Wiedermal ein "Outing" (Hobby? Barfuß! 2)
Hallo Daniele
Willkommen im Forum
Schon seit geraumer Zeit besuche ich immer wiedermal eure interessante Webseite und lese gelegentlich in eurem Forum mit. Nicht so sehr aus einem persönlich-psychologischen Bedürfnis heraus als aus dem Bedürfnis, meine Identifikation und Solidarität mit den meisten von euch zu erklären und mit dem Anliegen, das Barfußlaufen bis in die letzte Nische gesellschaftlich zu emanzipieren, stelle ich mich hiermit kurz vor.
Hoffentlich gelingt dir diese gesellschaftliche Emanzipation des Barfußlaufens. Gemeinsam schaffen wir es vielleicht irgendwann, und je mehr wir werden, desto besser sind die Chancen dazu.
... Nur ganz grob: Ich gehöre eher zu denen, die jetzt bei Temperaturen um die 15 Grad langsam beginnen, die Schuhe immer öfter zuhause zu lassen, im Hochsommer wenn immer es möglich ist (also in der Freizeit zu 100 Prozent) auf Schuhe verzichten, im Winter aber auf festes Schuhwerk inklusive Socken nicht verzichten können.
Das geht mir ganz genauso. Im Winter benötige ich auch warme Schuhe und Socken, was aber auch mit meinem Beruf als Taxifahrer zusammenhängt, wo ich viele Stunden weitgehend bewegungslos im kalten Auto herumsitzen muss.
Nur einige Aspekte meiner persönlichen Barfuß-Biographie, die ich im Forum noch nicht gefunden habe (vielleicht auch nur, weil ich nicht so genau geschaut habe) möchte ich ansprechen:
Von meiner Kindheit und Erziehung als auch von meiner gesellschaftlichen Umgebung her war es - nein, keinesfalls verboten, wohl aber einfach denkunmöglich, sich im städtischen Bereich, also auf Straßen und Plätzen, in Geschäften, Schulen, öffentlichen Verkehrmitteln barfuß zu bewegen. Deshalb kam ich eigentlich nie wirklich auf die Idee, abseits von Wiesen, Almen, Stränden, Bädern, privaten Wohnbereich die Schuhe auszuziehen.
Das ist bei mir eigentlich auch so gewesen. Ein Verbot barfuß zu laufen hat es nie gegeben, aber es kam auch nie jemand auf die Idee es mal zu tun, auch ich nicht. Als Kind war ich mal mit meinen Eltern in den Pfingstferien an der Nordsee. Da meinten sie dann, dass man mal mit den Füßen ins Wasser müsste. Ich bekam recht bald kalte Füße und von da an hieß es stets ich bekäme sehr schnell kalte Füße und sollte sie daher stets warm einpacken.
Dann passierte etwas fast Unerklärliches: ... Ich war von einem auf den anderen Moment zu einem Barfußlaufer geworden, und zwar vorzugsweise im städtischen Bereich. Hat jemand von euch bereits von einer ähnlich radikalen "Bekehrung" gehört?
Bei mir waren es letzten Endes auch die Beobachtungen, die mich zum Barfußlaufen brachten, aber nicht eine bestimmte, wie bei dir. Bereits in der Schule gab es Mitschüler, die bei größter Hitze schon mal barfuß kamen oder zumindest in der Schule ihre Schuhe auszogen, was ich unglaublich toll fand. Ich hätte das damals nie gewagt. Viel zu groß war die Furcht, was wohl die "Leute" sagen würden, insbesondere meine Eltern. Verboten war es zwar nicht, aber einfach undenkbar.
Heute weiß ich, dass meine Mutter es unmöglich findet, dass ich barfuß laufe, dass wäre damals genauso gewesen. Meinen Vater kann ich leider nicht mehr fragen. Meiner Mutter ist es einfach nur peinlich, wenn ich barfuß herumlaufe. Sie meint die Nachbarn müssten denken, dass wir kein Geld für Schuhe hätten. Naja, solange es für das Auto vor der Tür reicht.
Der zweite Aspekt, den ich anprechen möchte:
Grundsätzlich kostet es mir keine Überwindung, mich in der Öffentlichkeit ohne Schuhe zu zeigen.
Auf Grund meiner Erziehung, bei der sicher auch nicht alles optimal lief, ist das bei mir leider anders. Auch ich ertappe mich immer wieder bei der Sorge, was wohl die Leute denken werden. Gerade bei nicht so hohen Temperaturen kostet es mich daher durchaus Überwindung, vor allem wenn ich alleine in der Stadt unterwegs bin, insbesondere wenn mir irgendwo jemand Bekanntes begegnen könnte. Ich arbeite aber daran, diese Hemmungen zu bekämpfen.
Ich versuche, eventuelle Reaktionen nicht einmal wahrzunehmen, was mir meistens gelingt (deshalb kann ich auch nicht sagen, ob mein Barfußlaufen auffällt oder nicht - selektive Wahrnehmung nennt man das).
Letzten Herbst fiel mir auf, dass ich öfter wegen der Kälte angesprochen wurde wenn ich Sandalen trug, als wenn ich barfuß war. Eine Erklärung habe ich dafür nicht. Ob die Leute vielleicht jemanden der bei 5-10°C barfuß geht für so verrückt halten, dass man besser Abstand hält und ihn nicht anspricht? Na, ganz so schlimm ist es wohl hoffentlich doch nicht.
Trotzdem muss ich gestehen, dass ich nicht ganz frei bin von einer gewissen Scham: wenn ich nämlich unerwarteterweise eher flüchtigen Bekannten begegne, fühle ich mich nicht ganz wohl und versuche ihnen auszuweichen. Eine anonyme Öffentlichkeit sowie Freunde und Leute, die mich besser kennen, sind absolut kein Problem.
Das kann ich gut verstehen.
Ich denke, es könnte vielleicht deshalb so sein, weil ich unbewusst Angst davor habe, auf das Barfußlaufen reduziert zu werden, und jemand, der mich nicht so gut kennt, könnte mich am ehesten etwa so charakterisieren: Daniel? Ja das ist der, der immer barfuß läuft... Sagen wir so: Ich arbeite daran, dass mir auch das egal wird.
Der zu sein, der immer barfuß läuft, fände ich nicht so schlimm, solange man ansonsten akzeptiert und ernst genommen wird. Meine Sorge wäre eher, dass irgendwelche Leute einen für völlig durchgeknallt oder verrückt halten könnten. Ich möchte nicht als armer Irrer, sondern als ein normaler Mensch betrachtet werden. Die meisten werden das wohl auch tun, nur meine Angst, dass mich doch jemand für einen Spinner hält bleibt bestehen. Ich arbeite zwar daran sie zu bekämpfen, aber das ist nicht so einfach.
Viele Grüße
Ulrich