Ein neuer Rekord (Hobby? Barfuß! 2)

Michael aus Zofingen @, Stammposter, Tuesday, 12.07.2005, 12:23 (vor 7013 Tagen) @ Ulrich (Berlin)

Hallo Ulrich,

Ulrich:
Wir gingen dann weiter durch die City, dann durch die Altstadt (in Hannover ist das zweierlei, wie er mir erklärte), sahen uns die Marktkirche und die historischen Häuser in ihrer Umgebung an, umrundeten den Niedersächsischen Landtag im Leineschloss und erreichten die Leine.

Michael:
Nicht nur in Hannover, auch in anderen Städten (z.B. Düsseldorf, Biel) unterscheidet man zwischen der "City" und der "Altstadt". Und das ist gut so! Wo noch eine Altstadt vorhanden ist, gibt es alte Häuser mit eher kleinen Fenstern. Derartige Gebäude sind aber als Einkaufshäuser in dieser Form ungeeignet. Durch Einbau riesiger Schaufenster würde man die alten Häuser verschandeln. Daher wurden vor dem Altstadtkern als Einkaufsläden geeignete Gebäude (nicht selten anstelle früherer "Slums") errichtet, während die Altstadtgebäude als Galerien, urige Restaurants usw. genutzt werden. Leider waren nicht überall die Stadtväter einsichtig, auch hat der Krieg (zumindest in Deutschland, nicht in der Schweiz) seinen Teil dazu beigetragen. Ein Barfüßer "sieht" sogar mit verbunden Augen, ob er sich in der Altstadt oder in der City befindet. Altstädte haben nicht selten angenehmes Kopfsteinpflaster, während in der City Betonplatten überwiegen. Scherben kann es beiderorts geben, nur lassen sie sich vom Beton mit Kehrmaschinen erfolgreicher entfernen.

Ulrich:
Der Bus hielt dann direkt an der Straßenbahnhaltestelle (wie eine U-Bahn-Station sah das jedenfalls nicht aus), und fuhr uns dann zum Hannoverschen Straßenbahnmuseum in Wehmingen. Nach fünf Minuten Fußweg auf Kopfsteinpflaster erreichten wir den Museumseingang. Niemand kümmerte sich dort um unsere Füße, aber im Laufe der Zeit waren zumindest drei Kinder barfuß zu sehen. Ob wir da motivierend gewirkt haben? Das Museum ist durchaus barfuß zu bewältigen, teilweise ist aber auch Kies vorhanden, der für Anfänger sicher nicht optimal, aber doch gut begehbar ist.

Michael:
In Hannover ist ebenso wie in Köln der Übergang von U-Bahn und Straßenbahn fließend.
Als ich zu Pfingsten 1984 (oder war es 1983?) mit dem Fahrrad von Oldenburg nach Wehmingen fuhr (an diesem Wochenende war ich auch in Braunschweig, Wolfenbüttel, Salzgitter und Gifhorn), war es auch nur ca. 13°C warm. In Hannover fragte mich auch einer, ob es nicht zu kalt sei. Dabei war ich nicht barfuß (das kannte ich damals noch nicht), aber ich trug kurze Hosen. Damals stand noch das markante Gebäude mit dem Förderrad (das Trammuseum befindet sich in einem ehemaligem Bergwerk). Leider wurde das Gebäude abgerissen, damit man die Gänge mit Sand verfüllen konnte, die Rohre lagen schon bereit. Hätte man nicht das Gebäude stehen lassen können während des Verfüllens? Barfuß war übrigens keiner auf dem Museumsgelände.

Ulrich:
Gerade als die Schaffnerin durchkam fragte ein Mann, ob der Zug nach Braunschweig fährt. Sie erklärte ihm, dass er in die falsche Richtung fahren würde, aber bis Magdeburg im Zug bleiben und mit ihr wieder zurück fahren solle, da es vorher ohnehin keinen Gegenzug geben würde. Er setze sich dann zu mir und erzählte, dass er in einem Heim in Braunschweig wohnen würde wo er betreut wird, sein Sozialarbeiter ihm gesagt hat er solle keinesfalls auf den Bahnsteig gehen, er hat es dann doch gemacht und ist in den erst besten Zug gestiegen und Geld hatte er auch nicht! Ein geistig verwirrter Mann! Die Schaffnerin hatte das aber nicht bemerkt. Er überlegte dann, ob er in Magdeburg bleiben oder nach Berlin weiter fahren solle, ich riet ihm zurück zu fahren, aber war mir nicht sicher, ob er das tun würde. In Magdeburg riet ich ihm daher mit mir zusammen die Schaffnerin zu suchen, damit sie ihm weiterhelfen könne. Wir fanden sie schließlich und ich machte ihr die Situation klar. Bei dieser Gelegenheit sagte sie dann: "Sie sind ja barfuß" "Das ist unwichtig!" meinte ich darauf nur, obwohl ich gerne darüber gesprochen hätte, aber es gab ein wichtigeres Thema. Sie begriff dann was los war, kümmerte sich um den Mann, der in Braunschweig sicher schon gesucht wurde, informierte den Bundesgrenzschutz, der ja auf Bahnanlagen die Polizeiaufgaben wahrnimmt, zwei Beamte passten auf ihn auf, er konnte sich noch mit einem Euro, den ich ihm gab, einen Kaffee kaufen, dann begleitete ihn die Schaffnerin wieder in den Zug nach Braunschweig.

Michael:
Deine Reaktion war richtig. Sicher ist es unwichtig, daß Du barfuß warst. Wie ich mich in solcher Situation verhalten hätte, kann ich nicht sagen. Meistens reagiert man nämlich, wenn man plötzlich mit einer Sache konfrontiert wird, anders wie wenn man Zeit zum Überlegen hat (und erst recht, wie wenn man gefragt wird, wie man sich verhalten würde). Ein gutes Gewissen hätte ich nie gehabt. Einerseits macht man eine hilflose Person nicht im Stich lassen. Andererseits möchte man ihn aber nicht seinen "Feinden" in die Hände spielen. Manch einer sieht im Sozialarbeiter einen "Feind", der ihn bevormundet. Auch ist mit Beamten vom Bundesgrenzschutz nicht zu spaßen. Wenn man DENEN barfuß begegnet, besteht die Gefahr, daß sie einen selber für verwirrt halten und nicht den anderen. Markus U. wurde auch schon mal von den Grenzschützern schikaniert. Allein das Bild: Eine hilflose Person wird von ZWEI bewaffneten Uniformierten wie ein Schwerverbrecher bewacht. Wo bleibt da die Verhältnismäßigkeit?

Ich hoffe, daß Dir das Ereignis im Zug nicht den Tag verdorben hat und die positiven Erlebnisse mit Rainer überwogen haben. Auf jeden Fall schönen Dank für den gelungenen Bericht.

Schöne Grüße

Michael aus Zofingen


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