und mit einem sehnsüchtigen Blick auf meine nackten Füße pellte der Junge sich in seine ungeschlachten Teva's...

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Dann hätte ich ganz dezent & kurz Blickkontakt mit ihm gesucht, teils mitleidsvoll, teils traurig [Motto: Ich versteh' dich, ich weiß wie das ist. Aber ich kann nichts machen]. Diese Szene wird im Gehirn-PROM des Jungen wirksam abgespeichert werden. Er wird merken, daß das Erziehungskonzept seiner Mam' nicht das Optimale ist & daß sich Leute hierüber wundern (& obendrein für ihn interessante Leute). Später einmal wid er das mit dem "Wundern" einmal seiner Mutter sagen. Ihm wird bewußt, daß es irgendwo mehr FREIHEIT gibt als im Erziehungsrahmen seiner Mam'.
Wäre die Mutter mit den Kids zuerst aufgebrochen, häte ich mich betont lässig hingesetzt. Umgekehrt wäre ich langsam aufgestanden & betont entspannt davongeschlendert.
Hätte diese Ziege ihre Schreikrämpfe nun auf Unsereins ausgedeht, gilt eines: Den Gegner sich selbst in die Scheiße 'reinreiten lassen. Das ist sogar gar nicht schwierig, weil er zum einen vor Dritten schon eine komische Figur abgibt, indem er ein anschnauzendes Gespräch mit einem wildfremden Passanten initiiert, zum anderen, weil er nur Unfug reden kann. Klassifizierungen wie "Sie asozialer Typ" lassen mich lächeln. Appelle an "Kultur", "Benimm/Anstand", "Stil" [+ Etikette] oder gar "Anpassung" bringen mich zum Lachen. Kurz, es kommt immer irgendwas (möglichst in vielen Sprechblasen), was folgenden, eigentlich sachlich richtigen Kurzkommentar meinerseits impliziert:
"Daß Sie das überhaupt nötig haben"
bzw.
"Wem wollen S´denn DAMIT [gemeint ist: daß Ihre Kids bei diesem Wetter beschuht 'rumlaufen müssen] imponieren?"
Bei Fortsetzung des Gesprächs hätte "sie" das Thema schon irgendwann auf "Geld" gebracht (+ evtl. die Info, für was es "anständige, zivilisierte" Leute ausgeben. Dann hätte ich darüber informiert, für was es andere Leute ausgeben). Bricht "sie" das Gespräch nicht ab, treibt sie immer weiter auf den Psycho-K.O.-Schlag zu. Zwar ist nur selten situativ das 4rad wirklich ins Spiel zu bringen (wenn man nach Gesprächsabbruch sichtbar in dieses einsteigt), doch entfaltet er dann völlig vernichtende Wirkung. Dann heißt es von Seiten der Kids: Der hat mehr Geld & auch noch mehr Freiheiten & darf, während wir weniger haben & nicht dürfen (BF). Anpassung wird zur zweifelhaften Feature.
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Ich frage mich, was aus der Sicht vieler Menschen so schrecklich daran sein soll, in der Stadt barfuß zu gehen. Die meist vorgeschobene Begründung, daß man in Glasscherben oder Hundekakke treten könne (wer nicht grad in die Luft starrt, sieht sowas rechtzeitig und kann ausweichen), hat mich noch nie überzeugt.

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Es ist für mich absolut sicher, daß Verletzungsschutz NICHT der Grund für den Schuh-Command von General Mutter war (& meine hätte sich noch mehr aufgeregt, wäre ich mit meinen "guten" Schuhen unachtsam so richtig voll in das Hauptprodukt der Fa. Köter 'reingestiegen, was ja ebenfalls möglich ist & dann bei Intensivreinigung noch weit mehr Arbeit macht als 1 - 2 min Fußwaschung unter Wasserstrahl & Seife). Gute Mütter begründen Ge- & Verbote, auch bei schlechter Laune ("Du trittst dir was ein & es tut furchtbar weh"), allein schon um die Befehlsausführung zu erleichtern & zu beschleunigen. Meine machte es immer (ich war als Kind außerdem extrem wißbegierig, bekam aber auch wirklich alle Fragen beantwortet).

Das hier ist eindeutig eine Anpassungsneurose, wobei dieses "in der City angemessen Rumlaufen"-Spezifikum erst vor kurzem neu entdeckt wurde. So werden in Neckermann-/Quelle-Katalogen "Herren-City-Anzüge" angeboten; vor kurzem hatte ich einen NORMA- oder LIDL-Gratisprospekt in der Post, in dem es bereits "Herren-City-Schuhe" (im wesentlichen Anzug- & Krawattentreter in etwas verstärkt-robusterer Ausführung) gab. Derweil könnte es die City so viel leichter haben, daß ich der City zuliebe "angemessen" auftrete - sie müßte bloß ihren Straßen- & insbesondere Parkplatz-Rückbau wieder rückgängig machen, am besten direkt vor den Geschäften (Einkaufen ist für mich Zweckhandlung). Rest bekannt.
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Häufig heißt es auch: "So etwas tut man nicht." Ja warum denn nicht?! Und wer hat das überhaupt "festgelegt"?

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Ja, es ist eine Tatsache, daß in der Gehirnsoftware heutiger Eltern BF in schon fast einer ähnlichen Kategorie programmiert ist wie das bekannte Onkel Doktor/Krankenschwester-Spielen, wenn ca. 2 bis 3jährige beim gemeinsamen Spiel an sich entdecken, mit was sie so alles am Leib serienmäßig ausgerüstet sind. Das muß ihnen natürlich erzieherisch ausgeredet werden, wobei man dieselbe Psychodimension wie später bei "Keuschheit" im Grundschul-Religionsunterricht benutzt (wobei meiner Generation jedenfalls niemals genau definiert wurde, was Nicht-Keuschheit ist).

Ich weiß auch nicht, welche Gründe irgendjemand einst aufgeführt haben könnte, weshalb man das (BF) nicht tun soll. Wer dieses [Genie mal minus 1] war, weiß ich ebenfalls nicht.
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Kopfschüttelnd ob der Barfußphobie vieler Eltern,
Markus U.

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Genauso & mit barfüßigen Hochsommergrüßen,
Jay


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