2006, Dez. 03 Barfuß im weihnachtlich geschmückten Berlin (Hobby? Barfuß! 2)
Die in diesem Herbst extrem barfußfreundlichen Temperaturen veranlaßten Ulrich und mich, möglichst frühzeitig im Advent durch Berlin zu bummeln, um die reizvolle Kombination barfuß / Weihnachtsmarkt genießen zu können.
Um uns mit den Füßen an die Thematik und die Außentemperaturen, die immerhin 12° betrugen, heranzutasten, trafen wir uns am Sonntag, 03.12.06, um 12 Uhr am Südportal im Berliner Hauptbahnhof
an einer 20m hohen, kegelförmigen Konstruktion,
http://www.bahnimbild.de/fotothek/cmd/0.34726768662716356.149 (bitte anklicken, anschl. die Zürück-Taste), die mit künstlichen grünen Zweigen und Swarovski-Kristallen dekoriert ist. Dieses Konstrukt wird von der DB Weihnachtsbaum genannt, hat aber mit einem solchen vielleicht noch die Farbe gemein. Der bis auf den Boden reichende Glitzerkram ist lediglich mit einer schwachbrüstigen Plexiglaswand vor den Begehrlichkeiten der staunenden Menge geschützt - wer sich also zu Hause selber eine ähnliche Vorrichtung bauen (den Weg zu Swarovski aus naheliegenden Gründen aber vermeiden) möchte, sollte mit einem langstieligen Angelköcher bewaffnet den "Baum" abernten (Die DB-Info ist aber nicht weit weg
Der Berliner Hbf. http://www.hbf-berlin.de/site/berlin__hauptbahnhof/de/start.html bot angenehme Bodentemperaturen, ein paar Buden, viele Reisende, immer wieder zum staunen anregende Architektur und grauen Stahl. Schuhe waren für die Besichtigung dieses Indoor-Xmas-markets wirklich nicht vonnöten - was erstaunlicherweise aber keinen Einzug in das Verhalten der abertausend Anderen im Hbf. fand, wir blieben die Einzigen. Auf der anderen Seite boten unsere nackten Füße dort keinen Anlaß zu ungläubigem Gaffen - was sich noch ändern sollte. Nach ein paar Runden verließen wir Mehdorns heilige Hallen, ließen uns vor seinem Glaspalast ablichten und gingen zu Ulrichs in der Nähe geparkten Auto.
Mit diesem erreichten wir nach ein paar Minuten Fahrt über den Boulevard Unter den Linden und um das Rote Rathaus und das Außenministerium herum tatsächlich einen Parkplatz in dieser von vorweihnachtlichen Leben erfüllten Stadt, der Ulrichs Auto etwa 50 cm mehr Platz im Vergleich zur Autolänge bot. Das Einparken erledigte er souverän, ist er doch im Job den Umgang mit weit größeren "Kisten" gewohnt.
Auf dem Schloßplatz bewegten wir uns barfüßig auf geschichtsträchtigem Boden, stand doch genau dort noch vor wenigen Jahren das Berliner Stadtschloß, bis die Aufmarschphantasien der DDR-Machthaber dem kriegsbeschädigten Gemäuer ein Ende bereiteten. Ein Portal des Stadtschlosses wurde in das von der südlichen Platzseite grüßenden ehem. Staatsratsgebäude integriert, welches nach der Wende von Gerhard Schröder als Kanzleramt und nun von einer Wirtschaftsschule genutzt wird. Auf dem an der östlichen Seite vom morbiden Gerippe
des ehem. Palastes der Republik begrenzten Schloßplatzes fand ein Weihnachtsmarkt besonderer "Güte" statt, auf dem unsere Barfüßigkeit aufgrund des begrenzten Niveaus seiner Besucher nicht weiter auffiel. Es handelt sich um einen lupenreinen Rummel (Kirmes, Kirchweih, Kärwa) mit allem, was dazugehört: Achter- und Geisterbahn, Schieß- und Dosenwurfbuden, Monsterkarussels und Kitschläden, fast-food Buden verschiedenster Provenienzen, Zuckerwatte und so weiter und so fort mit dementsprechendem Ramtatam, Gerüchen und Besuchern. It was crazy! Mein Ersuchen um Einlaß in den Toilettenwagen wurde entrüstet von der ca. 30-jährigen Klofrau zurückgewiesen mit dem Ausruf: "Barfuß kommen Sie hier nicht rein!!" Den Kommentar, Wieso? Rutscht man bei Ihnen auf der Pisse aus? verkniff ich mir höflicherweise (manchmal bin ich einfach soo zurückhaltend ).
Wir zwangen uns längs des vorgegebenen Ringelwurmwegs durch die Volksbelustigungshölle bis wir nach ein paar Metern auf den "Linden" Richtung Brandenburger Tor auf der linken Seite den ausgedehnten und schönen Weihnachtsmarkt am Opernpalais (Unter den Linden 5, 10117 Berlin-Mitte)
http://www.berlin-tourist-information.de/winterzauber/index.php?option=com_content&task=view&id=24&Itemid=28 erreichten, der uns schon mehr Spaß bereitete. Die Auffassungsgabe der Besucher war hier schon munterer und so fand der schöne Kontrast: Winterliches Straßenpflaster / nackte Füße das Augenmerk so mancher Bummelanten.
Weiter führte uns der Weg an der St. Hedwigskathedrale vorbei, die ich endlich einmal besichtigen wollte.
Interessante Kombination aus modernem Kuppelbau und dieser Fassade!
Schuhe trugen an diesem Tage weder Ulrich noch ich, so daß ich genauso barfüßig in die kath. Bistumskirche Berlins hineinging.
Der von der Aufsicht erschöpften Frau waren meine Füße egal, in der Unterkirche sah ich einmal aus den Augenwinkeln, wie eine aus einer Seitenkapelle heraustretende Frau beim Vorübergehen meine Barfüßigkeit wahrnahm, sie bewußt aber erst 1 Sek. später registrierte und sich dann hinter mir ruckartig umdrehte um zu vergewissern, was sie da soeben erblickt hatte. Der Steinboden in der St. Hedwigskathedrale ist angenehm warm, insofern hätte auch sie sich ihrer Schuhe entledigen können, aber wie konnte sie ahnen ... Dieser Kirchenbau lohnt den Besuch kaum, es sei denn, man hat Bezug zum Katholizismus oder möchte sich im Winter die Füße aufwärmen. Übrigens ist die kath. Kirche eifrig dabei, übers Internet ihre versprengten Schäflein einzusammeln: http://www.katholisch-werden.de/home/index_home.html
Wir erreichten die Friedrichstraße
"Flair und Eleganz" lt. Internetpräsenz des Landes Berlin ...
http://www.berlin-tourist-information.de/cgi-bin/sehenswertes.pl?id=13686.
... und erreichten die drei Blöcke der Friedrichstadt-Passagen.
http://www.berlin.de/tourismus/sehenswuerdigkeiten/00046.html: "Von den zahlreichen Neubauprojekten längs der Friedrichstraße waren die drei Blöcke der Friedrichstadt-Passagen die ersten und meistbeachteten. Bereits in den letzten Jahren der DDR hatte man mit der Planung und Bebauung des Areals begonnen, doch nach einem neuen Wettbewerb wurden die Rohbauten Anfang der 90er Jahre wieder abgerissen. Ihren Namen leitet die Baugruppe aus der Ladenpassage her, die die drei "Quartiere" im Untergeschoß verbindet. Als einziger der drei umfaßt das südliche Quartier 205
den ganzen Straßenblock und wirkt damit auch auf den rückwärtigen Gendarmenmarkt ...
Einen extremen Gegenpol bildet der Nachbarblock des Amerikaners Henry Cobb (Quartier 206).
Die Fassade ist geprägt durch keilförmig vorspringende Elemente, die über das Traufgesims übergreifen und nachts auffällig illuminiert sind. Auch im Inneren setzt sich der im Material edle, in der Form expressive, unruhige Duktus fort.
Der nördliche Block des Franzosen Jean Nouvel für das Warenhaus Galeries Lafayette (Quartier 207) kam in der Architekturkritik am besten weg.
Entgegen der von Stadtbaudirektor Stimmann geforderten steinernen Architektur besteht die Außenhaut komplett aus Glas. Sie ist jedoch nicht auf Transparenz angelegt. Über der horizontal gegliederten Fassade erheben sich hohe Dachaufbauten. Befremdlich wirkt der unscheinbar geratene Haupteingang, wie ein noch kleinerer Nebeneingang an der Französischen Straße.
Die Ladenpassage im Erd- und Tiefgeschoß unter dem mittleren Quartier 206 ("Auch im Inneren setzt sich der im Material edle, in der Form expressive, unruhige Duktus fort.") ...
... verwöhnte unsere Füße mit angenehm warmen, seidenweichen Marmormosaiken.
sehens- und fühlenswert!! Dort waren an diesem verkaufsoffenen Sonntag die Geschäfte geschlossen.
Wir setzten unseren Spaziergang unterirdisch fort und gelangten auf die andere Straßenseite in die shopping mall des Quartier 205, wo der Einzelhandel florierte und sich das Volk drängte, ganz im Gegensatz zum distinguiert zurückhaltend, edel dinierenden Publikum vorher.
Wir verließen die Friedrichstadt-Passagen Richtung Osten zum Gendarmenmarkt, auf dem ein seit mehreren Jahren stattfindender wunderschöner Weihnachtsmarkt mit ausgesuchten Exponaten, Speisen und Getränken stattfindet, teilweise überdacht und beheizt, zu dem die lodenbehängten Eingangswächter den Eintritt erst nach Entrichten eines Obolus gewähren.
Den sparten wir uns aber und tapsten barfüßig übers Pflaster und unterirdisch durch die U-Bahn-Station Hausvogteiplatz (um die Füße wieder aufzuwärmen)
weiter zum
Hausvogteiplatz (am mittleren unteren Bildrand)
Wir hielten uns einige Zeit am Denkzeichen zur Erinnerung an die in jüdischem Besitz befindlichen Konfektionsbetriebe, die ab 1933 Ziel massiver Diskriminierungen und Behinderungen waren, auf.
Die Bekleidungsindustrie war damals der zweitwichtigste Berliner Wirtschaftszweig. 4000 Juden aus dem Berliner Bekleidungsgewerbe wurden ermordet.
Zur interessanten Vorgeschichte des Hausvogteiplatzes siehe http://de.wikipedia.org/wiki/Hausvogteiplatz
Wir errichten Ulrichs Auto, welches er wieder fachmännisch ausparkte, verließen den Bezirk Mitte und fuhren nach Charlottenburg zum Kurfürstendamm, wo alljährlich um die Gedächtniskirche ein beliebter Weihnachtsmarkt stattfindet.
Uns interessierte jedoch mehr die jedes Jahr aufs neue überwältigende Illumination des Ku’damms. (Wieso, weshalb, warum? Siehe http://www.welt.de/data/2006/11/13/1108960.html
Ulrich fuhr die ganze Strecke bis zum Rathenauplatz und wir gerieten immer wieder ins Staunen ob der festlich beleuchteten Platanen an der 4 Kilometer langen Strecke. Mit diesen Impressionen verabschiedeten wir uns an der S-Bahn-Station Messe Süd.
Diese barfüßigen Stunden im vorweihnachtlichen Berlin waren ein unvergeßliches Erlebnis! Ich danke Ulrich noch mal für sein sicheres und komfortables Fahren.
Viele Grüße,
Johannes
PS: Ein paar persönliche, aber miserable Handybilder sind in der:
Yahoo-Gruppe der Barfuß-Initiative-Berlin: Eine Menge Beiträge, Fotos, Links