Corporate Identity (Hobby? Barfuß! 2)

Michael aus Zofingen, Stammposter, Monday, 05.02.2007, 14:07 (vor 6437 Tagen) @ Bernd (Wiesbaden)

Hallo Bernd,

grundsätzlich geht es den Vorgesetzten (und überhaupt Arbeitskollegen) einen feuchten Kehricht an, was man während der Freizeit tut und welche Kleidung man dabei trägt. Aber in vielen Arbeitsverträgen gibt es bestimmte Klauseln. In meinem Arbeitsvertrag steht unter anderem, daß ich außerhalb der Arbeitszeit keiner Beschäftigung nachgehen darf, die die Firma konkurrenziert. Auch darf die Freizeittätigkeit nicht so ausarten, daß ich die Arbeit darunter leidet. Und man darf sich nicht so verhalten, daß man dem Ruf der Firma schadet.

Wenn ich also in der Freizeit barfuß bin, mache ich der Firma, die ja schließlich keine Schuhe herstellt, keine Konkurrenz. Wenn einer ständig Alkohol konsumiert, dann leidet die Arbeit darunter. Beim Barfußlaufen wäre es höchstens der Fall, wenn man oft in Scherben tritt und daher krankgeschrieben wird. Aber das ist einmal bei mir nicht der Fall. Und was machte es für einen Unterschied, ob man beim Skifahren oder Fußballspielen verunglückt und eine Woche fehlt oder ob man eine Woche fehlt, weil man sich beim Barfußlaufen eine Scherbe in den Fuß getreten hat oder sich im Winter Erfrierungen xten Grades geholt hat? Keinen! Aber ich kann mir vorstellen, daß ein Chef, der zwar Ski, jedoch nicht barfuß läuft, eher über den Mitarbeiter mit dem Kopf schüttelt, der wegen Erfrierungen beim Barfußlaufen eine Woche absent ist als über den verunglückten Skifahrer.

Und schade ich dem Unternehmen durch barfußlaufen? Wenn ich mich am Wochenende barfuß und in Lumpen auf den Marktplatz der Stadt setze und ein Schild vor mir aufstelle mit dem Text "Eine milde Gabe für einen unterbezahlten Chemiker der Firma XY GmbH & Co KG", dann bekomme ich sicher Ärger. Aber sonst? Die Kunden unser Firma sehen mich ja nicht barfuß, da sie nicht in Zofingen ansässig sind, sondern meist in Übersee. Also wird man mir kaum vorwerfen, daß durch mein Freizeitverhalten mögliche Kunden abgeschreckt werden und zur Konkurrenz gehen. Bei Kundenberatern einer Bank könnte es anders aussehen, oder zumindest könnte es von Vorgesetzten so ausgelegt werden.

Wie sah es bei mir aus? Bei mir kam barfuß in der Freizeit nicht aus dem Nichts. Schon lange war bekannt, daß ich außerhalb der Arbeitszeit keine Dienstkleidung trug, sondern speziell beim Radfahren im Sommer kurze Hosen trug. Und prompt haben sich irgendwelche Leute bei meinem direkten Vorgesetzten (Spitzname: "Eule") beschwert, daß ich selbst beim Radeln durch die Zofinger Altstadt kurze Hosen trug, sogar beim Einkaufen. Und die Antwort der "Eule", trägt selber nur ungern eine Krawatte, war immer: "Solange er seine Arbeit macht, ist es mir völlig egal, ob er in der Freizeit füdliblutt ist oder eine Ritterrüstung trägt".

Das Tragen von kurzen Hosen dehnte sich immer mehr aus, auch war es nichts außergewöhnliches, wenn ich beim Radfahren im Hochsommer nur eine Turnhose und Sandalen trug. Da war es eigentlich nur konsequent, daß ich auf die Sandalen auch verzichte. Daß es 14 Jahre gedauert hat, bis ich überhaupt barfuß in der Öffentlichkeit war, hing in erster Linie damit zusammen, daß ich es mir nicht vorstellen konnte, daß barfuß Radfahren ohne Schmerzen überhaupt möglich ist. Die Firma würde sich also unglaubwürdig machen, wenn sie bei mir das Barfußlaufen in der Freizeit als verdeckten Kündigungsgrund auffassen würde, wenn ich Jahre vorher schon in der Freizeit nicht allzu zugeknöpft erschien.

Erst wenn sich die oberste Führung und die Kultur total ändern sollte, könnte aus der Tatsache, daß ich nach der Arbeit meine Dienstkleidung in die Ecke pfeffere anstatt sie auch im Bett zu tragen, ein Strick gedreht werden. Aber da mach ich mir keine Sorgen. Es finden zwar laufend Umstrukturierungen statt, aber diese gingen an mir vorbei. Die "Eule" wurde mittlerweile auch ein gut bezahltes Abstellgleis gestellt, und sicher nicht wegen zu hoher Toleranz gegenüber Barfüßern und anderen komischen Vögeln, jetzt hat eine Frau die Position eingenommen, auch die hat nichts gegen meine Barfüßigkeit unternommen. Auch der CEO (AMERIKANISCH-Schweizer Doppelbürger) hat mich schon in Freizeitkleidung erwischt. Und in gut 14 Jahren bin ich dann soweit, daß ich die Dienstkleidung an den Nagel hängen kann, was Luc schon jetzt kann.

Schöne Grüße

Michael aus Zofingen


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