Stilfragen (Hobby? Barfuß! 2)

Markus U., Stammposter, Tuesday, 17.06.2003, 14:29 (vor 7775 Tagen) @ der Joe

Hi Joe!

Zunächst finde ich deine Ergänzung des Titels um den Zusatz "Stilfragen" sehr schön. Denn der Stil ist es doch, worum es den Menschen, die in diesem Forum lesen und schreiben, geht. Die Diskussion über den Kleidungsstil ist ein Vehikel, das es einfacher macht.

Insgesamt geht es in diesem Forum sicherlich um den barfüßigen Lebensstil, und die Frage, welche Kleidung am besten zu barfuß paßt, gehört ganz entscheidend dazu. Sie hat sogar über den Barfuß- Kontext hinaus große Bedeutung für die Problematik eines angemessenen Lebensstils ganz allgemein. Denn die Kleidung eines Menschen, sei er nun bekannt oder unbekannt, beschuht oder unbeschuht, vermittelt nun mal den ersten Eindruck (auch wenn ich dem nicht so viel Bedeutung beimesse, weil es mir eher um den letzten Eindruck geht - meine Einstellung gegenüber einem jeden meiner Mitmenschen ist durchaus veränderlich). Wenn ich einem Menschen begegne, sehe ich (neben seinem Gesicht, das natürlich am wichtigsten ist) vor allem die Kleidung, welche dieser Mensch gdrade trägt. Alles andere, was etwas über diesen Menschen aussagt (z. B. die Einrichtung seiner Wohnung) kann ich vielleicht ggf. nach und nach herausfinden, aber seine jeweilige Kleidung sehe ich sofort, und die kann, falls ich einem Menschen erstmals begegne, entscheidend dafür sein, ob ich weitere Eindrükke von diesem Menschen haben möchte (auch wenn ich mir das je nach gesellschaftlichem Kontext nur bedingt aussuchen kann).
Es ist ja schließlich bekannt, daß durch Kleidung sehr viel ausgedrückt werden kann (und es wäre - um den Weg zurück zum Thema zu finden - sicher sehr interessant - was durch (partielle) Nicht- Bekleidung, also gezielten Schuhverzicht - ausgedrückt wird).

Wir beide sind uns einig, dass zumindest für uns der gesundheitliche Aspekt des Barfusslaufens nebensächlich ist. Und ich wage zu behaupten, dass das bei den meisten anderen ebenso ist. Seit ich dieses Forum entdeckte, habe ich einige Leute näher kennengelernt (natürlich auch persönlich) und bei allen war es das gleiche. Wenn's nicht um den Spass bzw. das Bedürfnis (deine Vokabel) ging, dann war es der persönliche Stil, der auf diese Art und Weise ausgelebt werden kann.

Das kann ich bestätigen, und es ist auch so, daß durch dieses Forum ein paar sehr schöne Freundschaften entstanden sind. Diese erfordern zwar weitaus mehr als nur eine Vorliebe für das Barfußlaufen, aber das war der Ausgangspunkt, durch den die entsprechenden Kontakte überhaupt zustande gekommen sind. Übrigens habe ich festgestellt, daß es seit einiger Zeit nur noch im Zusammenhange mit konkreten Problemen (Verletzungen etc.) um Gesundheit geht.

Naja, und damit wäre ich auch schon beim Thema Sachlichkeit, Gelassenehit und Toleranz. Ich stimme dir zu, dass Toleranz oft dann eingefordert wird, wenn die Argumente nicht mehr ausreichen. Kann man sagen, dass zum Leben von Toleranz auch ein gerüttelt Mass an Gelassenheit erforderlich ist? Ich meine schon. Nur darf Gelassenheit natürlich nicht mit einer "LMAA-Haltung" gleichgestellt werden.

Der Meinung bin auch, daß zur Toleranz ein gerüttelt Maß Gelassenheit erforderlich ist, wie Du es so treffend ausgedrückt hast. Und diese ist auch nicht mit einer "LMAA- Haltung" gleichzusetzen. Es bedeutet vielmehr, daß man sich in Respekt und Achtung mit der Haltung des anderen auseinandersetzt, auch wenn man sich seiner Meinung nicht anschließen mag. Insofern definiere ich Gelassenheit als Bereitschaft zur respektvollen Begegnung auf gleicher Augenhöhe, ohne auf sein Gegenüber herabzuschauen oder gewisse "Autoritäten" übertrieben hochzustilisieren (ich bin seit frühester Kindheit jeder Form von "Guru- Gefolgschaft" oder Personenkult abhold). Diese Form von Gelassenheit ist freilich in diesem Forum selten zu finden.

Ich lebe Toleranz, indem ich im Alltage eines jeden Menschen Äußeres kommentarlos hinnehme und meine Meinung nur bekunde, wenn ich ausdrücklich darum gefragt werde. Dieses generelle Stillschweigen bei persönlichen Begegnungen bedeutet freilich nicht, daß ich den sich mir bietenden Anblick auch billige. Die Kommentare finden dann in meinem Kopf statt. Hier im Forum darf man aber seine Meinung sagen, sofern das in halbwegs zivilisierter Form geschieht, und das nehme ich für mich in Anspruch.


Genau darum geht es. Leider vermisse ich oft die zivilisierte Form und lese dafür eine Menge Dogmatismus. Da frage ich mich dann, wo kommt das her und warum soll ausgerechnet das Barfusslaufen davon so beherrscht sein? Dafür ist es viel zu unwichtig. Der Mensch dahinter ist wichtig und manchmal sogar interessant.

Vor allenm dem letzten Satz kann ich nur zustimmen. Der Dogmatismus ist m. E. eine Folge des Mangels an Gelassenheít und der weitgehenden Unfähigkeit gewisser Schreibender, mit abweichenden oder gar gegensätzlichen Positionen richtig umzugehen. Viele Menschen haben das Bedürfnis nach Bestätigung, nach der Rückversicherung, "auf der richtigen Seite" zu stehen. Leider führt das ofzt zur verfolgung Andersdenkender, was ich auch in diesem Forum schon des öfteren leidvoll zur Kenntnis nehmen mußte, da ich mir, seit ich denken kann, stets meine eigenen Gedanken gemacht habe, und die weichen nun einmal häufig von der "herrschenden Meinung" ab. Anstatt sich damit eingehend auseinanderzusetzen, fallen manche Zeitgenossen gerne über Menschen mit eigenen, von der Mehrheitsmeinung abweichenden Gedanken her. Auch hier ist wieder eine Parallele zum eigentlichen Thema des Forums, nämlich dem Barfußlaufen, erkennbar. Manche der Leute, die sich über Barfußläufer in der Öffentlichkeit mokieren (ich persönlich habe damit in Bayern keine Probleme, daheim und vor allem mit der eigenen Verwandtschaft schon viel eher), sind neidisch auf Freiheiten, die sie bei anderen sehen, für sich selber aus diversen Gründen jedoch nicht in Anspruch zu nehmen wagen. Dasselbe Muster liegt übrigens - vereinfachend gesagt - dem Denunziantentum und der Aufrechterhaltung autoritärer Herrschaftsverhältnisse zugrunde.

Ich schätze dieses Forum (manchmal mehr und manchmal weniger) weil sich eine Community entwickelt, die ihre Gemeinsamkeit nicht zum ausschliesslichen Thema machen muss - auch wenn viele das noch nicht unbedingt verstanden haben. Es birgt die wunderbare Möglichkeit, dass unterschiedlichste Menschen zueinander finden, die ihre gemeinsamen Themen über das Barfusslaufen hinaus entdecken, bzw. dass Menschen Themen entdecken, die völlig neu für sie sind. Ich finde, das ist eine klasse Sache und wir sollten sie pflegen - in welchem Forum auch immer.
So, und nun Schluss für heute, sonst fange ich nämlich an mich zu verzetteln ;-)

Diesem letzten Absatz stimme ich uneingeschränkt zu. Im übrigen möchte ich Dir - auch wenn meine Antwort recht umfangreich ausgefallen ist, für Deinen großartigen Beitrag, der mich zu intensivem weiterem Nachdenken angeregt hat (daher auch die ausführliche Antwort), ganz herzlich danken!

Viele Grüsse vom
Joe
PS. und wer wissen will, was mein Kleidungsstil ist, muss das selbst herausfinden *g*

Wo lebst Du denn? Vielleicht kann man sich ja treffen, damit ich Deinen Kleidungsstil herausfinden kann :-))

Herzliche Barfußgrüße,
Markus U.


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