Sokrates und Franz von Assisi: Asketen?? (Hobby? Barfuß! 2)

Guenther, Wednesday, 27.09.2006, 10:32 (vor 6571 Tagen) @ Pedro

Hi Pedro!

Danke für Deine Erläuterungen. Worauf ich hinauswill: Es gibt bestimmte (bei manchen anderen Menschen offenbar vorhandene) Bedürfnisse, die ich halt einfach nicht habe. Einem nicht vorhandenen Bedürfnis nicht nachzugehen, braucht weder Abtötung noch Einübung noch auch nur einen langfristig positiven Effekt (wie z.B. Gesundheit). Barfuß ist einfach angenehmer. (Andere Menschen mögen andere Bedürfnisse nicht haben, die mir z.B. wichtig sind.)

Du hast halt gelernt, mit Deinem Körper vernünftig wie mit einem Partner umzugehen. Ein griechischer Philosoph platonischer Ausrichtung sieht ihn aber von vorneherein als "Schweinhund" an. Von antiken Philosophen (ich weiß nicht mehr genau, von welchem) werden Dinge der Art überliefert, daß sie im Hochsommer im Mantel rumliefen, im Winter dagegen nackt. Auf Deinen Fall übertragen heißt das: Schuhe an, wenn´s barfuß angenehmer wäre, dagegen barfuß, wenn´s richtig ungemütlich ist. Aber Du brauchst ja nicht dualistischer Philosoph zu werden ...

Das ist eine ganz einfache menschliche Erfahrung, und ich kann mir nicht vorstellen, dass Menschen der Antike oder des Mittelalters solche Erfahrungen nicht gemacht haben, nur weil die Philosophen der Zeit es nirgendwo niedergeschrieben haben. Nicht umsonst gibt es ja ganze Forschungsrichtungen bei den Historikern, die sich mit der Alltagswelt der Menschen vergangener Zeiten befassen.

Die gibt es natürlich auch in der Altertumswissenschaft, etwa in der alten Geschichte, wenn man sich versucht nicht auf die großen Geschichtswerke zu konzentrieren, sondern auf das Alltagsleben, wie es etwa in Papyrusurkunden oder (nicht politischen) Inschriften deutlich wird. Nur werden Zeugnisse für sowas naturgemäß rarer, je weiter die erforschte Epoche zurückliegt. Die Überlieferung bevorzugt nun mal große Kriegsgeschichten und platonische Philosophie gegenüber trivialen Alltagserfahrungen, die wahrscheinlich überhaupt nicht niedergeschrieben werden, sondern nur umständlich aus archäologischen Funden erschlossen werden können. Übrigens schließt die griechische Literatur in vielen Fällen Alltagserleben geradezu aus: Es soll z.B. in Epos und Tragödie nicht um den Normalmenschen, sondern nur um den Heros gehen. Literaturgattungen, die an das Alltagsempfinden heranreichen, sind verhältnismäßig selten (z.B. stellenweise die Alte Komödie). Und an das Privatempfinden des historischen Sokrates kommt man leider nicht mehr ran. Wir beschränken uns dann halt auf den philosophisch überzeichneten platonischen Sokrates.

Gruß, Guenther


gesamter Thread:

 RSS-Feed dieser Diskussion