Wiedermal ein "Outing" (Hobby? Barfuß! 2)
Schon seit geraumer Zeit besuche ich immer wiedermal eure interessante Webseite und lese gelegentlich in eurem Forum mit. Nicht so sehr aus einem persönlich-psychologischen Bedürfnis heraus als aus dem Bedürfnis, meine Identifikation und Solidarität mit den meisten von euch zu erklären und mit dem Anliegen, das Barfußlaufen bis in die letzte Nische gesellschaftlich zu emanzipieren, stelle ich mich hiermit kurz vor.
Ich bin Barfussläufer und will euch nicht mit allen Details meiner persönlichen Barfuß-Biographie langweilen, die nicht besonders spektakulär ist und so vielen im Forum bereits vielfach geschilderten Erfahrungen ähnelt. Nur ganz grob: Ich gehöre eher zu denen, die jetzt bei Temperaturen um die 15 Grad langsam beginnen, die Schuhe immer öfter zuhause zu lassen, im Hochsommer wenn immer es möglich ist (also in der Freizeit zu 100 Prozent) auf Schuhe verzichten, im Winter aber auf festes Schuhwerk inklusive Socken nicht verzichten können.
Nur einige Aspekte meiner persönlichen Barfuß-Biographie, die ich im Forum noch nicht gefunden habe (vielleicht auch nur, weil ich nicht so genau geschaut habe) möchte ich ansprechen:
Von meiner Kindheit und Erziehung als auch von meiner gesellschaftlichen Umgebung her war es - nein, keinesfalls verboten, wohl aber einfach denkunmöglich, sich im städtischen Bereich, also auf Straßen und Plätzen, in Geschäften, Schulen, öffentlichen Verkehrmitteln barfuß zu bewegen. Deshalb kam ich eigentlich nie wirklich auf die Idee, abseits von Wiesen, Almen, Stränden, Bädern, privaten Wohnbereich die Schuhe auszuziehen. Das liegt vielleicht daran, dass ich als Jugendlicher zwar immer für meine oft extrem non-konformistischen Einstellungen, Ansichten und Haltungen bekannt war, jedoch nie das Bedürfnis verspürte, das in einem non-konformistischen oder irgendwie auffälligen Outfit widerzuspiegeln.
Dann passierte etwas fast Unerklärliches: Als ich zum ersten Mal eine Gruppe von 6 oder 7 deutschen Jugendlichen durch die Fußgängerzone einer italienischen historischen Altstadt barfuß flanieren sah, völlig selbstverständlich und unbeschwert, eindeutig ohne Notfallschuhe, mit tiefschwarzen Sohlen - niemand außer mir schien im übrigen davon Notiz zu nehme - ja, da wusste ich, dass ich das auch machen will. Aber es war nicht so etwas, wie eine normale Vorbildwirkung, man sieht etwas Interessantes, probiert es dann vielleicht aus und findet es cool - nein, es fiel mir wie Schuppen von den Augen, ich hatte das Gefühl, dass ich das eigentlich schon immer gewollt hätte, ohne je auch nur einen bewussten Gedanken über das Barfußlaufen gedacht zu haben. Ich war von einem auf den anderen Moment zu einem Barfußlaufer geworden, und zwar vorzugsweise im städtischen Bereich. Hat jemand von euch bereits von einer ähnlich radikalen "Bekehrung" gehört?
Der zweite Aspekt, den ich anprechen möchte:
Grundsätzlich kostet es mir keine Überwindung, mich in der Öffentlichkeit ohne Schuhe zu zeigen. Ich versuche, eventuelle Reaktionen nicht einmal wahrzunehmen, was mir meistens gelingt (deshalb kann ich auch nicht sagen, ob mein Barfußlaufen auffällt oder nicht - selektive Wahrnehmung nennt man das). Trotzdem muss ich gestehen, dass ich nicht ganz frei bin von einer gewissen Scham: wenn ich nämlich unerwarteterweise eher flüchtigen Bekannten begegne, fühle ich mich nicht ganz wohl und versuche ihnen auszuweichen. Eine anonyme Öffentlichkeit sowie Freunde und Leute, die mich besser kennen, sind absolut kein Problem. Ich denke, es könnte vielleicht deshalb so sein, weil ich unbewusst Angst davor habe, auf das Barfußlaufen reduziert zu werden, und jemand, der mich nicht so gut kennt, könnte mich am ehesten etwa so charakterisieren: Daniel? Ja das ist der, der immer barfuß läuft... Sagen wir so: Ich arbeite daran, dass mir auch das egal wird.